Keine internationalen Standards

Schadet Sonnencreme Korallen? Forscher bei Pforzheim arbeiten an Richtlinien

Stand
Autor/in
Mirka Tiede
SWR-Reporterin steht in einem Großraumbüro

Haben Sie beim Kauf von Sonnencreme schon mal an Korallen gedacht? Manche Inhaltsstoffe sollen ihnen schaden. Wirklich sicher ist das aber noch nicht. Forscher bei Pforzheim arbeiten an dem Thema.

In Baden-Württemberg sind Sommerferien. Das bedeutet für viele: Ab in den Urlaub - oft auch an den Strand. Und dabei darf eines nicht fehlen: die Sonnencreme.

Aber nicht jede darf an jedem Urlaubsort verwendet werden. Auf Hawaii ist seit Januar 2021 etwa der Verkauf von Produkten verboten, die Octinoxat und Oxybenzon enthalten. Die Hawaii-Inseln Maui und Big Island gehen sogar noch einen Schritt weiter. Dort gibt es seit 2022 ein Verbot von nicht-mineralischen Sonnencremes.

SWR-Reporterin Mirka Tiede zur Korallenforschung bei Pforzheim:

Aber auch an anderen Urlaubsorten wie in Teilen von Mexiko oder den thailändischen Nationalparks gibt es Vorschriften für Sonnencremes. Die Vorgaben sollen Korallen schützen. Sonnencreme-Hersteller haben darauf reagiert und verschiedene Logos auf ihre Verpackungen gedruckt. Eine einheitliche Norm gibt es aber noch nicht. Der Begriff "korallenfreundlich" ist weder geschützt noch klar definiert.

Schädigt Sonnencreme Korallen? Datenlage noch nicht eindeutig

Die Schädlichkeit von verschiedenen UV-Filtern in Sonnencremes wie zum Beispiel Oxybenzon, die unsere Haut vor UV-Licht abschirmen sollen, wurde zwar 2016 in einer US-Untersuchung und 2022 in einer Studie der Universität Stanford untersucht und scheinbar belegt. Die Datenlage ist bisher nach dem aktuellen Stand aber noch nicht eindeutig.

Eine Übersicht der bisherigen Studien von der Auswirkung verschiedener Inhaltsstoffe der Sonnencremes auf Korallen wurde 2022 in einem Review zusammengefasst. Das Ergebnis: Die Auswirkungen auf Korallen wurden demnach nur in Labor- und nicht in Realbedingungen getestet - die Inhaltsstoffe in einer zu hohen Konzentration. Das entspricht nicht den Zuständen, die in der Natur vorkommen.

Meeresbiologe Guido Gonsior erforscht Korallen bei Pforzheim.
Meeresbiologe Guido Gonsior erforscht Korallen bei Pforzheim.

Meeresbiologe bei Pforzheim arbeitet an einheitlicher Richtlinie

In der Korallenforschung gibt es laut Guido Gonsior, Meeresbiologe bei Pforzheim, noch keinen internationalen Standard. Somit sind die unterschiedlichen Untersuchungen an den Forschungseinrichtungen aktuell nicht miteinander vergleichbar. Viele Länder weltweit arbeiteten jetzt an einheitlichen Richtlinien - auch der Korallen-Experte beteiligt sich an diesem Prozess.

Es verschiebt sich gerade das gesamte System und wie es aussieht, sind die Korallen die großen Verlierer.

Nach Ansicht des Korallen-Experten Guido Gonsior drängt die Zeit, um Korallen zu schützen. Weltweit seien die Riffe bereits um 50 Prozent zurückgegangen. Aktuell werde vermutet, dass bis 2030 nur noch acht Prozent da sind, so der Meeresbiologe.

Fütterungszeit: Die Fische im Aquarium helfen mit, im Becken optimale Bedingungen für die Korallen zu schaffen.
Fütterungszeit: Die Fische im Aquarium helfen mit, im Becken optimale Bedingungen für die Korallen zu schaffen.

