Buerokratie bei Milchvieh-Landwirt in Wangen im Allgäu

Deshalb protestieren die Bauern

Bürokratie in der Landwirtschaft in Wangen: "Hofarbeit statt Schreibarbeit"

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Sabine Steinfurth
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H. Eichenhofer

Die Bauern protestieren seit Januar immer wieder. Ein Grund ihres Protestes ist die ausufernde Bürokratie. Benedikt Frick vom Biohof Renz-Frick in Wangen im Allgäu erzählt, wie viele Auflagen er erfüllen muss.

Bei den Landwirten hat sich viel Frustration angesammelt. Viele Vorgaben sind zeitaufwändig und machen es den Bauern schwer. So müssen bei der Bewirtschaftung eines Hofes an die 2.000 Gesetzesauflagen erfüllt werden, sagt Benedikt Frick vom Bio-Bauernhof Renz-Frick aus Wangen im Allgäu (Kreis Ravensburg). 25 Prozent ihrer Arbeitszeit seien durch Bürokratie gebunden. Meist wird die Zeit abends nach einem langen Arbeitstag auf dem Feld und im Stall angehängt.

Benedikt Frick sagt, "ich mache meinen Job richtig gern". Damit meint der Landwirt aus dem württembergischen Allgäu die Zeit, die er in der Natur und mit seinen 180 Milchkühen samt Kälberaufzucht verbringt. Dass er nach getaner Arbeit abends und manchmal bis in die Nacht hinein an seinem Schreibtisch sitzen muss, stört ihn. Bis zu 30 Stunden im Monat verbringt er mit bürokratischen Auflagen und Dokumentationen. Vieles könnte man aber einfacher gestalten oder ganz weglassen. Das zeigt Benedikt Frick an ein paar Beispielen auf.

Veraltete Bürokratie und Schätzwerte rauben den Landwirt Frick Zeit

Viele Formulare seien nicht auf dem Stand der digitalen Möglichkeiten, Vieles müsse er mehrfach und zusätzlich in Papierform ausfüllen. Manche Fragen seien umständlich bis hin zur Unverständlichkeit formuliert. Vor allem aber ärgert es den engagierten Milchvieh-Landwirt, wenn Fragen überhaupt keinen Sinn ergeben. Zum Beispiel sollte die sogenannte "Stoff-Strom-Bilanz" zeigen, was an Nährstoffen in den Betrieb ein- und was ausfließt. Bei Kraftfutter und Milch ginge das. Aber wie soll er beurteilen, wie es sich mit dem Gras verhält, das die Kuh auf der Weide frisst?

Natürlich kann ich Annahmen darüber treffen, wie viel Gras die Kuh in einer Stunde frisst. Aber ist das Gras überall gleich hoch? Hat die Kuh viel Appetit? War es ein Gras an der Sonnenhalde? Wenn ich eine Statistik mache, die nur auf Annahmen basiert, ist sie wertlos.

Ein anderes Problem tat sich auf, als Familie Renz-Frick die Auslauffläche für ihre Rinder im Sinne von mehr Tierwohl erweitert hat. Mit der Begründung, dass durch Gülle und Mist auf offener Fläche Ammoniak entstehe, das schädlich für umliegende Naturschutzgebiete sei, musste ein Teil der Fläche wieder überdacht werden.

Das ist halt nicht zielführend. Da beißt sich die Katze in den Schwanz: Da steht Tierwohl gegen Artenschutz.

Milchvieh-Landwirt Frick-Renz in Wangen im Allgäu klagt über zu viel Bürokratie
Viele Stunden verbringt der Agrar-Ökonom und Bio-Landwirt Benedikt Frick in seinem Büro. "Die Bürokratie kostet zu viel Zeit".

Ein Landwirt muss an die 2.000 Gesetzesauflagen erfüllen, ein Handwerker dagegen "nur" 400, sagt der Landwirt. Dieses Bürokratie-Monster müsse gezähmt werden. "Das beste Gesetz ist kein Gesetz. Im Moment ist ein neues Biosphärengesetz geplant. Das hilft uns überhaupt nicht weiter. Was wir jetzt brauchen, ist: Abspecken, Entschlacken und das ernst meinen."

Das ist es, was sich die Landwirte am meisten wünschen beim Bürokratieabbau - echte Maßnahmen und nicht nur schöne Wort.

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