Meeresbiologie

Korallen leuchten als Reaktion auf Klimawandel

Stand
Autor/in
Guido Meyer
Onlinefassung
Ralf Kölbel

Durch steigende Temperaturen im Meer sind weltweit viele Korallenriffe bedroht. Doch einige Korallen haben einen überraschenden Schutzmechanismus entwickelt: Sie leuchten in grellen Farben!


Die Unterwasserwelt an Korallenriffen bietet normalerweise nur wenige Meter unter der Wasseroberfläche ein buntes Farbspektakel. Dort erreichen die Sonnenstrahlen noch die Riffe mit ihren Korallen und Algen. Entsprechend bunt und lebhaft geht es dort zu.
Doch steigende Ozeantemperaturen machen den Korallen zu schaffen. Sie verlieren ihre Farben, bleichen aus und sterben ab. Zurück bleiben weiße Skelette aus Kalkstein.

Meeresbiologen haben nun beobachtet, dass die Korallen sich auch mit dem genau gegenteiligen Effekt gegen ihr Absterben wehren: Sie scheinen in hellen Neonfarben, so als ob es gelte, eine Unterwasserdisco zu bestrahlen.

Steigende Meerestemperaturen machen den Korallen zu schaffen. Es kommt zur Korallenbleiche.
Steigende Meerestemperaturen machen den Korallen zu schaffen. Es kommt zur Korallenbleiche.

Korallen reagieren auf Klimawandel

Unter Wasser, in den Meeren dieser Welt – ob vor dem australischen Great Barrier Reef, vor den Galapagos-Inseln im Pazifik oder vor dem Südseearchipel Neukaledonien: Weltweit beobachten Meeresbiologen, dass sterbende Korallen statt zu bleichen in den grellsten Farben strahlen - in hellblau, pink und in violett.

Korallen reagieren sehr empfindlich auf starke Temperaturschwankungen im Meer.
Korallen reagieren sehr empfindlich auf starke Temperaturschwankungen im Meer. Um sich vor negativen Einflüssen zu schützen, entwickeln einige Korallen leuchtende Farben.



Maren Ziegler von der Abteilung für Tierökologie und spezielle Zoologie der Justus-Liebig-Universität in Gießen hat sie gesehen, jene „Bleichungsskelette“. Wirklich schön finden kann die Meeresbiologin sie nicht. Denn auch jene starken, bunten Farben sind nichts anderes als ein Bleichen – so paradox das klingen mag.

„Man muss sich zunächst vor Augen führen, dass Korallen Tiere sind. Die Koralle an sich, dieser Organismus, der dieses Kalkskelett aufbaut, ist ein Tier. Und das lebt in Gesellschaft mit mikroskopisch kleinen, einzelligen Algen, die in dem Gewebe der Korallen sitzen.“

Von der Korallenbleiche sind viele Korallenriffe - wie hier auf den Malediven - betroffen.
Von der Korallenbleiche sind viele Korallenriffe - wie hier auf den Malediven - betroffen.

Korallen leben in Symbiose mit Algen

Diese Algen sind es, die den Korallen normalerweise ihre Farben verleihen, ergänzt Jörg Wiedenmann vom Coral Reef Laboratory der Universität Southampton. Von dieser Symbiose profitieren beide: Die Algen produzieren per Photosynthese Sauerstoff und Zucker für die Korallen. Und die Korallen bieten den Algen einen geschützten, sicheren Lebensraum.

Wenn die Temperaturen nur ein Grad über der Maximaltemperatur liegen, reicht das schon aus, dass die Symbiose zwischen Korallen und Algen aus dem Gleichgewicht gerät. Das geschieht in der Regel dadurch, dass die Algen unter dem Temperaturstress nicht mehr richtig funktionieren.

Einige Korallen leuchten als Reaktion auf den Klimawandel.
Einige Korallen leuchten als Reaktion auf den Klimawandel.

Unter Temperaturstress werden Algen zum Korallenkiller


Statt aus dem im Meerwasser gelösten Kohlendioxid Sauerstoff für die Korallen zu produzieren, stellen die Algen nun eine aggressive Art von Sauerstoffradikalen her. Und die greifen die Zellstrukturen der Korallenpolypen an, sind also quasi Gift für die Nesseltierchen. Deshalb stoßen die Korallen die Algen ab. Und ohne Algen verlieren die Korallen sowohl ihre Farben als auch die Nährstoffe ihrer bisherigen Untermieter.

