Unterbringungskosten steigen 2024 deutlich

Viele unbegleitete Minderjährige aus dem Ausland kommen nach Baden-Württemberg

Stand

Immer mehr unbegleitete minderjährige Menschen aus dem Ausland kommen nach BW. Einige von ihnen geben ein falsches Alter an. Das wird im Zweifel überprüft und häufig bemerkt.

Seit Jahresanfang sind bis zum 13. Oktober 3.642 junge unbegleitete Menschen aus verschiedenen Konfliktstaaten nach Baden-Württemberg geflohen. Sie kommen vor allem aus Afghanistan. Es folgen mit wesentlich geringeren Zahlen Menschen aus Syrien, Guinea, der Ukraine und der Türkei, wie aus einer AfD-Anfrage an das Sozialministerium hervorgeht. Insgesamt lebten zum gleichen Stichtag 4.997 Minderjährige aus dem Ausland - meist Jungen - in Baden-Württemberg.

Nach Angaben des Sozialministeriums reisten im vergangenen Jahr 2.938 junge Menschen ein. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 3.152 unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Baden-Württemberg betreut - das sind fast doppelt so viele wie im Coronajahr 2021 mit 1.590. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2015, als besonders viele Flüchtlinge ins Land kamen, rund 9.000 registriert. 

Minderjährig? Manche Geflüchtete schummeln beim Alter

Immer wieder kommt es auch vor, dass junge Unbegleitete bei der Angabe ihres Alters lügen. Das zentrale Verfahren zur Altersfeststellung der jungen Leute ging Anfang März 2020 in Baden-Württemberg in den Regelbetrieb. An der Uniklinik Heidelberg wurden im laufenden Jahr bis zum 21. September 2023 insgesamt 87 junge Menschen untersucht - 42 von ihnen wurde Volljährigkeit bescheinigt. 

Im Jahr 2022 gab es 103 Überprüfungen, 39 Fälle waren nachweislich volljährig. Bei drei Personen habe es kein eindeutiges Ergebnis gegeben und in zwei Fällen liege das Gutachten noch nicht vor. Im Jahr 2020 und Anfang 2021 gab es aufgrund der Einschränkungen wegen der Coronapandemie mehrmonatige Aussetzungen des Verfahrens, wie aus der Drucksache hervorgeht.

Untersuchungen sollen Alter klären

Sobald Zweifel über das Alter des jungen Menschen aus dem Ausland bestehen, werden zum Beispiel ärztliche und gerichtsmedizinische Untersuchungen zur Altersfeststellung eingeleitet. Auch Röntgenuntersuchungen werden veranlasst. Weigert sich ein unbegleiteter Minderjähriger, an den Untersuchungen mitzuwirken, können die Ausländerbehörden ärztliche Maßnahmen zur Altersfeststellung anordnen und durchsetzen. Im Falle einer Weigerung, an der Altersbestimmung mitzuwirken, ist das für die Behörden Anlass zur Annahme, dass der Betroffene in Wahrheit volljährig ist.

Überprüfungen des Alters werden nicht nur in Heidelberg vorgenommen. In Freiburg können seit Anfang Oktober im Rahmen eines Testlaufes auch medizinische Altersfeststellungen von jungen Menschen beauftragt werden. "Zum 1. Januar soll ein weiterer Standort in Stuttgart entstehen", sagte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage.

Bei der Ankündigung der Eckpunkte für die Altersbestimmung von unbegleiteten Minderjährigen aus dem Ausland im Jahr 2018 hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU) gesagt, Ermittlungen des Landeskriminalamts in Mannheim im Jahr 2018 hätten ergeben, dass von 20 straffälligen angeblich Minderjährigen 19 Personen falsche Angaben zu ihrem Alter gemacht hatten. Das tatsächliche Alter habe zwischen 18 und 28 Jahren gelegen.

Rund 2.500 minderjährige Geflüchtete vermisst

Aus der Antwort des Ministeriums geht auch hervor, dass manche Unbegleitete einfach verschwinden: Vom 1. Januar 2023 bis zum 30. September 2023 seien 544 "Abgängige" gemeldet worden. Zur Motivationslage liegen keine Informationen vor. 

