Hintergrund: Zehn Jahre nach Baubeginn

2013: Kuhn auf Konfrontationskurs, Kritik aus Berlin, "Sprechklausel"

Stand

Die Anfänge des Bahnprojekts reichen weit zurück. Eine bessere Bahnverbindung zwischen Stuttgart und Ulm war das erste Ziel des Projekts, das dann als "Stuttgart 21" bekannt wurde. Eine Chronologie:

Anfang Januar 2013: Die Landesregierung fühlt sich bei Stuttgart 21 von der Deutschen Bahn schlecht informiert und macht Druck: Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) verlangt vor der nächsten Sitzung des Lenkungskreises tiefere Einblicke in die Kostenrechnung des umstrittenen Bauprojekts. Nach SWR-Informationen fordert Hermann von Bahn-Technikvorstand Volker Kefer ausführliche schriftliche Informationen darüber, wie die Bahn die Mehrkosten und weitere Kostenrisiken von 1,2 Milliarden Euro errechnet hat.

7. Januar 2013: Stuttgarts neuer grüner Oberbürgermeister Fritz Kuhn geht in seiner Antrittsrede auf Konfrontationskurs: Er kritisiert die Informationspolitik der Bahn und fordert die grün-rote Landesregierung auf, das Fällen weiterer Bäume für S21 vorerst nicht zu genehmigen. Er spricht von einer Vertrauenskrise angesichts der Kostenexplosion.

Fritz Kuhn wird erster grüner OB in Stuttgart
Fritz Kuhn wird erster grüner OB in Stuttgart

10. Januar 2013: Die Bahn lässt den Termin für den nächsten Lenkungskreis für Stuttgart 21 platzen. Kefer weist Vorwürfe zurück, die Projektpartner nicht umfassend unterrichten oder hinhalten zu wollen. Er verspricht Unterlagen und schriftliche Antworten zu den Fragen des Ministers.

Kritik an S21-Politik der Bundesregierung, Bäume werden nicht gefällt

Obwohl sich die SPD-Minister mit öffentlicher Kritik an der Bahn im Zusammenhang mit S21 bislang zurückgehalten haben, kritisiert Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) am 12. Januar 2013 ungewöhnlich deutlich das Verhalten der Bahn. Sie müsse endlich verlässliche Zahlen liefern: Bisher sei das Land im Grunde mit Power-Point-Präsentationen abgespeist wurden. Die Bahn sei in der Pflicht, harte Fakten zu liefern.

Justizminister Stickelberger (SPD)
Justizminister Stickelberger (SPD)

Am 16. Januar 2013 wirft die Bundestagsabgeordnete und Sprecherin der Grünen für Bahnpolitik, Valerie Wilms, der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt "unverantwortliche Wahlkampfmanöver" vor. Die Regierung in Berlin scheue die Debatte. In der Sitzung des Verkehrsausschusses habe die Koalition eine Behandlung der Kostensteigerungen mit ihrer Mehrheit abgelehnt, so Wilms.

18. Januar 2013: Die Bäume, die im Zuge der Bauarbeiten für das Bahnprojekt Stuttgart 21 demnächst hätten fallen sollen, bleiben vorerst erhalten. Die Deutsche Bahn verschiebt die Fällaktion am Rande des Stuttgarter Rosensteinparks auf Herbst - aus Umweltschutzgründen. Damit bleiben 80 bis 100 Bäume zunächst stehen.

Hermann rechnet mit Verzögerungen, Datenraum kommt

Der baden-württembergische Verkehrsminister Hermann geht davon aus, dass S21 frühestens im Jahr 2025 fertiggestellt wird. Hermann erklärt am 19. Januar 2013 gegenüber dem SWR, selbst das sei ein ambitioniertes Ziel. SPD und Bahn kritisieren die Äußerung als reine Spekulation. Derzeit geht die Deutsche Bahn offiziell davon aus, Tiefbahnhof und Neubaustrecke zeitgleich 2020 fertigstellen zu können.

Verkehrsminister Hermann zweifelt am Zeitplan
Verkehrsminister Hermann zweifelt am Zeitplan

Bahn-Technikvorstand Volker Kefer kündigt bei einem informellen Projektgespräch am 21. Januar 2013 an, den Projektpartnern vertrauliche Informationen zu Stuttgart 21 in einem "Datenraum" bereitzustellen.

Die Bundesregierung fordert von der Deutschen Bahn Aufklärung über die jüngste Kostenexplosion bei S21. Die Staatssekretäre aus den Ministerien für Verkehr, Wirtschaft und Finanzen, die die Bundesregierung im Aufsichtsrat der Bahn vertreten, hätten einen Katalog mit 34 Fragen an den Konzern geschickt, bestätigt eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums am 27. Januar 2013.

