Nach dem Tod eines Siebenjährigen beim Schwimmunterricht in Konstanz im September 2023 hat das Amtsgericht die beiden angeklagten Lehrerinnen wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Sie erhielten Freiheitsstrafen von neun beziehungsweise sechs Monaten auf Bewährung, zudem müssen sie 10.000 beziehungsweise 7.000 Euro Schmerzensgeld an die Eltern des verstorbenen Jungen zahlen. Die höhere Strafe erhielt die Lehrerin, die geringe Strafe die damalige Referendarin.
Urteil: Lehrerinnen fehlte die Übersicht über die Zweitklässler
Der Vorsitzende Richter war bei der Urteilsverkündung am Dienstag davon überzeugt, dass der Tod des Jungen auf unzureichende Sicherheitsvorkehrungen und fehlende Übersicht der Lehrerinnen zurückzuführen sei. Sie hätten alle 21 Zweitklässler gleichzeitig ins Becken gelassen, darunter waren auch Nichtschwimmer. Das habe zu einer unübersichtlichen Lage geführt, sodass die Frauen nicht alle Kinder gleichzeitig im Blick haben konnten. Der Junge habe mindestens eine Minute leblos im Wasser getrieben.
Ob das Urteil Auswirkungen auf den Schwimmunterricht in den Schulen im Land hat, ist noch unklar. Das Konstanzer Schulamt wollte sich gegenüber dem SWR nicht zum Urteil äußern, und auch das Regierungspräsidium Freiburg teilte am Dienstag nur mit, dass es das weitere Vorgehen prüfe.
GEW kritisiert nach Urteil fehlendes Personal an Schulen
Die Lehrer-Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg kritisierte nach dem Urteil die mangelnde Ausstattung der Schulen im Land. Die GEW-Vorsitzende Monika Stein sagte gegenüber dem SWR, die Personaldecke an den Grundschulen sei zu knapp. Es fehle oft das Personal, um beim Schwimmunterricht oder anderen außerschulischen Aktivitäten mehr Lehrkräfte dabei zu haben als vorgeschrieben.
Lehrkräfte haben immer Sorge, ob alles gut geht, wenn sie mit Kindern unterwegs sind und die Verantwortung für Kinder tragen. Und selbstverständlich führen solche tragischen Unglücksfälle dazu, dass diese Sorge noch verstärkt wird und sie wirklich noch mehr überlegen: Kann ich es mir zumuten? Traue ich mich mit Kindern unterwegs zu sein und sie dann heil wieder zurückzubringen?
Verteidiger der Lehrerinnen wollen Urteil anfechten
Die Verteidigung hat gegenüber dem SWR bereits angekündigt, in Berufung zu gehen. Verteidiger Gerhard Zahner sagte gegenüber dem SWR, er sei sicher, in der nächsten Instanz einen Freispruch zu erreichen. Die Ansicht des Richters, die Lehrerinnen hätten die Gruppe teilen und die Hälfte der Zweitklässler unbeaufsichtigt am Beckenrand lassen sollen, sei angreifbar.
Wenn man sich vorstellt, dass zwei Lehrerinnen fokussiert sind auf die, die im Wasser sind [...], dann können sie nicht die anderen im Auge haben. Und wenn die herumspringen, spielen und ins Wasser stürzen... Es ist eine riesige Gefahr, das kann es nicht sein.

Die Urteilsverkündung wurde am Dienstag von mehreren Lehrerinnen und Lehrern in Konstanz verfolgt. Sie äußerten anschließend Verunsicherung und Mitgefühl. Wie könne eine Lehrkraft noch diese Verantwortung übernehmen, wenn trotz eingehaltener Anforderungen des Kultusministeriums eine Verurteilung droht, hieß es.
Das ist keine Sache, die ein Urteil rechtfertigt, was im Grunde deren [der Lehrerinnen] Leben jetzt völlig auf den Kopf stellt und ihren Beruf möglicherweise entweder faktisch oder zumindest psychisch wahrscheinlich unmöglich macht, die Berufsausübung... für eine einminütige Unaufmerksamkeit.
Unfall war laut Staatsanwaltschaft fahrlässige Tötung
Angeklagt waren die beiden Pädagoginnen wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen. Die Staatsanwältin war davon überzeugt, dass der Tod des Kindes hätte verhindert werden können. 21 Zweitklässler, von denen einige - wie der Siebenjährige - nicht schwimmen konnten, gleichzeitig im Wasser spielen zu lassen, sei potenziell gefährlich gewesen.
Oberstaatsanwältin Claudia Fritschi wurde bei ihrem Plädoyer am dritten Verhandlungstag emotional. Es sei der aufwühlendste Fall in ihrer 20-jährigen Berufskarriere als Staatsanwältin, sagte sie. Hier mit strafrechtlichen Maßstäben zu ahnden, falle schwer. Aber es sei ihre Aufgabe. Sie plädierte für die Lehrerin auf ein Jahr und zwei Monate Freiheitsstrafe und auf elf Monate für die damalige Referendarin, beides ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung. Sowie je 10.000 Euro Schmerzensgeld an die Eltern.
Prozess um im Schwimmunterricht tödlich verunglückten Jungen Anklage fordert Bewährungsstrafen für Konstanzer Lehrerinnen
Fahrlässige Tötung oder Freispruch? Im Prozess um den Tod eines siebenjährigen Jungen im Schwimmunterricht in Konstanz haben Anklage und Verteidigung die Plädoyers gehalten.
Verteidigung plädierte auf Freispruch
Ganz anders wertete die Verteidigung den Fall. Sie plädierte auf Freispruch. Die Lehrerinnen hätten sich bei ihrem Schwimmunterricht an die Richtlinien des Kultusministeriums gehalten und diese sogar mehr als erfüllt. Denn vorgesehen ist, dass beim Schwimmunterricht eine Lehrkraft dabei ist, in diesem Fall waren zwei Pädagoginnen vor Ort. Nach dem Unglück hatten die beiden Lehrerinnen von der Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl erhalten. Darin waren sie bereits zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Dagegen legten die beiden Einspruch ein, deshalb kam der Fall vor Gericht.
Beide Frauen arbeiten aktuell als Lehrerinnen, geben aber keinen Schwimmunterricht mehr. Die eine ist weiter an der Grundschule in Konstanz beschäftigt, die andere hat ihr Referendariat dort beendet. Sie hat inzwischen eine befristete Stelle in der Schweiz.
Kommentare (2)
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Den geforderten Freispruch kann ich nicht nachvollziehen. Ich hätte als Angeklagte jedes Urteil akzeptiert. Interessant wäre, wie Vorgaben zum Schwimmunterricht in anderen Bundesländern aussehen. Egal ob 1 oder 10 Jahre... NIXS wird den 7jährigen zurück bringen, die Eltern haben lebenslänglich 😥 Ich mag es mir gar nicht vorstellen... Mein Beileid den Eltern 😥😥
Das Urteil ist gefallen: Lehrerin 9 Monate/2 Jahre Bewährung, 10.000€ Schmerzensgeld Referendarin 6 Monate/2 Jahre Bewährung, 7.000 € Schmerzensgeld Anwälte werden noch heute in Berufung gehen.
Verdammt noch mal, wieviel ist eigentlich das Leben eines Kindes wert???? Interessiert die Lehrerinnen nicht. Sie wollen freigesprochen werden....Unglaublich!!!! ..Und ihre Rechtsanwälte wollen nur Geld verdienen......Bekannt! ARMER Junge, arme ELTERN!!!!