Durchschnittlich wurden in den vergangenen fünf Jahren im Jahresverlauf rund 2.500 Unbegleitete in Deutschland als vermisst registriert, wie das Bundeskriminalamt meldet. Die häufigste Ursache für das Verschwinden ist danach das freiwillige Verlassen zugewiesener Unterkünfte, um beispielsweise Familienangehörige oder Bekannte im Ausland aufzusuchen. Bei einem Teil der Betroffenen wird auch eine Rückreise ins Herkunftsland als Grund des Verschwindens angenommen. Überprüfungen in den unterschiedlichen Ländern gestalten sich häufig schwierig und führen nicht zum Ergebnis. Die am häufigsten betroffenen Herkunftsländer der Vermissten seien Afghanistan, gefolgt von Syrien, Marokko und Algerien.

Baden-Württemberg am Limit - bundesweite Verteilung der Geflüchteten

Für die Unterbringung der unbegleiteten Minderjährigen in den Städten und Gemeinden kommt das Land auf. Dieses hat dafür in diesem Jahr 106 Millionen Euro eingeplant. Nächstes Jahr sind rund 135 Millionen Euro veranschlagt. Die jungen Menschen wurden bisher an dem Ort in Obhut genommen, an dem sie aufgegriffen wurden. Aktuell werden sie bundesweit verteilt, da die Jugendämter besonders in der Rheinschiene an ihre Belastungsgrenzen gestoßen sind und einen Brandbrief geschrieben haben. Denn die meisten Flüchtlinge kommen über Frankreich und die Schweiz nach Baden-Württemberg. "Die Verteilungen erfolgen immer wöchentlich. Baden-Württemberg erfüllt seine Bestandsquote seit September 2023, daher wird bundesweit verteilt", sagte eine Sprecherin des Ministeriums.

Baden-Württemberg

Brandbrief an Kretschmann Minderjährige Flüchtlinge: Landesregierung stellt Städten Hilfe in Aussicht

Mehrere Städte in BW wenden sich mit einem Hilferuf an die Landesregierung. Sie fordern Unterstützung bei der Unterbringung von geflüchteten unbegleiteten Kindern und Jugendlichen.

SWR Aktuell Baden-Württemberg SWR Fernsehen BW

Ministerpräsidentenkonferenz zur Flüchtlingslage

Weil Baden-Württemberg und einige andere Länder Alarm geschlagen haben, sprechen die 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten ab Montagnachmittag mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über die Migrations- und Asylpolitik. Die Länder verweisen auf die gestiegenen Zahlen Geflüchteter in Deutschland und darauf, dass Städte und Kommunen überlastet seien. Bei dem Treffen sollen Wege im Kampf gegen irreguläre Migration gefunden und die Finanzierung der Kosten für die Versorgung von Flüchtlingen geklärt werden.

Mehr zur Asylpolitik in BW

Baden-Württemberg/Berlin

Treffen der Länderchefs mit Scholz Migrationspolitik: BW für Asylverfahren außerhalb Europas

Es gibt viel zu besprechen im Kanzleramt, vor allem beim Thema Migration. Die Länder machen Druck auf die Bundesregierung. Worum es am Montag geht und was BW fordert.

Baden-Württemberg

Jugendämter stark belastet Minderjährige Flüchtlinge kommen in andere Bundesländer

Über die Sommermonate ist die Zahl junger Geflüchteter in BW sprunghaft angestiegen. Diese werden nun bundesweit verteilt, da die Jugendämter im Land an ihre Belastungsgrenze stoßen.

Baden-Württemberg

Brandbrief an Kretschmann Minderjährige Flüchtlinge: Landesregierung stellt Städten Hilfe in Aussicht

Mehrere Städte in BW wenden sich mit einem Hilferuf an die Landesregierung. Sie fordern Unterstützung bei der Unterbringung von geflüchteten unbegleiteten Kindern und Jugendlichen.

SWR Aktuell Baden-Württemberg SWR Fernsehen BW

Stand
Autor/in
SWR

Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent.