Die katholische Kirche verliert immer mehr Mitglieder. Vergangenes Jahr waren es so viele wie nie zuvor. Mehr als eine halbe Million Menschen sind 2022 in Deutschland aus der katholischen Kirche ausgetreten, in Baden-Württemberg haben mehr als 81.500 Menschen die Kirche verlassen. Doch es gibt auch Menschen, die wieder in die katholische Kirche eintreten. Im vergangenen Jahr waren es bundesweit rund 3.700 Personen.
33-Jährige aus BW kehrt wegen Tochter zurück
Eine von ihnen ist Lucia Pfitz. Die 33-jährige Baden-Württembergerin ist bei einem Gottesdienst in der Christus-König Kirche in Stuttgart-Vaihingen wieder in die katholische Kirche eingetreten. Der Grund war ihre Tochter: "Ich finde es gut, wenn meine Tochter die christliche Botschaft und die christlichen Werte, die auch stark in unserer Gesellschaft verankert sind, mitbekommt, diese versteht, und auch hinterfragen kann. Und - wenn sie möchte - sich danach ausrichten kann", so Pfitz. Ihre Tochter soll ein festes, christliches Fundament bekommen. Sie dürfe aber in der Zukunft auch selbst entscheiden, ob sie in der Kirche bleiben will oder nicht.
Pfitz ist vor sechs Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten, weil sie als Studentin keine Kirchensteuer mehr bezahlen wollte. Außerdem ärgerte sie sich über den Missbrauchsskandal und war mit den Gottesdiensten unzufrieden. Glaube und Kirche waren bei Pfitz nach eigenen Angaben aber schon immer ein Teil ihres Lebens - daran habe ihr temporärer Kirchenaustritt nichts geändert. Sie sei mit dem Glauben aufgewachsen.
Kinder sind oft der Grund für einen Wiedereintritt
Dass Eltern wegen ihres Kindes wieder in die Kirche eintreten, überrascht Andreas Marquardt nicht. Er ist Pfarrer in der Gemeinde Christus-König in Stuttgart-Vaihingen. Die Geburt eines Kindes, Taufe und Kommunion seien für viele Familien sogenannte Knotenpunkte des Lebens. "Die sind für Viele dann so ein Impuls - zu sagen: Ich trete wieder ein", so Marquart.
In BW treten nur wenige Menschen wieder ein
Doch die 33-jährige Lucia Pfitz repräsentiert eine kleine Gruppe von Menschen in Deutschland. Im vergangenen Jahr traten bundesweit grade mal 3.750 Menschen wieder in die Kirche ein. In Baden-Württemberg gab es vergangenes Jahr laut Deutscher Bischofskonferenz weniger als 800 Eintritte in die katholische Kirche, in Rheinland-Pfalz etwas mehr als 300. Dazu zählen Neueintritte und Wiedereintritte, Taufen werden separat erfasst. Demgegenüber standen 121.500 Austritte. 2014 waren es in Baden-Württemberg noch knapp 1.300 Eintritte, in Rheinland-Pfalz etwa 700.
Demgegenüber standen 2022 in Baden-Württemberg 81.500 Austritte aus der katholischen Kirche. In Rheinland-Pfalz waren es laut Statistischem Landesamt knapp 40.000.
SWR-Umfrage zu Gründen für Kirchenaustritt
Im vergangenen Jahr hat der SWR eine exklusive Umfrage unter Ausgetretenen aus den beiden großen christlichen Kirchen durchgeführt. Geld und unzureichende kirchliche Strukturen sind demnach wichtige Beweggründe einiger Menschen zum Kirchenaustritt. Viele der Befragten benötigen demnach die Institution nicht, um gläubig zu sein. Andere wiederum geben an, keinen Bezug mehr zum christlichen Glauben zu haben.
Rund 21 Millionen Katholiken in Deutschland
In Deutschland gehörten 2022 noch knapp 20,9 Millionen Menschen der katholischen Kirche an, das entspricht 24,8 Prozent der Bevölkerung. In Baden-Württemberg lebten laut katholischer Bischofskonferenz im vergangenen Jahr etwas mehr als 3,3 Millionen Katholikinnen und Katholiken. Bei einer Einwohnerzahl von fast 11,3 Millionen Menschen im Land entspricht das rund 29 Prozent der Bevölkerung.
Die Austrittswelle rollt nicht nur in der katholischen Kirche immer schneller. Auch die evangelische Kirche hat mit bundesweit 380.000 Menschen im Jahr 2022 mehr Mitglieder verloren als zuvor. Aus der evangelischen Landeskirche in Baden sind im Jahr 2022 rund 22.150 Menschen ausgetreten. Die evangelische Landeskirche Württemberg hat 32.800 Mitglieder verloren. Insgesamt gehören der evangelischen Kirche in Baden-Württemberg noch rund 2,8 Millionen Menschen an.