Nachdem bekannt wurde, dass Cem Özdemir Ministerpräsident von Baden-Württemberg werden will, haben sich erste Politikerinnen und Politiker geäußert, mehrheitlich kritisch. Auch der derzeitige Koalitionspartner in BW, die CDU. Der CDU-Partei- und Fraktionschef Manuel Hagel (36) soll voraussichtlich Spitzenkandidat und somit Cem Özdemirs Konkurrent werden. Lob kam vom Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne).
- Viel Kritik von der CDU
- Lob vom grünen Ministerpräsidenten
- Häme von der AfD
- FDP: BW nur der Plan B für Özdemir
- SPD-Generalsekretär: Wären bereit für Neuwahlen
- Zuspruch von den Grünen im Bund
- Zurückhaltung bei der Grünen Jugend
So reagiert die CDU auf Özdemirs Spitzenkandidatur
Als eine der ersten reagierte öffentlich die baden-württembergische CDU-Generalsekretärin und Bundestagsabgeordnete Nina Warken. Sie zeigte sich am Freitag gegenüber den Spitzenkandidatur von Cem Özdemir (Grüne) skeptisch. "Nach ewigem Zögern und Zaudern hat Herr Özdemir sich jetzt offenbar doch durchgerungen und das Offensichtliche ausgesprochen: Vermutlich greift bei ihm - einem der Hauptdarsteller der Berliner Ampel - die pure Angst um sich, dass aus seinen Traumvorstellungen Bundesminister zu bleiben, wohl doch nichts mehr wird." Die Grünen hätten "sehr früh" den Beginn des des Landtagswahlkampfes ausgelöst, so Warken.
Wie Özdemirs Chancen auf Erfolg stehen, schätzt Henning Otte, Redakteur aus der SWR-Redaktion Landespolitik ein.
CDU voll im Angriffsmodus
Aktuell bilden die Grünen und die CDU zusammen in Baden-Württemberg eine Regierungskoalition. Warken teilte mit, dass die CDU in BW weiter fest vorhabe, "verlässlich und stabil mit Winfried Kretschmann zum Ende der Legislatur zu regieren". Die CDU-Politikerin hinterfragte, ob eine Doppelbelastung von eineinhalb Jahren Dauerwahlkampf in Stuttgart und gleichzeitig der Posten in der Ampel-Regierung des Bundes funktioniere. "Von Anfang an begleiten negative Schlagzeilen Herrn Özdemir, sein Herzensprojekt der Cannabislegalisierung, die Dauer-Moralisiererei und Verbotspolitik, die Bauernproteste und vieles mehr lassen grüßen."
Nachfolge von Ministerpräsident Kretschmann Özdemir will Spitzenkandidat der BW-Grünen bei der Landtagswahl 2026 werden
Nun ist es raus: Cem Özdemir will die Grünen in BW in die Landtagswahl 2026 führen. Der Ampel-Minister soll die in Umfragen schwächelnden Grünen vor dem Machtverlust bewahren.
Warken zog eine Parallele zur Kandidatur von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die bei der Landtagswahl in Hessen als SPD-Spitzenkandidatin angetreten war. Die Berliner Ampel versuche wohl "ihre zweite Fachkraft in die Landespolitik weg zu versorgen".
Grüne: Ministerpräsident Kretschmann lobt Özdemir
Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann (Grüne) ist voll des Lobes für seinen Nachfolger in der Spitzenkandidatur. Özdemir bringe alles mit, was Baden-Württemberg brauche. "Er hat Regierungserfahrung und ist eine über Parteigrenzen hinweg geschätzte Persönlichkeit. Er verbindet eine klare Haltung mit pragmatischem Handeln. Er hat bewiesen, dass er Rückgrat hat und auch vor schwierigen Herausforderungen nicht zurückschreckt."
Özdemir sei als gebürtiger Schwabe tief mit dem Bundesland verwurzelt und kenne die Bedürfnisse der Menschen hier. Kretschmann und Özdemir verbinde die Überzeugung, dass das Wohl des Landes immer an der ersten Stelle in der Politik stehen müsse - "und nicht die Partei oder der persönliche Ehrgeiz".