„Wenn man sich das Riff aus der Luft anschaut, dann zeichnen die sich als weiße Flächen auf dem Wasser ab. Und wenn man unter Wasser taucht, dann sind die Korallen tatsächlich in manchen Fällen fast schneeweiß.“

Unter normalen Bedingungen leben Korallen in Symbiose mit Algen, die sie mit Nährstoffen versorgen und vor starker Sonneneinstrahlung schützen.
Unter normalen Bedingungen leben Korallen in Symbiose mit Algen, die sie mit Nährstoffen versorgen und vor starker Sonneneinstrahlung schützen. Unter Hitzstress funktioniert dieser empfindliche Mechanismus nicht mehr. Die Folge: Korallenbleiche.


Korallen können sich von kurzfristigem Hitzstress erholen

Aber nun hat das internationale Team von Meeresbiologen entdeckt, dass Korallen sich auch wieder erholen können – vorausgesetzt, die Temperaturen sind nur für kurze Zeit höher als normal.

Diese Bleichen werden, so die Meeresbiologin Maren Ziegler, durch Hitzewellen hervorgerufen, also ungewöhnlich warme Wassertemperaturen für den spezifischen Ort – für das Riff – und für die spezifische Jahreszeit.

Ist solch eine kurzzeitige Hitzewelle vorbei, lebt die gebleichte Koralle normalerweise noch. Dies ist der Zeitpunkt, an dem sie umschwenkt – von weiß auf neonfarben.


Korallen entwickeln unter Hitzestress starke Pink- oder Blautöne

„Man findet dann sehr starke Blautöne, sehr starke Pinktöne; die Korallen können sehr grün leuchten oder auch extrem starke Orangetöne entwickeln. Und was wir jetzt in dieser Studie feststellen konnten war, dass die Koralle anfängt, unter bestimmten Bedingungen diese eigenen Pigmente in ungeheuer starken Maße zu produzieren.“

Was an verschiedenen Riffen weltweit schon mehrmals beobachtet wurde, haben die Forscher in Wasserbecken des Coral Reef Laboratorys nachgestellt. Vor allem konnten sie erstmals klären, warum die Korallen in bunten Neonfarben erstrahlen.

Die Reaktionen von Korallen auf unterschiedliche Klimabedingungen wurde jetzt auch unter Laborbedingungen erforscht.
Die Reaktionen von Korallen auf unterschiedliche Klimabedingungen wurde jetzt auch unter Laborbedingungen erforscht.

Algen brauchen Sonnenschutz

Normalerweise dienen die farbigen Pigmente, die von der Koralle produziert werden, als Sonnenschutz für die Algen, die in der Koralle leben. Wenn die Koralle unter normalen Bedingungen erhöhten Lichtmengen ausgesetzt wird, z.B. im Sommer oder in bestimmten klaren Wassersituationen, fängt sie an, mehr dieser Farbstoffe zu produzieren, um einen Teil des Sonnenlichts abzufangen.

Denn ohne schützende Algen muss die Koralle sich selbst um einen Sonnenschutz kümmern. Das Sonnenlicht wird von dem gebleichten, weißen Korallenskelett hin und her reflektiert. Dadurch steigt die Lichtmenge im Gewebe an. Die Korallen spüren das und fangen damit an, in erhöhtem Maße diese Sonnenschutzpigmente zu produzieren. Experimente lassen vermuten, dass das die Funktion hat, die Wiederbesiedlung der Korallen zu erleichtern.

Der von Korallen und Algen gemeinsam entwickelte Schutzmechanismus gibt zumindest einen kleinen Hoffnungsschimmer. Doch ob das für ein Überleben der Korallen reichen wird, ist noch unklar.
Der von Korallen und Algen gemeinsam entwickelte Schutzmechanismus gibt zumindest einen kleinen Hoffnungsschimmer. Doch ob das für ein Überleben der Korallen reichen wird, ist noch unklar.

Korallen und Algen reagieren gemeinsam auf Klimastress

Diese Algen sind angepasst auf ein Leben in der Koralle. Daher sind Algen eigentlich darauf angewiesen, schnell wieder in die Koralle zurückzufinden. Wenn noch ein paar Restalgen im Gewebe bleiben, können diese viel besser und schneller wieder wachsen, wenn die Bedingungen durch etwas Lichtschutz ein bisschen entspannter sind.

Und so scheint sich mit den Korallen derzeit eine weitere Lebensform mit der globalen Erwärmung zu arrangieren – nicht ganz freiwillig, aber so gut es geht. Jörg Wiedenmann glaubt, dass das eine gewisse Hoffnung birgt, dass die Korallen sich da gegen den Stress wehren. Er findet es faszinierend, wenn ein Tier und eine Pflanze so eng zusammenarbeiten, um als Ganzes etwas zu erreichen, was sie als Einzelorganismus nicht könnten. Das gebe schon Hoffnung, dass die Korallenriffe sich wieder erholen könnten. "

„Das wird die Riffe langfristig nur retten, wenn man es schafft, die globale Erwärmung zu verhindern oder zu stoppen.“

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Guido Meyer
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Ralf Kölbel