Nebenklage fordert Haftstrafe

Tod nach Polizeieinsatz auf Mannheimer Marktplatz: Verteidigung will Freispruch

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Christian Scharff
Christian Scharff

Im Prozess gegen zwei Polizisten nach dem Tod eines 47-Jährigen in Folge eines Einsatzes auf dem Mannheimer Marktplatz haben am Donnerstag die Anwälte plädiert.

Der Prozess gegen die beiden 27 und 26 Jahre alten Polizisten am Landgericht Mannheim geht dem Ende entgegen. Es geht um den Tod eines 47 Jahre alten Mannes nach einem Polizeieinsatz auf dem Mannheimer Marktplatz im Jahr 2022. Der Anwalt der Nebenkläger beantragte am Donnerstag eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten für den 27 Jahre alten Hauptangeklagten. Seine Anwältin forderte hingegen Freispruch. Das Urteil soll am 1. März gesprochen werden.

Kriminaltechniker am Tatort in der Nähe des Mannheimer Marktplatzes in der Innenstadt
Kriminaltechniker sichern Spuren am Tatort in der Nähe des Mannheimer Marktplatzes in der Innenstadt.

Die beiden Polizeibeamten stehen vor Gericht, weil der 47-jährige Psychiatrie-Patient nach dem Einsatz auf dem Mannheimer Marktplatz am 2. Mai 2022 gestorben war. Der Mann befand sich damals in einem psychischen Ausnahmezustand. Der Hauptangeklagte - der 27-jährige Polizist - hatte ihm Pfefferspray ins Gesicht gesprüht und vier Faustschläge versetzt.

Anwälte der Nebenklage fordern Haftstrafe für Hauptangeklagten Polizisten

Die Rechtsanwälte der Nebenklage haben in ihren Stellungnahmen am Donnerstag betont, wie unangemessen das Verhalten der Polizisten am 2. Mai 2022 aus ihrer Sicht war. Der nach dem Einsatz gestorbene 47-Jährige sei ein ängstlicher, verwirrter Mensch gewesen, der versucht habe, sich einer für ihn bedrohlichen und unerklärlichen Situation zu entziehen. Er sei trotzdem "niedergerungen" und geschlagen worden. Später sei dem 47-Jährigen nicht geholfen worden.

Ein zweiter Rechtsanwalt der Nebenklage nannte die Gutachten der Verteidigung "Gefälligkeitsgutachten". Darin hatten Gutachter betont, dass der 47-Jährige an Herzversagen gestorben sei. Das Herz des Mannes war nach übereinstimmender Ansicht aller Ärzte und Gutachter schwer vorgeschädigt. Der Rechtsanwalt betonte zudem das "Recht auf Krankheit". Daraus sei abzuleiten, dass kein Zwang gegen 47-Jährigen hätte angewendet werden dürfen. Auch die Mutter des getöteten Mannes äußerte sich im Prozess und sagte mit tränenerstickter Stimme: "Mein Sohn ist voller Qual gestorben".

Verteidigerin des Hauptangeklagten forderte Freispruch

Die Verteidigerin des 27-jährigen Hauptangeklagten, Andrea Combé, forderte Freispruch für ihren Mandanten. Sie sagte, es sei auf dem Marktplatz wegen der Gefährdung anderer notwendig gewesen, den 47-Jährigen ruhig zu stellen.

Die vier Faustschläge des Polizisten gegen den Kopf des am Boden liegenden Mannes seien jeweils Reaktion auf einen Beißversuch und auf eine Bewegung des Arms unter dem Körper des Mannes gewesen. Der Polizist sei davon ausgegangen, dass der 47-Jährige einen gefährlichen Gegenstand unter dem Bauch hervorziehen wollte. Zeugen hätten bestätigt, dass der Mann sich heftig schreiend wehrte und beißen wollte.

Das aggressive Verhalten der vielen Umstehenden habe den Arzt und die Polizisten zunächst davon abgehalten, sich dem am Boden liegenden 47-Jährigen zu nähern. Deshalb sei die Hilfeleistung spät erfolgt.

Staatsanwaltschaft beantragt sechs Monate auf Bewährung

Für den Hauptangeklagten hatte die Staatsanwaltschaft Anfang Februar in ihrem Plädoyer sechs Monate Haft auf Bewährung wegen Körperverletzung im Amt mit Todesfolge und unterlassener Hilfeleistung gefordert. Sein 26-jähriger Kollege, der wegen unterlassener Hilfeleistung mit Todesfolge angeklagt ist, soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft freigesprochen werden.

Die Strafforderung der Staatsanwaltschaft fällt relativ milde aus, weil die Todesursache des Patienten aus dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim nicht sicher festzustellen sei, so der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Es gelte der Grundsatz in Strafverfahren: "In dubio pro reo - im Zweifel für den Angeklagten."

Gutachterstreit im Prozess

Der Prozess war geprägt durch einen Gutachterstreit. Die Gutachterin der Anklage hatte durch eine Obduktion festgestellt, der 47-Jährige sei in Folge der Polizeigewalt erstickt. Die Gutachter im Auftrag der Verteidigung sehen dagegen als Todesursache die Herzschwäche des Mannes. Es hätte im Erstickungsfall Blut in den Lungenbläschen und in den Atemwegen sein müssen, sagte die Anwältin Andrea Combé im Prozess. Bei der Herzdruckmassage hätte Luft aus Mund und Nase kommen müssen.

"Herz jederzeit versagensbereit"

Die Anwältin betonte, dass der 47-Jährige herzkrank war. Das ist in diesem Prozess unstrittig. Die Obduktion hat ergeben, dass sein Herz deutlich zu schwer war. Es lagen demnach auch eine Herzmuskel-Fibrose, Herzverfettung und eine Herzklappenerkrankung vor. Eine Herz-Arterie sei zu 80 Prozent eingeengt gewesen. Zusätzlich habe er Medikamente im Blut gehabt, die ein Herzversagen wahrscheinlicher machen. Das Herz sei "jederzeit versagensbereit" gewesen. Für eine Verurteilung ihres Mandanten müsse aber ausgeschlossen sein, dass die Herzerkrankung Todesursache war. Wenn das nicht festgestellt werden könne, müsse der 27-jährige Polizist freigesprochen werden, so Combé weiter.

"Initiative 2. Mai" demonstriert gegen Polizeigewalt

Der Tod des 47-Jährigen war von Anfang an von heftigen Protesten begleitet. Schon während des Einsatzes hatten viele Menschen auf dem Marktplatz das Geschehen beobachtet und zum Teil die Polizisten beschimpft. Später organisierte die "Initiative 2. Mai" Demonstrationen und Mahnwachen gegen Polizeigewalt. Die Initiatoren sehen den Tod des Mannes als Teil einer Reihe von Übergriffen der Polizei.

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