Hintergrund: Zehn Jahre nach Baubeginn

2012: Flügel fallen, Spatenstich Neubaustrecke, Kostenexplosion

Stand

Die Anfänge des Bahnprojekts reichen weit zurück. Eine bessere Bahnverbindung zwischen Stuttgart und Ulm war das erste Ziel des Projekts, das dann als "Stuttgart 21" bekannt wurde. Eine Chronologie:

Der Südflügel fällt, Bahn vergibt Rohbauaufträge

Begleitet von friedlichen Protesten räumt die Polizei am 13. Januar 2012 den Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs, damit er entkernt und abgerissen werden kann. Einen Tag später bewerfen Gegner des Bauprojekts Stuttgart 21 Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mit Schuhen.

Der Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs fällt
Der Südflügel fällt

Am 15. Januar 2012 räumt die Polizei nach monatelangen Protesten das Camp der S21-Gegner im Schlossgarten. Noch in der Nacht demonstrieren rund 1.000 Menschen. Am 30. Januar 2012 beginnen die Abrissarbeiten am Südflügel.

Die Bauarbeiten im mittleren Schlossgarten beginnen am 15. Februar 2012. Bäume werden gefällt und verpflanzt, damit das Baufeld vorbereitet werden kann.

März 2012: Die Bahn vergibt, deutlich später als geplant, die Rohbauaufträge für den Hauptbahnhof und die Tunnel Cannstatt sowie Feuerbach im Gesamtumfang von rund 800 Millionen Euro. Damit ist rund die Hälfte des Bauvolumens vergeben.

Bei der Sitzung des Lenkungskreises aller Projektpartner am 23. März 2012 gesteht Bahn-Technikvorstand Volker Kefer erhebliche Probleme beim Bau des Tiefbahnhofs ein. Ein Grund sind Änderungen und Genehmigungen an den Plänen für das Grundwassermanagement. Es soll nun erst Anfang 2013 in Betrieb gehen. Die Inbetriebnahme des neuen Bahnhofs wird um ein Jahr, auf Dezember 2020, verschoben.

Spatenstich für Neubaustrecke, Filderdialog

Mai 2012: Mit einem symbolischen Spatenstich wird der offizielle Baubeginn für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm bei Dornstadt gefeiert.

Spatenstich für die Schnellbahnstrecke Wendlingen-Ulm
Mit dem symbolischen Spatenstich starten Bahnvorstand Volker Kefer (l.) und der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann den Baubeginn für den Neubau der Schnellbahnstrecke Wendlingen-Ulm.

Im Juni 2012 beginnt der Filder-Dialog S21, eine Konsequenz aus der Schlichtung. Die Projektpartner von Stuttgart 21 wollen damit Transparenz über ihr Vorhaben vor Ort schaffen und mit den Betroffenen und der Bürgerschaft in einen konstruktiven Dialog treten.

Im Juli 2012 befürwortet der Filderdialog eine neue Lösung für den Flughafenanschluss. Die Teilnehmer des Dialogs entschieden sich für die sogenannte Gäubahnvariante zur Anbindung des Landesflughafens an das Bahnprojekt Stuttgart 21. Dieser Vorschlag sieht vor, dass Reisende auf der Gäubahn in Stuttgart-Vaihingen umsteigen und mit der S-Bahn zum Flughafen fahren. S21-Projektpartner halten diese Variante für nicht konsensfähig. Sie favorisieren einen extra Flughafenbahnhof für den Fern- und Regionalverkehr sowie eine eigene Fernverkehrstrasse über die Fildern.

Züge entgleisen, zahlreiche Umleitungen und Zugausfälle

Durch die Bauarbeiten rund um den Stuttgarter Hauptbahnhof muss das Gleisfeld eingeengt werden. Am 24. Juli 2012 entgleist ein Intercity bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof. Zwei Waggons und die schiebende Lok springen an einer Weiche aus den Gleisen. Daraufhin kommt es zu zahlreichen Zugausfällen.

