Am 20. Juni ist Weltflüchtlingstag.

Zahl der Asylsuchenden verdoppelt

Weltflüchtlingstag 2023: Fragen und Antworten zu Geflüchteten, Asyl und Abschiebung in BW

Stand

Weltweit sind 110 Millionen Menschen auf der Flucht - sie fliehen vor Kriegen, Naturkatastrophen und humanitären Krisen. Immer mehr von Ihnen finden Zuflucht in Baden-Württemberg. Fakten aus BW zum Weltflüchtlingstag 2023.

Am Dienstag (20. Juni) ist Weltflüchtlingstag. Aktuell sind weltweit 110 Millionen Menschen - und damit so viele wie nie zuvor - auf der Flucht. Auch in Baden-Württemberg steigt die Zahl an Zuwanderungen: so kamen im vergangenen Jahr rund 28.000 Asylsuchende nach Baden-Württemberg, im Vorjahr 2021 waren es noch 14.000 Geflüchtete. Die Menschen in Baden-Württemberg sind angesichts der zunehmenden Zahl an Asylsuchenden im Land besorgt. Laut des aktuellen "BaWÜ-Checks", einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, ist jeder Dritte im Land "sehr besorgt" über die Entwicklung, 45 Prozent der Befragten machen sich "etwas Sorgen" und nur 18 Prozent der Befragten sind gänzlich unbeeindruckt.

Die aktuelle Debatte um das Asylsystem

Trotz der anhaltenden Kritik angesichts der stark steigenden Flüchtlingszahlen im Land sieht Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) seiner Landesregierung die Hände gebunden. "Wir sind sozusagen am Ende der Kette", sagte der Ministerpäsident bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Auch die bundesweite Flüchtlingspolitik der Ampel-Koalition erhielt zuletzt scharfe Kritik. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) stimmte einer EU-Einigung zu, laut der Asylverfahren in der EU deutlich verschärft werden sollen.

Ministerpräsident Kretschmann verteidigte die EU-Einigung in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" am 8. Juni. Laut Kretschmann sei der Kompromiss ein sehr guter Anfang, auch wenn es noch keinen echten Verteilmechanismus gebe. Für seine Aussagen in der Sendung erntete der Ministerpräsident viel Kritik.

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Wie viele geflüchtete Menschen leben aktuell in Baden-Württemberg?

Im Juni 2022 waren laut Justizministerium 121.000 Geflüchtete mit Aufenthaltstitel in Baden-Württemberg registriert. Für 2023 machte das Ministerium bisher keine Angabe. Insgesamt kamen im Jahr 2022 28.000 Asylsuchende nach Baden-Württemberg. Hinzu kommen noch Geflüchtete aus der Ukraine. Diese müssen keinen Asylantrag stellen.

Laut Justizministerium kamen im Januar, Februar, März und April 2023 insgesamt mehr als 17.000 Ukrainerinnen und Ukrainer nach Baden-Württemberg. Seit Ausbruch des Krieges im Februar 2022 flohen rund 165.000 Menschen aus der Ukraine nach Baden-Württemberg.

Wer gilt als Geflüchteter oder Flüchtling?

Als Flüchtlinge bezeichnet man umgangssprachlich alle Menschen, die vor Verfolgung, Krieg, Hunger, Naturkatastrophen oder aus anderen Gründen aus ihrem Heimatland fliehen. Die Begriffe Geflüchtete oder auch Schutzsuchende nutzen vor allem Hilfsorganisationen, um dem politisch aufgeladenen Flüchtlings-Begriff etwas entgegenzusetzen, der - so etwa das International Rescue Committee - "nicht die Komplexität von Fluchterfahrungen widerspiegelt". Im Detail ist es etwas komplizierter.

Wer politisch verfolgt wird, hat in Deutschland nach Paragraph 16a Grundgesetz das Recht auf Asyl. Wer nach Deutschland kommt und Asyl beantragt, wird registriert und erhält den Status eines Asylbewerbers. Dann läuft das Asylverfahren, in dessen Verlauf die politische Verfolgung nachgewiesen werden muss.

1951 hat die Bundesrepublik Deutschland außerdem die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet und damit Menschen Schutz zugesichert, die aus einem Kriegsgebiet fliehen. In der Flüchtlingskonvention ist definiert, wer ein Flüchtling ist und welche Rechte er oder sie hat. Kurz gesagt: Die Kriterien für den Flüchtlingsstatus sind etwas weniger streng als die für den Asylstatus.

SWR-Redakteurin Martina Meissner über die Entstehungsgeschichte der Genfer Flüchtlingskonvention:

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Wessen Asylverfahren erfolgreich ist, gilt als Asylberechtigter oder Asylberechtigte und erhält von der Ausländerbehörde eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis. Sie kann im Anschluss verlängert werden. Dasselbe gilt beim Flüchtlingsstatus. Frühestens nach drei Jahren kann unter bestimmten Voraussetzungen (Lebensunterhalt, Sprachkenntnisse) eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erteilt werden.

