Geduld - die brauchen alle, die in Ulm ihre Lohnsteuererklärung abgeben. Denn von da an dauert es. Wie das Internetportal "Lohnsteuer-kompakt" herausgefunden hat, muss man nirgends in Baden-Württemberg im Schnitt so lange auf den Bescheid warten wie in Ulm. Das bestätigt auch das Finanzministerium im Land.
Aber was sagen die, die es betrifft? Eine Miniumfrage unter Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern vor dem Finanzamt dazu, dass ein Antrag auf Lohnsteuerausgleich schon mal über zwei Monate in Anspruch nehmen kann. Ein älterer Herr berichtet ganz entspannt: "Da lege ich keinen großen Wert drauf. Weil: Ich habe Zeit als Rentner." Ein anderer Steuerzahler reagiert ähnlich: Er sei nicht unzufrieden, zwei Monate Wartezeit seien für ihn okay. Ein wenig pikiert zeigt sich eine Steuerzahlerin: Sie warte seit Monaten auf ihren Grundsteuerbescheid.
Finanzamt Ulm ist Schlusslicht in Baden-Württemberg
Mit 68 Tagen Bearbeitungszeit für einen Lohnsteuer-Antrag benötigt Ulm doppelt so lang wie das schnellste Amt im Land: Sinsheim. Am anderen Ende - im Schneckenrennen fast gleichauf mit Ulm: das Finanzamt Baden-Baden - immerhin fünf Stunden schneller, so das Finanzministerium. Im Durchschnitt muss der Steuerzahler in Baden-Württemberg derzeit 54 Tage auf seinen Bescheid warten. Gleich lang wie ein Jahr zuvor.
Aber zurück zur Ausgangsfrage: Warum hat Ulm - zumindest derzeit - die "rote Laterne" inne? Vom Finanzamt Ulm - das auf die SWR-Anfrage erfreulicherweise innerhalb eines Tages antwortet - heißt es nur, dass man dazu nichts sagen wolle.
Grundsätzlich problematisch beim Finanzamt: Personalnot
Immerhin: Vom übergeordneten Finanzministerium kommen allgemeine Erklärungen, warum ein Finanzamt zumindest vorübergehend die Anträge nur langsamer abarbeiten kann als erhofft. In einem Schreiben heißt es: "So wirkt sich beispielsweise auf die Bearbeitungszeit aus, wenn mehrere Beschäftigte in Elternzeit sind oder verstärkt Beschäftigte in Pension gehen und neue Kolleginnen und Kollegen noch in der Einarbeitungszeit sind. Regionale Unterschiede ergeben sich auch durch Finanzämter mit besonderen Konstellationen, etwa in Grenznähe."
Finanzämter in Baden-Württemberg Fast zwei Monate: Kritik an langen Bearbeitungszeiten bei Steuererstattung in BW
In Baden-Württemberg müssen Bürger im Schnitt 54 Tage auf die Steuererstattung warten. Darauf weist der Bund der Steuerzahler hin. Viel zu lange - findet die Organisation.
Uwe Sikora vom Lohnsteuerhilfeverein "Steuerring" liefert weitere, grundsätzliche Erklärungsversuche: Verzögerungen entstünden wegen Personalnot, einem unterschiedlichen Stand bei der Digitalisierung und durch schwierigere Fälle am Ort. In Ulm gebe es viele Soldaten, deren Steuererklärungen seien komplexer. Dafür würden die Finanzbeamten mehr Zeit benötigen. Hinzu kommen Zusatzaufgaben wie Grundsteuererklärungen, Coronahilfen und die Energiepreispauschale. Dass Ulm derzeit besonders von diesen Dingen betroffen ist, konnte auch Sikora nicht bestätigen.
Steuerring reicht mehrere hundert Anträge pro Jahr ein
Der Lohnsteuerhilfeverein Steuerring - der drittgrößte in Deutschland - reicht beim Finanzamt Ulm mehrere hundert Einkommensteuererklärungen pro Jahr ein. Ronny Wollner betreibt das Büro nur wenige Schritte entfernt vom Finanzamtsgebäude in der Ulmer Innenstadt. Hier scheint sich ein gewisser Fatalismus auszubreiten. "Es wäre schön, wenn es schneller gehen würde, hinsichtlich auch dessen, dass ich nicht so viele Belege nachreichen muss", klagt Wollner. Aber: "Wenn es so ist, dann ist es halt so. Kann man nichts dran machen."
Diejenigen, die täglich mit dem Finanzamt zu tun haben, sind Steuerberater. Doch die gehen in Ulm in Deckung. Auf SWR-Anfrage bei drei verschiedenen Kanzleien kam jedes Mal die gleiche Antwort: Man wolle nicht genannt werden, nicht vor ein SWR-Mikrofon oder eine Kamera treten und auch anonym nichts dazu sagen. Sie befürchten Nachteile. Dass Erklärungen schwierig zu bekommen sind, zeigt auch die SWR-Anfrage in Sinsheim: Dazu werde man sich nicht äußern.
Lösungsvorschläge kommen vom "Bund der Steuerzahler": Die automatische Bearbeitung der Anträge durch Computer könne vorangetrieben werden. Außerdem könne Personal von einem Finanzamt in einem anderen Amt aushelfen, sagt Eike Möller vom "Bund der Steuerzahler".