Wer in Baden-Württemberg seine Einkommenssteuererklärung einreicht, muss nach Angaben des Steuerzahlerbunds länger auf den Bescheid des Finanzamts warten als fast überall anderswo in Deutschland. Die durchschnittliche Wartezeit im Untersuchungszeitraum lag demnach bei 54 Tagen. Nur in Niedersachsen dauere es etwa genauso lang, weshalb sich beide Länder im bundesweiten Vergleich den letzten Platz teilen, heißt es vom Verband.
Umfrage: Berliner Finanzämter verschicken Bescheid am schnellsten
Während die Berliner Verwaltung in öffentlichen Debatten oft schlecht wegkommt, belegen die Finanzämter der Bundeshauptstadt in diesem Fall den ersten Platz: Hier dauere die Bearbeitung der Einkommenssteuererklärung im Schnitt 39 Tage, teilt der Steuerzahlerbund mit. In Hamburg seien es rund 42 Tage und in Thüringen etwa 43 Tage.
Auffällig sei, dass die meisten Bundesländer es geschafft hätten, die Bearbeitungsdauer auf Finanzämtern zu verkürzen, heißt es vom Verband. "So verkürzte sich die Wartezeit für die Steuerzahler in Brandenburg um 6,5 Tage und für jene in Bremen gar um 8,2 Tage", so der Steuerzahlerbund. Das dürfte nach seiner Einschätzung an einer Zunahme von "vollständig automationsgestützt bearbeiteten Erklärungen" liegen, also an einer automatisierten Bearbeitung durch Software der Finanzbehörden.
Dass andere Bundesländer teils schneller wurden als in der Vergangenheit, führte dazu, dass Baden-Württemberg mit seiner gleichbleibend langen Dauer von 54 Tagen vom vorletzten auf den letzten Platz abrutschte. Bei den Einkommenssteuererklärungen speziell von Angestellten, die im Vergleich zu denen von Selbstständigen relativ einfach zu bearbeiten sind, lag die durchschnittliche Bearbeitungszeit in Baden-Württemberg bei 51 Tagen und war damit ein Tag länger als im Vorjahr. Für Nordrhein-Westfalen lagen demnach keine genauen Angaben vor, dort wurde nur eine Zeitspanne ermittelt.
Kritik: Deutsches Steuerrecht ist zu kompliziert
Der Bund der Steuerzahler in Baden-Württemberg fordert, dass sich die Bearbeitungszeit verkürzt. Doch das Steuerrecht werde immer komplizierter. Stattdessen sei deshalb ein einfacheres Steuerrecht nötig, genauso wie ein verstärkter Einsatz von vollautomatisierter Bearbeitung durch Software.
Verband schlägt ausgefüllte Vorlage für Rentner vor
In den nächsten Jahren würden außerdem immer mehr Rentnerinnen und Rentner steuerpflichtig, was den Bearbeitungsaufwand in den Finanzämtern erhöhen werde. Am besten, so der Steuerzahlerbund, solle es für Rentnerinnen und Rentner bereits eine vorausgefüllte kurze Steuererklärung geben. Außerdem müsse das Onlineportal Elster insgesamt nutzerfreundlicher werden.
Finanzministerium: Gründlichkeit hat Priorität
Das baden-württembergische Finanzministerium verteidigt auf Nachfrage die vergleichsweise lange Bearbeitungszeit der Finanzämter im Land. "Für uns ist entscheidend, dass die Steuerbescheide gründlich und richtig bearbeitet werden. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit", teilte ein Behördensprecher mit. Über die Zahlen des Steuerzahlerbunds sagte er, die Bearbeitungszeiten stellten immer eine Momentaufnahme dar. Diese werde von zahlreichen Faktoren beeinflusst, die teilweise nur vorübergehend seien.