Gewerkschaft hält Abstimmung für undemokratisch

Geplante Pflegekammer in BW: Wer schweigt, stimmt zu

Stand
Onlinefassung
Christian Spöcker
Christian Spöcker, SWR

Die Landesregierung in BW plant, dass alle Pflegefachkräfte Kammermitglieder werden müssen. Die Gewerkschaft ver.di ist dagegen - und gegen die Art, über die Gründung abzustimmen.

Ähnlich wie beispielsweise bei Architekten soll auch für baden-württembergische Pflegefachkräfte bald die Mitgliedschaft in einer Kammer zur Pflicht werden. Das plant die grün-schwarze Landesregierung. Gegründet wird die Kammer jedoch nur, wenn sie von einer Mehrheit der Pflegefachkräfte im Land gewollt ist. Erheben mehr als 40 Prozent der Pflegefachkräfte im Land bis zum 23. Februar Einwände gegen die Einrichtung der Kammer, kommt sie nicht. Derzeit können sie per Post oder online dagegen stimmen, dass eine solche Pflegekammer ins Leben gerufen wird.

Schweigen gilt als Zustimmung

Doch wenn sich die Pflegefachkräfte gar nicht äußern und nicht auf ein entsprechendes Schreiben reagieren, wird das automatisch als Zustimmung zur Pflegekammer gewertet, kritisiert die Gewerkschaft ver.di. "Wer 'ja' sagt, muss nichts machen, wer 'nein' sagt, muss begründet innerhalb von sechs Wochen Einwände vorbringen", bemängelt ver.di und hält das Verfahren für undemokratisch. Sollte eine baden-württembergische Pflegekammer ins Leben gerufen werden, wäre sie somit nicht ausreichend legitimiert, findet die Gewerkschaft, der die Gründung einer solchen Einrichtung grundsätzlich ein Dorn im Auge ist.

Baden-Württemberg

Sprachrohr für Berufsstand BW will verpflichtende Mitgliedschaft in Pflegekammer

Eine verpflichtende Kammermitgliedschaft für rund 110.000 Pflegekräfte in Baden-Württemberg - so sieht das ein Gesetzentwurf von Sozialminister Lucha (Grüne) vor. Daran gibt es Kritik.

SWR Aktuell Baden-Württemberg SWR Fernsehen BW

Pflegekammer: Sprachrohr und Kontrollinstanz in einem

Die baden-württembergische Landesregierung verspricht sich von einer solchen Kammer unter anderem, dass sie den Pflegefachkräften eine Stimme geben könnte. Doch ver.di kritisiert, sie solle auch darüber wachen, dass die Pflegekräfte ihre beruflichen Pflichten einhalten. Sie soll also einerseits ein Sprachrohr der Pflegekräfte nach außen und gegenüber der Politik sein, aber andererseits auch eine Kontrollinstanz nach innen - die die Pflegekräfte über ihre Mitgliedsbeiträge auch noch selbst finanzieren sollen, kritisiert die Gewerkschaft.

Dabei komme Fehlverhalten von Pflegekräften ohnehin vor allem durch schlechte Arbeitsbedingungen zustande, argumentiert ver.di - doch um diese zu verändern, fehle es einer Pflegekammer an Einflussmöglichkeiten gegenüber Arbeitgebern und der Politik, die für die Rahmenbedingungen der Pflege letztlich zuständig seien.

Gewerkschaft kritisiert Pflichtmitgliedschaft

Durch eine Kammer und ihre Sanktionsmöglichkeiten müssten sich die Pflegekräfte künftig außerdem nach "zwei Herren" richten: Denn zu den Weisungen ihrer Arbeitgeber komme nun auch noch die Pflegekammer und ihre Berufsordnung dazu - aus Sicht von ver.di "doppelte Fremdbestimmung". Und statt einer Austrittsmöglichkeit aus der Kammer bleibe Pflegekräften als Alternative nur der Wechsel in einen anderen Beruf oder ein Umzug in andere Bundesländer ohne eine solche Kammer, so die Gewerkschaft.

Rheinland-Pfalz

Pflegesystem am Limit Landespflegekammer macht mobil gegen Leiharbeit

Die Landespflegekammer hat ein Positionspapier gegen Leiharbeit in der Pflege vorgelegt. Kammerpräsident Mai kritisierte zudem die Pflege-Reformpläne der Bundesregierung.

Der Nachmittag SWR1 Rheinland-Pfalz

Pflegekammer in RLP ist für ver.di ein Negativbeispiel

Beispiele aus anderen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz zeigten ohnehin, dass eine Pflegekammer sinnlos sei, so ver.di. "Die Erfahrungen aus mittlerweile sieben Jahren zeigen: Die Pflegekräfte hatten davon bisher keine Vorteile. Die grundlegenden Probleme der Pflege - hohe Belastung, zu wenig Personal und vor allem in der Altenpflege eine unzureichende Bezahlung - bleiben ungelöst", urteilt die Gewerkschaft über die Pflegekammer aus dem benachbarten Bundesland.

Pflegekammer-Ausschuss: ver.di "schürt Ängste"

Der Gründungsausschuss für die Pflegekammer weist die Kritik von ver.di wiederum scharf zurück: Der derzeit laufende Abstimmungsprozess sei "hoch demokratisch" und die Entscheidung über eine baden-württembergische Pflegekammer liege in der Hand der Pflegefachkräfte, entgegnete der Ausschussvorsitzende Peter Bechtel. Die Gewerkschaft informiere hingegen "tendenziös", sie schüre Ängste und verbreite Fehlinformationen. Sie sei somit mit daran Schuld, dass die Pflegekammern in Schleswig-Holstein und Niedersachsen wieder aufgelöst worden seien.

Junge Pflege Südwest sieht Pflegekammer als Chance

Auch die Junge Pflege Südwest im Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) kritisiert, die Gewerkschaft ver.di überschreite Grenzen mit ihrer Kritik an der geplanten Pflegekammer. Die Vertretung von jungen Pflegenden, Auszubildenden und Studierenden in der Pflege sieht eine Pflegekammer vielmehr als Chance, sich Gehör in der Politik zu verschaffen, endlich mitzureden und die allgemeine Pflegequalität zu steigern.

Generell befürworten wir eine Pflegekammer, welche eng mit den Gewerkschaften, Berufsverbänden und der Politik zusammenarbeitet.

Die Freiburger Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin Charlotte Marx hält eine Pflegekammer für "total relevant für die Berufsgruppe der Pflegenden wie auch für die ganze Gesellschaft", erklärte sie dem SWR.

Mehr über die geplante Pflegekammer

Baden-Württemberg

Sprachrohr für Berufsstand BW will verpflichtende Mitgliedschaft in Pflegekammer

Eine verpflichtende Kammermitgliedschaft für rund 110.000 Pflegekräfte in Baden-Württemberg - so sieht das ein Gesetzentwurf von Sozialminister Lucha (Grüne) vor. Daran gibt es Kritik.

SWR Aktuell Baden-Württemberg SWR Fernsehen BW

Baden-Württemberg

Mehr Mitspracherecht BW-Landesregierung will Berufskammer für Pflegekräfte

Nur in zwei Bundesländern gibt es eine Pflegekammer. Die Landesregierung will genau damit die Pflegekräfte in Baden-Württemberg stärken. Doch es gibt auch Kritik an dem Konzept.

SWR4 BW am Nachmittag SWR4 Baden-Württemberg

Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent.