Mit lautem Glockengeläut kündigen sie sich schon von weit hin an: Rund um die Wintersonnenwende treiben die Belzemärtel jedes Jahr ihr Unwesen im Fachwerkdorf Reichental, einem Stadtteil von Gernsbach (Kreis Rastatt). Dabei ziehen sie durch die Straßen und besuchen Familien, wo sie den Kindern Süßes bringen, aber auch liebevoll tadeln. Mit ihrer düsteren Erscheinung sollen sie den Winter und böse Geister sowie Dämonen vertreiben. Die Belzemärtel sind ein Highlight für die Dorfbewohner in Reichental.
Katz- und Mausspiel der Jugend im Schwarzwald
Brauchtumsexperte Friedbert Zapf wuchs im Reichental der 1950er und -60er Jahre auf und erinnert sich: "Jugendliche haben sich zusammengerottet und sind dann von den Belzemärtel gejagt worden." Auch wenn die Verfolgungsjagd mitunter wohl nicht mehr so wild wie damals zugeht, ist vieles gleich geblieben: So sind die Belzemärtel dunkel gekleidet, tragen einen Spitzhut, um den Körper ist eine Kette gelegt, an der eine Kuhglocke baumelt und die Figuren haben eine Reisigrute bei sich.
Experte: Belzemärtel sind mit der Zeit gegangen
Vor kurzem noch hatte der Winterbrauch "Klaasohm" auf Borkum, wo bis letztes Jahr das Schlagen von Frauen dazugehörte, für eine Debatte gesorgt. Im Hinblick darauf erklärt Zapf, dass die Belzemärtel mit der Zeit gegangen sind. Von daher war eine öffentliche Debatte für diesen Brauch nie vonnöten. So ist die Höchststrafe für pubertierende Jugendliche in Reichental eher, ein Weihnachtslied vorsingen zu müssen - ein angedeuteter Klaps aufs Gesäß mit der Rute das kleinere Übel.
Winter-Brauch hat Ursprünge vor über zweihundert Jahren
Die Ursprünge der Reichentaler Belzemärtel vermutet Zapf um 1800. Rückschluss darauf liefert die Kopfbedeckung der Belzemärtel, ein Spitzhut, der an eine schwarze Schultüte erinnert. Der Name "Schagox" soll von der militärischen Kopfbedeckung Tschako kommen, die in den napoleonischen Kriegen getragen wurde.
Aussterbende Tradition in Reichental gerettet
Ober-Märtel Johannes Warth erzählt, dass es die Tradition der Belzemärtel früher praktisch in jedem Ort im Murgtal gab. Doch mit der Zeit starb die Tradition immer weiter aus. Auch in Reichental drohten Belzemärtel in den 80er-Jahren zu verschwinden. Darauf beschloss Ralf Warth - Johannes Warths Vater - und Mitbegründer des FC Auerhahn Reichental, den Brauch mit seinem Verein neu aufleben zu lassen. Damit sind die Belzemärtel in Reichental die letzten ihrer Art.
Keine Sorge um Nachwuchs
Solange es möglich ist, werden Warth und seine Belzemärtel weiter machen. Um Nachwuchs müssen sie sich keine Sorgen machen: Der jüngste der ausschließlich männlichen Belzemärtel ist dieses Jahr 18 Jahre alt. Anfragen von Frauen, sozusagen "Belzemärtelin" zu werden, habe es übrigens noch nicht gegeben.