Die Heidelberger Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner will sich am kommenden Wochenende zur Co-Vorsitzenden der Grünen wählen lassen, zusammen mit dem Duisburger Grünen-Politiker Felix Banaszak. Der Bundesparteitag der Grünen findet vom 15. bis zum 17. November 2024 in Wiesbaden (Hessen) statt. Ende September waren die bisherigen Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour zurückgetreten.
Im Interview (am 11. November 2024) mit dem SWR äußert sich Franziska Brantner zu ihren Ambitionen, zur aktuell prekären Lage der Grünen und zu möglichen Koalitionspartnern in einer neuen Bundesregierung.
SWR Aktuell: Trump in den USA wiedergewählt, fast zeitgleich ist in Berlin die Ampelkoalition (aus SPD, Grünen und FDP) zerbrochen und ausgerechnet jetzt wollen sie - zusammen mit Felix Banaszak - neue Parteichefin der Grünen werden. Ich habe da folgendes Bild im Kopf: Sie am Steuerrad eines Schiffes, bei heftigem Sturm und rauer See. Deckt sich das mit Ihrem Bild im Kopf?
Franziska Brantner: Raue Zeiten sind es ja gerade offensichtlich, in denen wir gerade leben. Aber wenn man jetzt nicht alles gibt - wann dann?
SWR Aktuell: Aber Sie müssen zugeben: Es gibt bessere Zeitpunkte, den Parteivorsitz der Grünen im Bund anzustreben. Bereuen Sie es schon, dass sie sich beim Parteitag zur Wahl stellen?
Franziska Brantner: Nein, ich bereue das gar nicht. Aber natürlich haben wir, wenn uns der Parteitag das Vertrauen schenken sollte, nicht viel Eingewöhnungszeit, sondern wir werden natürlich sofort im Wahlkampf startklar sein. Wir haben aber auch in den vergangenen Tagen und Wochen schon viel Verantwortung übernommen, in der Hoffnung, dass wir gewählt werden, weil man sich in diesen Zeiten kein großes Vakuum leisten kann. Das ist alles nicht so, wie der Plan es vorgesehen hat. Aber so geht es ja im Leben manchmal.
Brantner: Grüne "stehen für jeden Menschen ein"
SWR Aktuell: Jetzt könnte man das Bild mit der rauen See und ihnen am Steuerrad noch ein bisschen weiterspinnen: Mit Blick auf die rund zehn Prozent, auf die die Grünen in den Umfragen bundesweit zuletzt gekommen sind, drängt sich der Eindruck auf, das Schiff der Grünen ist nicht nur kaum zu steuern, es ist auch ziemlich leck geschlagen. Wie wollen Sie und Herr Banaszak den Kahn wieder flottkriegen?
Franziska Brantner: Ich bin davon überzeugt, dass es eine Kraft in dem Parteien-Spektrum braucht, die für jeden Menschen einsteht. Für Menschen, die sich jeden Abend fragen, wer hört mir eigentlich zu? Wer kümmert sich eigentlich darum, dass die Kita nachmittags auch offen hat, dass die Brücke nicht einstürzt? Wer kümmert sich darum, dass die Bahn fährt und der Fahrplan nicht nur ein Hinweis ist, wann der Zug kommen könnte? Und andererseits: Wer kümmert sich auch darum, dass wir in diesen geopolitisch unruhigen Zeiten nicht in "Schwarz-Weiß-Denken" verfallen und uns nicht permanent auseinander-spalten lassen als Land, sondern dass wir zusammenhalten? Wir sind die Partei, die die Krisen anpackt, nach vorne blickt und nicht noch größer macht, durch Ego-Trips oder Klein-Taktiererei.
SWR Aktuell: Sie gelten als Vertraute von Vizekanzler Robert Habeck, sind in seinem Ministerium Parlamentarische Staatssekretärin. Habeck hat angekündigt, Kanzlerkandidat der Grünen werden zu wollen. Was haben Sie ihm dazu gesagt: "Viel Glück"? oder: "Robert, lass es lieber sein..."?
Franziska Brantner: Robert Habeck macht den Menschen in Deutschland ein Angebot und gibt alles für dieses Land. Und die Aufgabe ist jetzt, sich das zu erarbeiten. Und das erarbeitet er sich und wir mit ihm. Und natürlich werden wir in den kommenden Tagen und Wochen alles dafür geben, damit wir als Grüne wieder stark -hoffentlich- in den nächsten Regierungs-Optionen einen Unterschied machen können. Weil wir wissen, dass wir bei der Modernisierung dieses Landes jetzt auch Kurs halten wollen. Wir können ja nicht immer glauben, dass wir mit den alten Technologien, also mit dem, wie es früher war, noch die Zukunft gestalten können. Wir müssen stattdessen jetzt beschleunigen, wir müssen erleichtern und die Menschen unterstützen, damit wir die Kraft in diesem Land, die Innovationen, schneller auf die Straße bekommen und dadurch auch international wieder an der Spitze stehen können.
