Ein Mann trägt zu Demonstrationszwecken eine elektronische Aufenthaltsüberwachung, bekannt als elektronische Fußfessel.

Überwachung von Straftätern

Elektronische Fußfessel in BW bisher fast 1.270 Mal eingesetzt

Stand

Ende Oktober entkam ein verurteilter Mörder bei einem bewachten Ausgang aus dem Gefängnis - trotz elektronischer Fußfessel. Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert eine Überprüfung.

Ein Häftling der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal (Kreis Karlsruhe) ist Ende Oktober bei einer bewachten "Ausführung" mit einer elektronischen Fußfessel geflohen. Der wegen Mordes verurteilte 43-Jährige knackte die Fußfessel wohl mit Hilfe eines Werkzeugs, er wird weiterhin europaweit gesucht. Das war laut dem baden-württembergischen Justizministerium ein Einzelfall.

Die Fußfessel im Justizvollzug

Seit Beginn der Umsetzung des Projekts Fußfessel im Justizvollzug in Baden-Württemberg im August 2019 gab es nach Auskunft des Justizministeriums bis einschließlich Oktober 2023 insgesamt 1.267 Einsätze mit einer solchen Fessel.

Laut dem Ministerium kam die Fußfessel im Vollzug im Jahr 2022 insgesamt 358 Mal zum Einsatz. Im Jahr 2023 kam es bisher zu 336 Einsätzen (Stand: 31. Oktober 2023). Im Justizvollzug wird die Fußfessel - auch elektronische Aufenthaltsüberwachung genannt - Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten bei sogenannten Ausführungen angelegt. Nach Ende des Ausgangs wird die elektronische Fußfessel wieder entfernt.

Baden-Württemberg

FDP fordert schärfere Vorgaben für Ausführungen Inhaftierter Mörder weiter auf der Flucht - Ministerin nennt weitere Details

Seit Tagen fahndet die Polizei nach einem entflohenen Mörder, der eigentlich in Bruchsal inhaftiert ist. Nun hat Justizministerin Gentges weitere Details bekanntgegeben.

Die Fußfessel nach Entlassung aus der Haft

Daneben ist in Baden-Württemberg im Rahmen der sogenannten Führungsaufsicht derzeit bei 15 Personen die Überwachung per elektronischer Fußfessel angeordnet. Darunter sind den Angaben zufolge 13 Personen, die wegen Sexual- und/oder Gewaltstraftaten verurteilt wurden. Zudem saßen drei Personen wegen Brandstiftungsdelikten in Haft. Bei der Führungsaufsicht geht es um eine Überwachung, die nicht freiheitsentziehend ist. Grund können eine ungünstige Sozialprognose oder zum Beispiel der Übergang in die Freiheit sein nach Haft oder einer Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik.

Zu Straftaten, bei denen die Führungsaufsicht vorgesehen ist, zählen laut dem Justizministerium besonders Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, staatsgefährdende Gewalttaten, Bildung terroristischer Vereinigungen, Straftaten gegen die persönliche Freiheit, Diebstahls- und Raubdelikte, Hehlerei- und Geldwäschedelikte, (Computer-)Betrug, verschiedene Gemeingefährliche Straftaten wie etwa Brandstiftungen und Straftaten im Zusammenhang mit Drogen.

Deutsche Polizeigewerkschaft sieht die Fußfessel kritisch

Nach Auskunft von Ralf Kusterer, dem Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), ist die Fußfessel kein Allheilmittel. "Fußfesseln, derer man sich einfach entledigen kann oder auf deren Wirkungsweise so eingewirkt werden kann, dass sie im Grunde genommen unwirksam sind, sind nutzlos. Es ist erforderlich, dass man den aktuellen Sachverhalt zum Anlass nimmt, um diese technische Überwachungsmöglichkeit zu überprüfen."

