Sinnliches Herbstvergnügen auf dem Land

Saisoneröffnung: Schnapsbrennen in Kraichtal im Kreis Karlsruhe

Stand
Autor/in
Heiner Kunold
Das ist Heiner Kunold

Es ist die Belohnung für die harte Arbeit übers Jahr auf der Obstplantage: In Kraichtal im Kreis Karlsruhe wurde in der Brennerei de Bortoli die Saison eröffnet.

Früh am Morgen ist die Luft dick und dampfig im Brennhäusel der de Bortolis in Kraichtal-Unteröwisheim. Die Wände sind gekachelt. Der Fußboden ist blanker Estrich und mitten im Raum steht der kupferne Brennkessel mit der großen, runden Luke. Hier passen 146 Liter Maische, das ist der zum Gären angesetzte Obstbrei, hinein. Die dickflüssige Suppe muss zwei bis drei Stunden köcheln und heraus kommen am Ende etwa sechseinhalb Liter hochprozentiger Schnaps mit 62 bis 63 Volumenprozent Alkohol.

SWR-Reporter Heiner Kunold hat die Schnapsbrenner bei ihrer Arbeit begleitet:

Sohn schon als kleiner Junge mit dabei

Aber das Brennen ist für Vater und Sohn de Bortoli keine Arbeit, eher eine Belohnung, beschreibt Sohn Kai de Bortoli. Seit er ein kleiner Junge ist, hat er immer in der Brennerei geholfen. Mit der Oma zusammen hat er schon die Äpfel aufgelesen, vor über 40 Jahren. Später hat er noch als Jugendlicher die ersten eigenen Zwetschgenbäume gesetzt, weil er schon damals genau wusste, dass er daraus einmal Schnaps machen möchte.

Herbstvergnügen auf dem Lande: Schnapsbrennen bei de Bortoli in Kraichtal im Kreis Karlsruhe

Der 79-jährige Senior Bernhard de Bortoli führt das Kommando für den zweiten Brand und den dicken Schlauch aus dem Maischfass in die Brennkammer des Kupferkessels. Mittlerweile ist es neun Uhr. Zeit für den zweiten von insgesamt sieben Bränden am ersten Brenntag. Am nächsten Tag folgen weitere sieben. Die sind alle beim Zoll angemeldet.

Der Zoll kommt unangemeldet zur Kontrolle

Und der ist auch schon da. Zwei gestrenge Beamte überprüfen, ob alles mit rechten Dingen zu geht. Generell gilt: Wenn gebrannt wird, dürfen die Türen nie zu sein, damit die Kontrolleure jederzeit und unangemeldet vorbeischauen können. Das war schon immer so.

Der Zoll ist immer mit dabei beim Schnapsbrennen - so auch bei der Saisoneröffnung in Kraichtal im Kreis Karlsruhe
Der Zoll ist beim Schnapsbrennen immer mit dabei

Und auch die Brennmethode hat sich in den vergangenen 50 Jahren kaum verändert. Damit am Ende ein ordentlicher Schnaps in den Blecheimer läuft, müssen die eingemaischten Früchte einwandfrei sein. Fauliges Material liefert schlechten Schnaps.

Schnapsbrennen nach alter Väter-Sitte

Wenn der Brenner nicht aufpasst, wird der Schnaps ungenießbar. Nicht so bei Bernhard de Bortoli. Er beugt sich genießerisch über den kleinen Edelstahlhahn am Auslass und hält kurz die Zunge darunter. Um herauszufinden, ob nach dem Vorlauf endlich der ersehnte Mittellauf kommt.

Der Mittellauf, das ist das Herzstück, erzählt sein Sohn Kai. Und die Zunge ist das feinste Organ. Sie schmeckt gleich, ob da noch Fuselstoffe im Schnaps enthalten sind. Das sind Bestandteile, die den Schnaps unangenehm schmecken lassen. Erst wenn keine mehr kommen, wird der Edelstahleimer für den Mittellauf unter den Hahn gestellt.

Aus dem kleinsten Hahn fließt in Kraichtal im Kreis Karlsruhe nach zwei Stunden der hochprozentige Schnaps
Aus dem kleinsten Hahn fließt nach zwei Stunden der hochprozentige Schnaps

Der Rest, also Vor- und Nachlauf, werden nicht weggeschüttet. Sie werden weiter verarbeitet und ergeben später den Grundstoff für Industriealkohol, für die Kosmetikindustrie oder für Spiritus zum Beispiel.

Die Brennereien sterben auch in Kraichtal langsam aus

Die de Bortolis gehören zu den letzten Brennern in Unteröwisheim. Eine Handvoll gibt es noch, die meisten weit über 60 Jahre alt. Ihr Problem: Sie finden keine Nachfolger, denn viele Junge interessieren sich nicht mehr für das Schnapsbrennen. Vielleicht, weil weniger Hochprozentiges getrunken wird?

Ganz bestimmt aber, weil es eine harte und mühevolle Arbeit ist. Die de Bortolis haben mehr Glück: Vater Bernhard und sein Sohn Kai schauen stolz auf die nächste Generation. Das ist der 17-jährige Enkel Jonas. Der macht gerade eine Ausbildung zum Winzer und das Brennen wird er wohl auch irgendwann übernehmen.

Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent.