Auch in der Nacht zum Mittwoch war es frostig in Baden-Württemberg. Winzer und Landwirte waren erneut auf den Feldern und in den Weinbergen, um zu schauen, wie die Pflanzen die Kälte überstanden haben. Bei den Becksteiner Winzern aus Lauda-Königshofen (Main-Tauber-Kreis) spricht der Geschäftsführer Michael Braun von "markanten Schäden". Lothar Klüpfel vom Weingut Oesterlein in Wertheim-Dertingen (ebenfalls Main-Tauber-Kreis) spricht wiederum von bis zu 90 Prozent an Schäden.
"Totalausfall" beim Obst in Pfedelbach
Auch dem zukünftigen Obst hat die erneute Frostnacht stellenweise extrem zugesetzt. Elke Fromm ist Obstbäuerin aus Untersteinbach bei Pfedelbach (Hohenlohekreis) und spricht von einem "Totalausfall". Kirschen, Sonderkulturen, Aprikosen, Pfirsiche, sogar die Apfel- und Birnenanlagen hätten massive Schäden davongetragen.
Sie sagt, Äpfel und Birnen werde sie in diesem Jahr wohl zukaufen müssen. Sie werde wohl von der Obstbäuerin zur Händlerin. Die jetzigen Schäden schmerzten sie, sei sie doch eigentlich Obstbäuerin mit Leib und Seele.
Lemberger könnte dieses Jahr kaum geerntet werden
Von einem Totalausfall will Winzer Michael Braun aus Lauda nicht sprechen. Doch er sagt auch, wenn man in die Weinberge blickt, falle auf, "dass so dunkle Flecken da sind, dass die Triebe abgestorben sind." Wie hoch der Schaden sein wird, das werde sich noch zeigen müssen. Aktuell hoffen die Winzer noch darauf, dass manche Triebe doch noch einmal Früchte tragen können.
Mit den Schäden bei Winzern beschäftigt sich auch Dr. Adolph Blankenhorn am Staatsweingut Freiburg. Ihm zufolge kommt es auf die Rebsorte an. Beim Lemberger beispielsweise könnten die jetzigen Frostschäden dazu führen, dass kaum mehr geerntet werden kann. Andere Rebsorten hätten noch Chancen.
Schon am Dienstag Schäden bei Winzern und Landwirten
Schon am Dienstag folgte in Baden-Württemberg am Morgen nach der zweiten Frostnacht der große Check-up der Landwirte. Sie untersuchten ihre Pflanzen auf mögliche Schäden durch den Frost. Insbesondere viele Obstsorten, aber auch Walnüsse, Spargel, Erdbeeren und Wein gelten als frostempfindlich.
Franz Rueß von der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) Weinsberg (Kreis Heilbronn) ist froh, dass die Obstbäume auf dem Obstgut Heuchlingen bei Bad Friedrichshall (Kreis Heilbronn) die Frostnächte gut überstanden haben. Man sei mit einem blauen Auge davon gekommen, so Rueß.
Jürgen Maurer vom Bauernverband Schwäbisch Hall - Hohenlohe - Rems hat nach der Frostnacht auf Dienstag ebenfalls einen Blick auf den Acker gewagt:
Vorgezogene Eisheilige? Nein - trotzdem ungewöhnlich
Jürgen Maurer vom Bauernverband Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems geht davon aus, dass die Nacht auf Dienstag "relativ glimpflich" verlief. Die Temperatur rund um Kupferzell (Hohenlohekreis) habe bei einem Grad Minus gelegen, sagte er. Wie es in den Lagen von Rems-Murr oder dem Steinbacher Tal um den Obst- und Weinbau bestellt sei, könne er am Morgen noch nicht sagen. Dies müsse um die Mittagszeit überprüft werden, "wenn die Sonne scheint und die Minusgrade vorbei sind".
Die Landwirte mutmaßen, es könnte sich um vorgezogene Eisheilige handeln. Eine Einschätzung, die auch Jürgen Maurer für wahrscheinlich hält.
Doch ganz so scheint es nicht zu sein, erklärt der SWR-Wetterexperte Gernot Schütz. "Die vorgezogenen Eisheiligen sind das nicht", sagt er. Stattdessen glaube er, dass die Eisheiligen, die immer Mitte Mai liegen, dieses Jahr ganz ausfallen werden, denn ab kommender Woche soll es schon wieder wärmer werden.
Trotzdem seien die extremen Temperaturschwankungen von um die 30 Grad am Anfang des Monats zu jetzt um die null Grad außergewöhnlich, betont Schütz.
Eispanzer als Schutz
Die Winzerinnen und Winzer greifen auf unterschiedliche Methoden zum Frostschutz zurück: Zum Beispiel werden im Taubertal die Pflanzen mit Wasser beregnet. So bildet sich ein Eispanzer um die Blüte, die dadurch nicht erfriert.
Eine weitere Möglichkeit, gerade für Winzer, ist beispielsweise die sogenannten Frostkerzen, die Wärme abstrahlen und somit verhindern, dass die Reben und Triebe einfrieren. Wie das gerade nachts aussehen kann, zeigt ein Beispiel aus Bacharach (Kreis Mainz-Bingen, Rheinland-Pfalz):
Entwarnung erst ab dem Wochenende in Sicht
Generell habe es vor allem die Winzer in den Tälern getroffen, berichtet Tobias Koch aus der SWR-Umweltredaktion. Er sagt auch, im "Ländle" stünden zum Teil zwei weitere Nächte mit Temperaturen um und leicht unter null Grad an. Da sei also noch keine Entwarnung in Sicht. Noch schlimmer hätte es die Winzer im benachbarten Bundesland in Rheinland-Pfalz getroffen.
Gernot Schütz blickt noch etwas weiter: Ab dem Wochenende dann soll es endlich wieder wärmer werden und auch längere Zeit wärmer bleiben, ein Hoffnungsschimmer für die Landwirte und ihre noch zarten Pflänzchen.
Weniger Frost wegen des Klimawandels? Fehlanzeige!
Tobias Koch aus der Umweltredaktion erklärt weiter, die Annahme aufgrund des Klimawandels gebe es keinen Spätfrost mehr, sei so nicht korrekt. Stattdessen verschärfe der Klimawandel das Problem eher. Dadurch, dass es früher wärmer wird, blühen die Pflanzen auch früher - bis zu drei Wochen. Die Spätfröste, die es im April immer wieder geben kann, sind aber geblieben. Daher stehen viele Landwirte jetzt vor dem genannten Problem, dass ihnen in Frostnächten die Blüten einfrieren, was zu großen Schäden führen kann.