Guido Gonsior: "Korallen mögen keine Veränderung"

Um die Gründe für diesen drastischen Rückgang besser zu verstehen, erforscht Guido Gonsior neben den Inhaltsstoffen von Sonnencremes verschiedene Faktoren an Korallen. Im Zentrum stehen dabei die Fragen: Liegt es an der Versauerung der Meere? Ist es die Steigung der Temperaturen? Schädigen chemische Stoffe die Korallen? Oder ist es eine Wechselwirkung aus allen drei Faktoren?

"Korallen mögen keine Veränderung. Sie sind eigentlich langweilig", sagt der Wissenschaftler dem SWR. Stress bekämen die Korallen immer dann, wenn Temperaturen über 28 Grad steigen, erklärt der Korallen-Experte. "Momentan haben wir sie bis 30 Grad in den Meeren." Ein weiterer Faktor sei, wenn sich die Wasserwerte verändern.

Im Labor bei Pforzheim gibt es für die Korallen viele Aquarien. Das Schaubecken ist das schönste.
Im Labor bei Pforzheim gibt es für die Korallen viele Aquarien. Das Schaubecken ist das schönste.

Korallen für die Forschung aus der Zucht

Um keine Korallen aus ihrem Lebensraum reißen zu müssen, untersuchen die Forscherinnen und Forscher aus Gonsiors Team Korallen aus der Zucht. Im Labor leben sie in unterschiedlichen Aquarien. In denen können sie unter idealen Bedingungen wachsen und beobachtet werden.

Wir wollen die Korallen ja schützen und nicht herausgehen, da alles abernten, um es dann in ein Labor zu bringen.

Das Aquarium im Naturkundemuseum Karlsruhe ist nach eigenen Angaben das größte lebende Korallenriff in Deutschland.
Das Aquarium im Naturkundemuseum Karlsruhe ist nach eigenen Angaben das größte lebende Korallenriff in Deutschland.

Korallen aus Karlsruhe auch in Wilhelmshaven und Oldenburg

Die Korallen im Labor kommen unter anderem aus dem Aquarium aus dem Naturkundemuseum Karlsruhe. Nach eigenen Angaben ist es das größte lebende Korallenriff Deutschlands. Wegen seiner Größe blieben häufig besonders große Korallenstücke übrig, die sich gut als Mutterstücke für die Zucht eignen. Neben dem Labor bei Pforzheim liefert das Museum auch Korallen an andere Forschungseinrichtungen wie zum Beispiel nach Wilhelmshaven oder an die Universität Oldenburg.

Korallen-Experte Johann Kirchhauser. Er kümmert sich seit 35 Jahren um die Korallen im Naturkundemuseum Karlsruhe.
Korallen-Experte Johann Kirchhauser. Er kümmert sich seit 35 Jahren um die Korallen im Naturkundemuseum Karlsruhe.

Seit 35 Jahren kümmert sich Johann Kirchhauser in dem Naturkundemuseum Karlsruhe um die Korallen. Die Meeresaquaristik war zuerst nur ein Hobby für ihn. Inzwischen ist er ein Experte auf dem Gebiet. Nicht nur im Schaubecken des Naturkundemuseums leben Korallen.

Im Keller zieht Johann Kirchhauser verschiedene junge Korallen auf. Mit seiner umfassenden Erfahrung in der Zucht kann der Experte den Forscherinnen und Forscher bei Pforzheim Tipps geben, was die Korallen beim Wachsen brauchen.

Diese Faszination der Riffe ist riesig. Das sind Lebensräume, die pulsieren vor Leben.

Johann Kirchhauser vor dem Zuchtbecken der Korallen im Keller des Naturkundemuseums Karlsruhe.
Johann Kirchhauser vor dem Zuchtbecken der Korallen im Keller des Naturkundemuseums Karlsruhe.

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