Wo vor Corona häufig schnell geholfen werden konnte, müssen Betroffene aufgrund der hohen Nachfrage und begrenzter personeller Kapazität mittlerweile bis zu acht Wochen auf einen Beratungstermin warten. 863 Menschen suchten im letzten Jahr die Hilfe der Schuldnerberatung der Stadt Heilbronn von Arbeiterwohlfahrt und Aufbaugilde.
Arbeitslosigkeit und Kleinkredite Hauptursache
Als Hauptursache für Überschuldung wird Arbeitslosigkeit genannt, an zweiter Stelle stehen Kleinkredite für Konsumgüter. In den meisten Fällen stehen die Schuldner bei mehr als zehn Gläubigern, häufig aber auch bei über 50 Gläubigern in der Kreide.
Auch weil die "Zugänge zu Schulden deutlich leichter geworden sind", berichtet Anna Dolch von der Aufbaugilde. Das neue Handy, ein Leasingvertrag für ein Auto, Ratenkredite für Online-Bestellungen - die Wege in die Überschuldung sind leicht. Selbst für geringe Beträge werden mittlerweile Ratenkredite angeboten. Auch deshalb gehe schnell der Überblick über die eigene finanzielle Situation verloren, so Dolch. Im Schnitt stehen die Schuldner mit knapp 30.000 Euro in den roten Zahlen.
Inflation und Energiepreise sorgen für Beratungsbedarf
Aber auch Inflation und hohe Energiepreise sorgen für hohen Beratungsbedarf. Aufgrund der gestiegenen Kosten seien zuletzt mehr Menschen zur Schuldnerberatung gekommen, berichtet Tobias Schumacher von der Arbeiterwohlfahrt. Derzeit bemerkten die Schuldnerberater die ersten Auswirkungen von Inflation und hohen Energiepreisen. Durch die vielen Krisen und hohen Kosten sei mittlerweile auch die Mittelschicht "mehr in Geldnot geraten, als das zuvor der Fall war", berichtet Schumacher.
Auch im Kreis Heilbronn höhere Nachfrage
Aus dem ganzen Kreis Heilbronn suchten mit 2.341 Personen im letzten Jahr deutlich mehr Menschen Hilfe bei der Schuldnerberatung. Knapp die Hälfte der Betroffenen hatte Miet- oder Energieschulden, teilte das Landratsamt mit. Dabei werde meist erst in einer existenziellen Notlage Kontakt mit der Schuldnerberatung aufgenommen, etwa wenn der Verlust der Wohnung droht. Als Ursache für die stark gestiegene Nachfrage werden auch vom Landratsamt Inflation und hohe Energiekosten genannt.
Gastronomiekrise kommt in Schuldnerberatung an
In die Beratungsstelle der Heilbronner Schuldnerberatung kommen seit der Corona-Pandemie aber auch mehr Gastronomen, berichtet Anna Dolch von der Aufbaugilde. Viele hätten in die Selbstständigkeit als Gastronom Geld investiert, mussten mittlerweile schließen und stehen nun vor hohen Schulden, weil Pacht oder Miete nicht mehr bezahlt werden konnten.
Hoher Beratungsbedarf: Mehrere zusätzliche Stellen nötig
Aufbaugilde und Arbeiterwohlfahrt leisten die Schuldnerberatung in Heilbronn gemeinsam. Dennoch werde die Finanzierung der Stellen und damit die personelle Kapazität dem Bedarf nicht gerecht, sind sich die beiden Träger einig. Um den Beratungsbedarf zu decken, seien mehrere zusätzliche Stellen nötig. Jede Woche suchten mittlerweile 15 bis 20 überschuldete Menschen bei der Heilbronner Schuldnerberatung Hilfe. Trotz häufig drängender Forderungen und Probleme müssten die Schuldner deshalb derzeit mit längeren Wartezeiten rechnen.