Die Unterwasserwelt an Korallenriffen bietet normalerweise nur wenige Meter unter der Wasseroberfläche ein buntes Farbspektakel. Dort erreichen die Sonnenstrahlen noch die Riffe mit ihren Korallen und Algen. Entsprechend bunt und lebhaft geht es dort zu.
Doch steigende Ozeantemperaturen machen den Korallen zu schaffen. Sie verlieren ihre Farben, bleichen aus und sterben ab. Zurück bleiben weiße Skelette aus Kalkstein.
Meeresbiologen haben nun beobachtet, dass die Korallen sich auch mit dem genau gegenteiligen Effekt gegen ihr Absterben wehren: Sie scheinen in hellen Neonfarben, so als ob es gelte, eine Unterwasserdisco zu bestrahlen.
Korallen reagieren auf Klimawandel
Unter Wasser, in den Meeren dieser Welt – ob vor dem australischen Great Barrier Reef, vor den Galapagos-Inseln im Pazifik oder vor dem Südseearchipel Neukaledonien: Weltweit beobachten Meeresbiologen, dass sterbende Korallen statt zu bleichen in den grellsten Farben strahlen - in hellblau, pink und in violett.
Maren Ziegler von der Abteilung für Tierökologie und spezielle Zoologie der Justus-Liebig-Universität in Gießen hat sie gesehen, jene „Bleichungsskelette“. Wirklich schön finden kann die Meeresbiologin sie nicht. Denn auch jene starken, bunten Farben sind nichts anderes als ein Bleichen – so paradox das klingen mag.
Korallen leben in Symbiose mit Algen
Diese Algen sind es, die den Korallen normalerweise ihre Farben verleihen, ergänzt Jörg Wiedenmann vom Coral Reef Laboratory der Universität Southampton. Von dieser Symbiose profitieren beide: Die Algen produzieren per Photosynthese Sauerstoff und Zucker für die Korallen. Und die Korallen bieten den Algen einen geschützten, sicheren Lebensraum.
Wenn die Temperaturen nur ein Grad über der Maximaltemperatur liegen, reicht das schon aus, dass die Symbiose zwischen Korallen und Algen aus dem Gleichgewicht gerät. Das geschieht in der Regel dadurch, dass die Algen unter dem Temperaturstress nicht mehr richtig funktionieren.
Unter Temperaturstress werden Algen zum Korallenkiller
Statt aus dem im Meerwasser gelösten Kohlendioxid Sauerstoff für die Korallen zu produzieren, stellen die Algen nun eine aggressive Art von Sauerstoffradikalen her. Und die greifen die Zellstrukturen der Korallenpolypen an, sind also quasi Gift für die Nesseltierchen. Deshalb stoßen die Korallen die Algen ab. Und ohne Algen verlieren die Korallen sowohl ihre Farben als auch die Nährstoffe ihrer bisherigen Untermieter.
Korallen können sich von kurzfristigem Hitzstress erholen
Aber nun hat das internationale Team von Meeresbiologen entdeckt, dass Korallen sich auch wieder erholen können – vorausgesetzt, die Temperaturen sind nur für kurze Zeit höher als normal.
Diese Bleichen werden, so die Meeresbiologin Maren Ziegler, durch Hitzewellen hervorgerufen, also ungewöhnlich warme Wassertemperaturen für den spezifischen Ort – für das Riff – und für die spezifische Jahreszeit.
Ist solch eine kurzzeitige Hitzewelle vorbei, lebt die gebleichte Koralle normalerweise noch. Dies ist der Zeitpunkt, an dem sie umschwenkt – von weiß auf neonfarben.
Korallen entwickeln unter Hitzestress starke Pink- oder Blautöne
Was an verschiedenen Riffen weltweit schon mehrmals beobachtet wurde, haben die Forscher in Wasserbecken des Coral Reef Laboratorys nachgestellt. Vor allem konnten sie erstmals klären, warum die Korallen in bunten Neonfarben erstrahlen.
Algen brauchen Sonnenschutz
Normalerweise dienen die farbigen Pigmente, die von der Koralle produziert werden, als Sonnenschutz für die Algen, die in der Koralle leben. Wenn die Koralle unter normalen Bedingungen erhöhten Lichtmengen ausgesetzt wird, z.B. im Sommer oder in bestimmten klaren Wassersituationen, fängt sie an, mehr dieser Farbstoffe zu produzieren, um einen Teil des Sonnenlichts abzufangen.
Denn ohne schützende Algen muss die Koralle sich selbst um einen Sonnenschutz kümmern. Das Sonnenlicht wird von dem gebleichten, weißen Korallenskelett hin und her reflektiert. Dadurch steigt die Lichtmenge im Gewebe an. Die Korallen spüren das und fangen damit an, in erhöhtem Maße diese Sonnenschutzpigmente zu produzieren. Experimente lassen vermuten, dass das die Funktion hat, die Wiederbesiedlung der Korallen zu erleichtern.
Korallen und Algen reagieren gemeinsam auf Klimastress
Diese Algen sind angepasst auf ein Leben in der Koralle. Daher sind Algen eigentlich darauf angewiesen, schnell wieder in die Koralle zurückzufinden. Wenn noch ein paar Restalgen im Gewebe bleiben, können diese viel besser und schneller wieder wachsen, wenn die Bedingungen durch etwas Lichtschutz ein bisschen entspannter sind.
Und so scheint sich mit den Korallen derzeit eine weitere Lebensform mit der globalen Erwärmung zu arrangieren – nicht ganz freiwillig, aber so gut es geht. Jörg Wiedenmann glaubt, dass das eine gewisse Hoffnung birgt, dass die Korallen sich da gegen den Stress wehren. Er findet es faszinierend, wenn ein Tier und eine Pflanze so eng zusammenarbeiten, um als Ganzes etwas zu erreichen, was sie als Einzelorganismus nicht könnten. Das gebe schon Hoffnung, dass die Korallenriffe sich wieder erholen könnten. "