Der entgleiste Zug riss die Oberleitung herunter
Der entgleiste Zug riss die Oberleitung herunter

Nur wenige Wochen später entgleisen an der gleichen Weiche zwei weitere Züge: Ein IC reißt bei dem Unfall am 29. September 2012 die Oberleitung herunter. Die Reisenden sind eine Stunde im Zug eingeschlossen, sieben Personen werden verletzt. Anfang Oktober springt auch ein Testzug aus den Gleisen. Bis Ende Oktober bleibt Gleis 10 des Hauptbahnhof gesperrt und sorgt für zahlreiche Umleitungen und Zugausfälle.

Risiko Brandschutz, Projektgegner fordern sofortigen Stopp

Die Deutsche Bahn vergibt am 16. Oktober 2012 den größten Auftrag der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. Der Auftrag in Höhe von 635 Millionen Euro geht an eine Bietergemeinschaft unter Führung des Baukonzerns Porr aus Österreich.

Laut Gutachten ist der Brandschutz beim geplanten S21-Tiefbahnhof mangelhaft
Laut Gutachten ist der Brandschutz beim geplanten S21-Tiefbahnhof mangelhaft

Am 22. Oktober 2012 gibt Bahntechnikvorstand Volker Kefer nach der Sitzung des S21-Lenkungskreises bekannt, dass die im Filderdialog erarbeitete neue Variante für den Flughafenhalt bei Stuttgart 21 deutlich teurer wird als die bisherige Planung: Mehrkosten 224 Millionen Euro.

Das Eisenbahnbundesamt (EBA) genehmigt im Oktober 2012 eine Änderung der Planfeststellung für das Grundwasser-Management. Die Bahn kann ihre Arbeiten daran fortsetzen. Dies ist entscheidend für die Hauptbaumaßnahme am Stuttgarter Hauptbahnhof. Vor knapp einem Jahr hatte der Verwaltungsgerichtshof die Arbeiten gestoppt. Nun können Rohrleitungen, die zentrale Grundwasserreinigungsanlage, Messstellen und die Infiltrationsbrunnen fertiggestellt werden.

Ein Gutachten im Auftrag der Bahn kommt zum Ergebnis, dass das Brandschutzkonzept für die langen Tunnel in den Osten der Stadt und zum Flughafen auf der Filderhochebene im Süden nicht genehmigungsfähig ist. Damit kommt die Kostendebatte wieder voll in Gang. Diskutiert werden Mehrkostenschätzungen von 23 Millionen Euro für einen verbesserten Brandschutz und 80 Millionen Euro für weitere Nachbesserungen an S21 aus der Schlichtung.

150. Montagsdemo, Kostenexplosion

26. November 2012: Zur 150. Montagsdemonstration gegen Stuttgart 21 kommen nach Polizeiangaben 3.400 Menschen zusammen.

Mit lautem Gerassel gegen das Bahnprojekt
Mit lautem Gerassel gegen das Bahnprojekt

Laut Medienberichten von Anfang Dezember rechnet die Bahn mit Mehrkosten von rund einer Milliarde Euro. Regierungschef Winfried Kretschmann erklärt, dass zur Projektförderpflicht des Landes auch eine Transparenzpflicht der Bahn gehört. Er bekräftigt, dass sich das Land nicht an Mehrkosten beteilige wolle. Der Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro gelte weiter, so der Grünen-Politiker. Kretschmann verweist zugleich darauf, dass sich das Bahnprojekt in einem Stadium befinde, in dem noch nichts unumkehrbar sei.

12. Dezember 2012: Nach einer Neukalkulation der Bahn wird das Projekt Stuttgart 21 um mindestens 1,1 Milliarden Euro teurer und liegt damit bei Gesamtkosten von 5,6 Milliarden Euro. Über weitere mögliche Kosten durch einen "Risiko-Puffer" sind sich Bahn und Land uneins.

Projektgegner fordern angesichts der Mehrkosten in Milliardenhöhe den sofortigen Stopp des Bahnhofsprojekts.

16. Dezember 2012: Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hält einen Ausstieg aus dem Bahnprojekt Stuttgart 21 für nicht mehr möglich.

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SWR

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