Grüne als Juniorpartner der CDU vorstellbar?
SWR Aktuell: Am 23. Februar 2025 sollen in Deutschland Neuwahlen stattfinden. Die CDU gilt als Favorit auf die Stimmenmehrheit. Können Sie sich dann eine Koalition mit der CDU auf Bundesebene vorstellen, also mit den Grünen als Juniorpartner?
Franziska Brantner: Ich stelle mir starke Bündnisgrüne vor. Und unter Demokraten finde ich diese "Ausschließeritis" - mit dem oder der will ich, mit dem oder der will ich nicht ... - nicht mehr angemessen, weder mit Blick auf Deutschland, noch auf die Lage weltweit. Man sieht ja in Sachsen und Thüringen, wo man hinkommt, wenn man sagt: "Die Grünen sind die Schlimmsten". Dann landet man halt bei Sahra Wagenknecht und nicht bei soliden demokratischen Bündnissen. Ich würde einfach dafür plädieren, dass unter Demokraten alles möglich sein muss für das Land. Dass jeder für sich und seine Themen kämpft, aber dass man am Ende gemeinsam schaut, wo es hingeht.
Das heißt, sie können mit allen zusammenarbeiten, nur nicht mit der AfD?
Franziska Brantner: Natürlich ist es die Pflicht aller Demokraten zusammenarbeiten zu können. Trotzdem brauchen wir einen spannenden, aber eben fairen Wettkampf um die besten Ideen, um die Vorschläge, die wir gemeinsam auf den Tisch legen werden, als Grüne in Bund und Ländern zusammen, um dann zu zeigen: Wir haben gute Vorschläge, um dieses Land voranzubringen. Wir haben gezeigt, dass wir durch die Senkung der Energiepreise die Inflation bekämpft haben. Es ist unser großes Ziel, dass im Staat wieder alles funktioniert, dass wir wieder stolz sein können auf unser Land. Das ist die Aufgabe, die wir uns gestellt haben. Zusammen mit anderen demokratischen Parteien werden wir dafür die besten Wege finden.
SWR Aktuell: Haben Sie einen guten persönlichen Draht zu CDU-Chef Friedrich Merz?
Franziska Brantner: Herrn Merz kenne ich aus dem parlamentarischen Alltag. Wie gegenüber allen Parlamentariern auch haben wir einen respektvollen Umgang miteinander. Der ist geprägt davon, dass man die Argumente des anderen hört und dann respektvoll miteinander umgeht und darüber diskutiert. Auch miteinander streitet, das dann aber mit Anstand.
Brantner: "Wichtig, in Heidelberg zu sein"
SWR Aktuell: Sie vertreten im Bundestag den Wahlkreis Heidelberg Neckar-Bergstraße. Werden Sie als wohl bald künftige Co-Parteichefin überhaupt noch Zeit haben, ihren Wahlkreis zu besuchen und für den Wahlkreis Politik zu machen?
Franziska Brantner: Natürlich! Ich bin schließlich direkt gewählte Abgeordnete für meine Region. Ich bin immer froh darüber und es ist für mich sehr wichtig, zuhause zu sein. Wenn ich mit den Menschen hier ins Gespräch komme. Wenn ich höre und lerne, was sie beschäftigt und dies in die Politik einfließen lassen kann. Wenn ich hier bin und dann bei uns in Heidelberg über die Neckarbrücke gehe und sehe, wie schön es da ist, dann sind manche kleinen Taktierereien in Berlin zum Glück weit weg. Und trotzdem ist man natürlich als Parteivorsitzende auch im ganzen Land unterwegs.
SWR Aktuell: Großes Thema in und um Heidelberg und Mannheim ist der geplante Verbund der beiden Universitätsklinika. Was tun Sie konkret dafür, dass dieser Verbund auch wirklich zustande kommt?
Franziska Brantner: Die Verfahren dazu laufen noch. Da ich noch Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium bin, darf ich mich dazu öffentlich nicht äußern. Sonst würde ich diese Verfahren gefährden und das will ich gern vermeiden. Deswegen bitte ich um Verständnis dafür, dass ich das nicht kommentieren darf.