Boris Pistorius steht für die Kanzlerkandidatur der SPD nicht zur Verfügung. Das hat der Verteidigungsminister am Donnerstagabend in einer Videobotschaft an die SPD-Parteimitglieder und wenig später auf den Social-Media-Kanälen der Partei bekanntgegeben. Am späten Donnerstagabend teilte der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil mit, dass am kommenden Montag Olaf Scholz als Kanzlerkandidat der Partei nominiert werden soll.
SPD-Landeschef Stoch bekennt sich zu Scholz
"Es ist gut, dass nun Klarheit herrscht", sagte der Landesvorsitzende der SPD in Baden-Württemberg, Andreas Stoch, dem SWR am Freitag. Die SPD müsse als Partei geschlossen in den Bundestagswahlkampf gehen, denn es gehe um viel. Pistorius habe mit seiner gestrigen Erklärung eindrucksvoll bewiesen, "dass die SPD nur erfolgreich sein wird, wenn sie geschlossen und entschlossen in diesen Wahlkampf zieht. Mit Olaf Scholz, unserem Kanzler und Kanzlerkandidaten", so Stoch.
Die Bundestagswahl sei nicht weniger als eine Richtungsentscheidung "zwischen einer Politik der SPD, die wirtschaftlichen Erfolg und sozialen Zusammenhalt verbindet. Oder einer Politik der CDU, die das Heil in der Vergangenheit sucht und Menschen gegeneinander ausspielt." Stoch versprach weiter, seine Partei werde sich "mit aller Kraft für all die Menschen einsetzen, die unser Land tagtäglich am Laufen halten." Sie werde für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen kämpfen, für sichere Renten und "die Entlastung der vielen fleißigen Menschen in unserem Land".
SPD-Vorsitzende Esken begrüßt Entscheidung
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken aus Calw begrüßte den Verzicht von Boris Pistorius auf die Kanzlerkandidatur. "Die Entscheidung von Boris Pistorius ist souverän und ein großes Zeichen der Solidarität zur SPD und Bundeskanzler Olaf Scholz", sagte Esken der "Rheinischen Post". Pistorius sei ein "hervorragender Verteidigungsminister" und man kämpfe auch darum, dass er dieses Amt in der nächsten Regierung weiter ausführen könne, so Esken.
Spitze der BW-SPD äußert sich zunächst nicht zu Pistorius
In der SPD in Baden-Württemberg ist man nach der Debatte, die große Zweifel in der Partei an Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz offenbart hatte, offenbar um ein Bild der Geschlossenheit bemüht. Direkt am Donnerstagabend nach Veröffentlichung von Pistorius' Videobotschaft hatte sich auf SWR-Nachfrage noch niemand aus der Spitze der Landespartei äußern wollen. Der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Wahl aus dem Wahlkreis Böblingen lobte gegenüber dem SWR Pistorius' Statement. Dass man mit Olaf Scholz in die Bundestagswahl gehe, halt er für "sehr richtig". "Jetzt geht es darum geschlossen in den Wahlkampf zu ziehen", das werde passieren, so Wahl.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im BW-Landtag, Andreas Schwarz, teilte am Donnerstagabend lediglich mit, die Entscheidung sei Sache der SPD. Für die Grünen stehe fest, dass Robert Habeck als Spitzenkandidat der Partei "das Angebot für unser Land schlechthin" sei. Weitere Statements zur Pistorius'-Entscheidung gab es aus den anderen im BW-Landtag vertretenen Parteien am Donnerstagabend zunächst nicht.
Pistorius: "Meine souveräne und ganz eigene Entscheidung"
In seiner Videobotschaft vom Donnerstagabend hatte Pistorius gesagt, er habe seine "souveräne und ganz eigene Entscheidung" der Partei- und Fraktionsspitze der SPD mitgeteilt. Er habe die Debatte nicht angestoßen und sich nicht ins Gespräch gebracht, sagte er. Zudem sei der Posten des Verteidigungsministers kein Karrieresprungbrett für ihn, so Pistorius. Gleichzeitig betonte der 64-Jährige, dass Olaf Scholz ein "hervorragender Bundeskanzler" sei. Er habe eine schwierig zu führende Koalition aus drei Parteien durch die "vielleicht größte Krise der letzten Jahrzehnte" geführt.
Pistorius forderte die Parteimitglieder auf, gemeinsam und geschlossen für eine zweite Amtszeit von Scholz zu kämpfen. "Ich werde in den kommenden Wochen gemeinsam mit euch kämpfen", so Pistorius. Vorausgegangen waren seiner Videobotschaft Debatten in der SPD darüber, ob er angesichts hoher Beliebtheitswerte in Umfragen nicht der bessere Kanzlerkandidat für die anstehenden Neuwahlen des Bundestags wäre.
Am späten Donnerstagabend war Boris Pistorius in den ARD-Tagesthemen für ein Interview zu Gast:
Pistorius unterstützt Scholz: So geht es jetzt weiter
In der Kanzlerkandidatenfrage herrscht in der SPD nun wohl Klarheit. Am kommenden Montag sollen die Parteigremien Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten für die Neuwahl des Bundestags am 23. Februar nominieren, so der Parteichef Klingbeil am Donnerstag. Am 11. Januar soll es auf dem Parteitag der SPD eine Abstimmung über den Kanzlerkandidaten geben - die gilt normalerweise als Formsache. Offiziell präsentiert werden soll der Kanzlerkandidat allerdings schon vorher: Bei einer sogenannten Wahlsiegkonferenz am 30. November in Berlin.