Daneben gibt es noch subsidiär Schutzberechtigte. Sie erhalten eine einjährige Aufenthaltserlaubnis, die jeweils für zwei weitere Jahre verlängert werden kann. Nach frühestens fünf Jahren kann ebenfalls eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erteilt werden. Als subsidiär schutzberechtigt können Geflüchtete gelten, die weder politische Verfolgung (Asylberechtigte) noch Flucht vor Krieg (Flüchtlingsstatus) nachweisen können. Und zwar dann, wenn ihnen in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (etwa Todesstrafe, Folter, willkürliche Gewalt) droht.

Wie subsidiär Schutzbedürftige werden außerdem Geflüchtete behandelt, für deren Herkunftsland ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt wurde. Das liegt vor, wenn dort deren Leben oder Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen der politischen Überzeugung bedroht ist.

Wer verfügt in BW über welchen Schutzstatus?

Laut Justizministerium waren im Juni 2022 rund 1.000 Personen als Asylberechtigte erfasst, etwa 60.000 Personen wurde der Flüchtlingsstatus zuerkannt. Rund 21.400 Personen waren subsidiär Schutzberechtigte und bei rund 14.800 Personen bestanden Abschiebungsverbote. Etwa 27.100 Personen befanden sich Stand Juni 2022 in einem laufenden Asylverfahren und hatten deshalb eine Aufenthaltsgestattung.

Woher stammen die meisten Geflüchteten in BW?

Neben Flüchtlingen aus der Ukraine stammen die meisten geflüchteten Menschen in Baden-Württemberg aus Syrien, der Türkei und Afghanistan. Diese Länderverteilung sei laut Justizministerium seit längerem stabil.

Haben Geflüchtete aus der Ukraine einen Sonderstatus?

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar sind weitaus mehr Menschen allein aus der Ukraine nach Baden-Württemberg geflohen, als im gesamten Jahr 2015 Flüchtlinge im Land ankamen.

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Nicht alle angekommenen Geflüchteten aus der Ukraine bleiben auch in Baden-Württemberg. Sie werden nach dem "Königsteiner Schlüssel" auf die Bundesländer verteilt. Demnach entfallen rund 13 Prozent der nach Deutschland geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer auf Baden-Württemberg. Bis Juni 2023 wurden in Deutschland über 1.069.729 Geflüchtete aus der Ukraine registriert.

Aktuell benötigen Schutzsuchende aus der Ukraine kein Visum, um in Deutschland einzureisen. Diese Ausnahmeregelung ist bis zum 4. März 2024 vereinbart. Ab der Einreise können Sie sich bis zu 90 Tage ohne Aufenthaltstitel in Deutschland aufhalten. Während dieser 90 Tage haben Geflüchtete aus der Ukraine die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Aufenthaltsgesetz zu stellen. Diese Vorschrift regelt speziell die Situation für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auf Grund des Beschlusses der EU. Bis eine Entscheidung gefällt wird, gilt der Titel "erlaubter Aufenthalt".

Wie viele Menschen leben aktuell in Erstaufnahmeeinrichtungen?

Laut Justizministerium gibt es rund 13.000 Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen in Baden-Württemberg. Diese seien trotz eines kurzzeitigen Rückgangs der Ankunftszahlen seit Jahresbeginn stark ausgelastet. Ukrainer und Ukrainerinnen wohnen so gut wie keine in den Erstaufnahmeeinrichtungen, teilte ein Sprecher des Justizministeriums mit. Sie können laut Ministerium sofort auf den freien Arbeits- und Wohnungsmarkt gehen. Aktuell prüft das Land weitere mögliche Standorte für Unterkünfte, etwa in Böblingen, Bruchsal, Ludwigsburg und Waldkirch.

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Wann kamen die meisten Schutzsuchenden nach Baden-Württemberg?

In den ersten fünf Monaten des Jahres 2023 kamen laut Justizministerium rund 11.300 Geflüchtete nach Baden-Württemberg. Im Jahresvergleich kamen Ende 2022 die meisten Geflüchteten nach Baden-Württemberg, allein im November waren es rund 4.200 Menschen. Das Jahr 2022 wurde vor allem durch den Ukraine-Krieg zum außerordentlichen Zuwanderungs-Jahr. Allein von Beginn des Krieges im November bis Juni 2022 kamen 111.000 Schutzsuchende aus der Ukraine nach Baden-Württemberg. Das sind mehr als im ganzen Jahr der "Flüchtlingskrise" 2015 zusammen.

Wie viele Abschiebungen aus Baden-Württemberg gab es zuletzt?

Laut Justizministerium gab es im Jahr 2022 rund 1.650 Rückführungen. In diesem Jahr seien bis Ende Mai 2023 bereits 721 Personen abgeschoben worden. In der Vergangenheit lag die Zahl der Abschiebung jeweils deutlich höher. So wurden 2019 aus Baden-Württemberg 2.648 Menschen abgeschoben. 2018 waren es 3.018 und 2017 gab es 3.450 Abschiebungen. Der Verein Flüchtlingsrat Baden-Württemberg setzt sich für die Rechte von Flüchtlingen ein und macht auf Abschiebungen aufmerksam. Der Flüchtlingsrat kritisierte Baden-Württemberg in der Vergangenheit wiederholt für die Abschiebung von Menschen, die teilweise jahrzehntelang in Deutschland gelebt hatten.

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