AfD voller Häme für Özdemir
Anton Baron, der Chef der AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, bewertete Özdemirs Spitzenkandidatur in BW als "Wahlkampfgeschenk für die AfD". Er teilte mit, es sei längst nichts Neues mehr, "dass die Grünen traditionell die ungeeignetsten Leute an die Spitzen stellen. Daher wundert auch Özdemirs Spitzenkandidatur nicht." Özdemir habe weder im Bundestag, noch im EU-Parlament noch als Landwirtschaftsminister eine gute Figur gemacht. AfD-Landeschef Emil Sänze betonte gegenüber dem SWR, dass Özdemir für "uns keine Rolle" spiele, die CDU sei der Gegner.
FDP: BW nur der Plan B für Özdemir
Hans-Ulrich Rülke, FDP-Fraktionsvorsitzender im baden-württembergischen Landtag, ist der Ansicht, dass Baden-Württemberg für Cem Özdemir der Plan B sei. Rülke teilte mit, dass Özdemir seine Ambitionen als Bundeslandwirtschaftsminister wohl aufgebe, weil er nichts erreicht und sich mit den Landwirten angelegt habe. Aber "Baden-Württemberg ist zu schade für einen Ampelflüchtling aus Berlin", so Rülke.
Aus seiner Sicht braucht es eine bürgerliche Landesregierung. Daher arbeite die FDP an einer Koalition mit der CDU und gegebenenfalls mit der SPD. Die Grünen würde Rülke 2026 gerne in der Opposition sehen. Wenn Kretschmann in Ruhestand gehe und Özdemir komme, gehe es mit den Grünen vermutlich weiter bergab, so Rülke.
SPD-Generalsekretär: Wären bereit für Neuwahlen
Für Sascha Binder, SPD-Generalsekretär, ist der Schritt Özdemirs der Startschuss für die Eröffnung des Wahlkampfs. "Mit dem heutigen Tag ist die Regierung Kretschmann faktisch im Ruhestand", so Binder.
Es beginne jetzt der Jahrmarkt der Eitelkeiten, das könne man auch an der Reaktion der CDU sehen. "Ich muss ehrlich sagen, dann sollen doch CDU und Grüne so ehrlich sein, dann sollen sie doch gleich Neuwahlen ausrufen, wir wären bereit auch sofort in den Wahlkampf zu gehen, aber anderthalb Jahre Stillstand, Ruhestand, kann sich dieses Land nicht leisten", sagte er.
Zuspruch von den Bundes-Grünen
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hält ihren Kabinettskollegen Cem Özdemir für den besten Mann an der Spitze von Baden-Württemberg. "Cem ist der Beste aus dem Ländle fürs Ländle", sagte Baerbock der "Bild". Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lobte die Entscheidung seines Ministerkollegen. "Ich schätze Cem Özdemir persönlich und politisch. Ein bodenständiger Pragmatiker, der die Gesellschaft in ihrer Breite sieht", so Habeck am Rande einer Reise in Indien.
Auch andere prominente Bundespolitiker der Grünen begrüßten die geplante Spitzenkandidatur Özdemirs. "Entschieden für BW. #2Ö26 kann kommen. Yes, we Cem!", schrieb die Noch-Bundesvorsitzende Ricarda Lang auf der Plattform X. Omid Nouripour, ebenfalls Noch-Parteivorsitzender, schrieb in dem Netzwerk: "Auch wenn er nicht dem einzig richtigen Fußballverein zujubelt: Der beste Spielmacher für Baden-Württemberg in der nächsten Legislatur ist unbestritten Cem Özdemir."
Zurückhaltung bei der Grünen Jugend
"Politik ist mehr als nur einzelne Personalentscheidungen. Cem Özdemir muss beweisen, dass er auch bei Gegenwind für die Werte und Beschlüsse der Partei eintritt", sagte der Landeschef der Grünen Jugend Baden-Württemberg, Tim Bühler, einer Mitteilung zufolge. Man werde keinen Alleingang und kein Abdriften nach rechts akzeptieren, so Bühler.
Die Co-Landesvorsitzende Tamara Stoll forderte nach 15 Jahren mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann "neue Ideen für die Menschen im Land". Insbesondere jungen Menschen müsse vermittelt werden, dass sie politisch wahr- und ernstgenommen werden.