1. Februar 2013: Die Bahn öffnet den "Datenraum" für die Projektpartner. In einem Gebäude der DB Projektbau in Stuttgart ist das Rohmaterial zu den Berechnungen des Konzerns abgelegt. Vertreter von Land, Stadt und Region Stuttgart sollen sich über die Gründe der Kostenexplosion und weitere mögliche Risiken informieren können.

Bahn zieht "Sprechklausel", Debatte nimmt wieder zu

Ein internes und kritisches Dossier aus dem Bundesverkehrsministerium heizt nach dem 4. Februar 2013 die Debatte um Stuttgart 21 neu an. Minister Peter Ramsauer (CSU) bemüht sich, das Papier zu Mehrkosten und einem möglichen Ausstieg kleinzureden. Es handele sich um "Einzelmeinungen aus der untersten Ebene meines Ministeriums."

11. Februar 2013: Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 stellt Strafanzeige gegen die Bahnvorstände Rüdiger Grube und Volker Kefer wegen angeblicher Untreue und Betrug. Beide hätten wider besseres Wissen den Aufsichtsrat der Bahn nicht rechtzeitig über die Kostenexplosion informiert. Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Alexander Kirchner äußert Zweifel an der Realisierung des Projektes. Die Chancen stünden bei 50:50.

18. Februar 2013: Die Bahn zieht die sogenannte Sprechklausel, um mit den Partnern offiziell über die Verteilung der Mehrkosten von bis zu 2,3 Milliarden Euro zu verhandeln. Gespräche von Bahn-Technikvorstand Kefer mit Vertretern von Land, Stadt und Region bringen keine Annäherung.

Kurz vor der entscheidenden Bahn-Aufsichtsratssitzung demonstrieren bei einer Kundgebung am 23. Februar 2013 in Stuttgart laut Polizei 6.000 Menschen gegen S21. Die Veranstalter sprechen von mehr als 8.000 Demonstranten.

Am 26. Februar 2013 genehmigt das Eisenbahnbundesamt (EBA) die geänderten Pläne für den Bau des Fildertunnels. Er soll in zwei Röhren vom neuen unterirdischen Hauptbahnhof über 9,5 Kilometer auf die Fildern führen. Die Planänderung war notwendig, weil statt der konventionellen bergmännischen Bauweise eine Tunnelvortriebsmaschine eingesetzt werden soll.

Am 5. März 2013 gibt der Aufsichtsrat der Bahn grünes Licht für den Weiterbau von Stuttgart 21. Der Finanzierungsrahmen wird um zwei auf 6,5 Milliarden Euro erhöht. Die Bahn kündigt an, eine Beteiligung der Projektpartner an den Mehrkosten notfalls vor Gericht durchzusetzen.

19. Juli 2013: Offizieller Anstich des ersten S21-Tunnels für die ICE-Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. Der Steinbühltunnel am Albaufstieg bei Hohenstadt südöstlich von Stuttgart soll 4,8 Kilometer lang werden.

23. Juli 2013: Das Bahnprojekt Stuttgart 21 wird wahrscheinlich erst 2022 und damit ein Jahr später als geplant fertig. Bahnvorstand Volker Kefer teilt das nach einer Sitzung der Projektpartner mit.

5. September 2013: Die Deutsche Bahn gründet eine neue Projektgesellschaft. Sie soll helfen, die Mehrkosten beim Milliardenprojekt Stuttgart 21 einzudämmen und den Zeitplan einzuhalten. Damit wechselt die Verantwortung für Stuttgart 21 von Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Kefer auf den Wirtschaftsingenieur Manfred Leger, den Chef der Projektgesellschaft.

12. September 2013: Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen zum "Schwarzen Donnerstag" (30. September 2010) abgeschlossen. Das Ergebnis nach 2.300 Ermittlungsverfahren: 12 Strafbefehle gegen Polizisten und 532 gegen Projektgegner.

18. Oktober 2013: Zwei Jahre nach der Niederlage bei der Volksabstimmung planen die Gegner von S21 zwei neue Bürgerbegehren. Die beiden Initiativen namens "Storno 21" und "Leistungsrückbau S21" beginnen Unterschriften dafür zu sammeln.

5. Dezember 2013: Spatenstich für den ersten Tunnel in der Landeshauptstadt: Er soll 350 Millionen Euro kosten und heißt "Beate-Tunnel", wie seine Patin Beate Dietrich, die Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Wangen.

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SWR

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