Seit langer Zeit schon sieht die DPolG die Fußfessel kritisch. "Das gilt sowohl für den begleiteten wie auch unbegleiteten Ausgang, wie auch sonstige Fälle. Zumal es mehr braucht als Fußfesseln für Straftäter mit schwerwiegenden Delikten. Immerhin kann ein Mensch auch eine Straftat mit Fußfessel in seinem erlaubten Umfeld begehen. Man muss sich verabschieden von dem Gedanken, dass man damit eine perfekte Sicherheit herstellen kann", sagte Kusterer. Das zeige die kürzliche Flucht. Niemand könne sich mehr auf eine Fußfessel verlassen. "Begleitungen sind lückenlos mit Personal zu überwachen. Ist das nicht möglich, muss auf den Ausgang verzichtet werden."

Baden-Württemberg

Justizministerin äußert sich im Landtag Flucht zweier Häftlinge: Pannen bei den Behörden?

Offenbar wurde nach einem der Männer erst einen Tag nach seiner Flucht auch europaweit gefahndet. Auch im anderen Fall gab es laut Justizministerin Gentges Regelverstöße.

SWR1 Baden-Württemberg SWR1 Baden-Württemberg

Fußfessel im Vollzug wird überprüft

Justizministerin Marion Gentges (CDU) kündigte an, prüfen zu wollen, ob die Ausführungen von Häftlingen künftig anders ausgestaltet werden müssten. Es müsse geprüft werden, ob man künftig nur noch einen Ort pro Ausflug besuche. Bislang werden die Ausflüge zudem laut Justizministerium teils mit den Familien der Häftlinge vorher abgestimmt. Auch das müsse man in Frage stellen, sagte Gentges. Auch müsse die Fußfessel möglicherweise anders ausgestattet werden, sagte Gentges kürzlich in einer Landtagssitzung. Dazu gehörten möglicherweise andere technische Möglichkeiten, um zu noch mehr Sicherheit zu kommen.

Video herunterladen (64,3 MB | MP4)

Welche Gefangenen tragen Fußfessel?

Geeignet sei die Fußfessel vor allem für Gefangene, die zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurden oder Untergebrachte, bei denen keine Eignung für weitergehende vollzugsöffnende Maßnahmen als Ausführungen bestehen. Des Weiteren kommt die Fußfessel laut dem Justizministerium vor allem bei Gefangenen in Betracht, die nicht an festgelegten Behandlungsmaßnahmen teilnehmen oder bei denen die Behandlung noch am Anfang steht. "Bei Ausführungen befinden sich die Gefangenen unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht durch Vollzugsbedienstete, die Fußfessel stellt hierbei ein lediglich zusätzliches Sicherungsmittel dar", sagte ein Ministeriumssprecher.

Mehr zu dem mit Fußfessel entflohenen Sträfling

Bruchsal, Germersheim

Entflohener Aleksandr Perepelenko JVA Bruchsal: Darum war der verurteilte Mörder in Germersheim in Rheinland-Pfalz

Der Mörder, der seit Tagen vor der Polizei auf der Flucht ist, verbüßt im Gefängnis in Bruchsal eigentlich eine lebenslange Haftstrafe. Der Anstaltsleiter hat nun mit dem SWR gesprochen.

SWR Aktuell Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz SWR Aktuell

Baden-Württemberg

FDP fordert schärfere Vorgaben für Ausführungen Inhaftierter Mörder weiter auf der Flucht - Ministerin nennt weitere Details

Seit Tagen fahndet die Polizei nach einem entflohenen Mörder, der eigentlich in Bruchsal inhaftiert ist. Nun hat Justizministerin Gentges weitere Details bekanntgegeben.

Baden-Württemberg

Begleitende Beamte waren wohl unbewaffnet Nach weiterer Flucht eines Strafgefangenen: BW-Justizministerium kündigt verschärfte Regeln an

Das Justizministerium in BW hat nach eigenen Angaben die Regelungen für Ausführungen von Häftlingen verschärft. Nach der erneuten Flucht eines Strafgefangenen hatte die Opposition Sicherheitslücken kritisiert.

SWR Aktuell Baden-Württemberg SWR BW

Stand
Autor/in
SWR

Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.