Eine Person hält am Bahngleich das Deutschlandticket hoch.

Mit Bus und Bahn durch den Sommer

Deutschlandticket für touristische Ziele in BW viel genutzt - manche Strecken am Limit

Stand
Autor/in
Niklas Feil

Das Deutschlandticket macht den Nahverkehr beliebter. Insbesondere auf Strecken zu Tourismuszielen in BW war im Sommer deutlich mehr los. Einige Bahnstrecken waren stark überlastet.

Seit der Einführung des Deutschlandtickets im Mai dieses Jahres nehmen immer mehr Menschen für Ausflüge und Urlaube in Baden-Württemberg den Zug. Das vielseitig einsetzbare Ticket bietet vielen Leute eine kostengünstige und attraktive Alternative zum Auto. Doch auf vielen Strecken im Land kam der Bahnverkehr auch an seine Grenzen - ein Überblick:

Nutzung des Deutschlandtickets steigt bundesweit weiter an

Dass das Deutschlandticket beliebt ist, zeigt eine bundesweite Umfrage des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Acht Prozent der Ticketkäuferinnen und -käufer gaben an, vorher nicht den ÖPNV genutzt zu haben. 42 Prozent der Befragten hatten demnach schon vorher ein ÖPNV-Abo. 47 Prozent fuhren zwar Bus und Bahn, allerdings ohne Abo.

Von den Menschen, die mit dem Deutschlandticket unterwegs waren, hätten nur 5 Prozent eigentlich das Auto genommen. Ein günstiges Ticket für die Öffentlichen reiche also nicht aus, damit die Menschen lieber mit dem Bus oder der Bahn fahren, so der VDV. Auch das Angebot vor Ort müsse attraktiv genug sein.

Insgesamt nutzen rund zehn Millionen Fahrgäste in Deutschland das Ticket jeweils im Juli und August. Eine ähnliche Beobachtung machte auch die Umfrage zum ARD-Themenschwerpunkt #besserbahnfahren:

Deutschlandticket in den Städten beliebter als auf dem Land

Die Ergebnisse des VDV verdeutlichen auch, dass das Ticket in Städten beliebter ist als auf dem Land - also dort, wo das ÖPNV-Angebot in der Regel umfangreicher ist. In den Metropolen und Großstädten besitzen 20 bis 30 Prozent der Befragten ein Deutschlandticket, in Kleinstädten und im dörflichen Raum dagegen nur sechs Prozent.

Deutschlandticket wird häufig nur vorübergehend genutzt

Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur teilte der VDV mit, dass von der flexiblen Möglichkeit der monatlichen Kündigung des Deutschlandtickets in allen Kundengruppen Gebrauch gemacht werde. So habe jeder zehnte Käufer sein Abonnement bereits einmal gekündigt. Bei Pendlerinnen und Pendlern etwa spiele vermutlich der Urlaub eine Rolle, wenn jemand das Abo kündige und nach wenigen Wochen ein neues Abo abschließe. Für andere Fahrgäste sei gerade der Urlaub in Deutschland ein Motiv, in dieser Zeit das Deutschlandticket für bundesweite Fahrten im Nah- und Regionalverkehr zu nutzen.

Für die Verkehrsunternehmen sei der Wechsel bei den Kundinnen und Kunden mit erheblichen Mehrkosten verbunden, weil dafür auch mehr Menschen in die Kundencenter kämen oder etwa auch telefonische Beratungen nutzten. "Jede Kündigung bedeutet Aufwand", betont der VDV.

Mehr los auf touristisch genutzten Strecken in BW

Das Bahnunternehmen SWEG hat in diesem Jahr auf den touristisch genutzten Strecken im SWEG-Netz Jahr eine verstärkte Nachfrage festgestellt. Darunter fallen die Schwarzwald-Strecken ins Renchtal, nach Ottenhöfen und Oberharmersbach (beide Ortenaukreis). Besonders die Europabahn von Offenburg über Kehl nach Straßburg wurde sehr stark genutzt. Ob der Grund dafür aber das Deutschlandticket sei, wisse man aber nicht.

Die Züge waren über die Sommermonate stärker ausgelastet als sonst, wie beispielsweise auf der Europabahn zwischen Offenburg über Kehl nach Straßburg. Dort soll es teilweise vorgekommen sein, dass trotz des Einsatzes zusätzlicher Züge an Wochenenden nicht alle Ausflüglerinnen und Ausflügler ihre Fahrräder hätten mitnehmen können.

Blick über den Bodensee von Meersburg aus.
Die Nachfrage nach dem Deutschlandticket sei groß, heißt es vom Verkehrsverbund Hegau-Bodensee (VHB).

Züge Richtung Bodensee teilweise stark überfüllt

Laut Verkehrsministerium Baden-Württemberg war der Bahnverkehr an den Bodensee zwar teilweise an der Kapazitätsgrenze unterwegs, aber in den seltensten Fällen mussten Fahrgäste stehen bleiben, sofern das Verkehrsunternehmen die geplante Kapazität erbracht hat. Das galt insbesondere für den IRE3 Basel-Friedrichshafen, wo es wegen Kapazitätsmängeln sehr regelmäßig zu Überfüllungen kam.

Auf den anderen Strecken rund um den Bodensee hätte sich die Angebotsausweitung seit 2021 bezahlt gemacht, so das Verkehrsministerium. Unter anderem sorgte die Taktverdoppelung auf der Südbahn und die Verdoppelung der Kapazitäten auf der Regionalbahn zwischen Lindau und Friedrichshafen für Entspannung.

David Weltzien, Chef von DB Regio in Baden-Württemberg, sagte in einem Interview mit der "Stuttgarter Zeitung", bei Einführung des Deutschlandtickets hätte man fast sieben Millionen Fahrgäste gehabt - knapp 20 Prozent mehr als im April. "Das hat sicherlich mit dem Deutschlandticket zu tun, aber natürlich nicht nur. Feiertage und schönes Wetter sorgen immer für eine höhere Nachfrage", so Weltzien.

Pro Bahn: "Kapazitätsprobleme auf manchen Strecken haben zugenommen"

Mit den steigenden Fahrgastzahlen hätten nach Angaben des Fahrgastverbands Pro Bahn aber auch die Kapazitätsprobleme auf manchen Strecken zugenommen. Speziell in der Ferienzeit hätte es viele Streckensperrungen wegen Baustellen, aber auch Ausfälle wegen Personalmangel oder fehlenden Fahrzeugen gegeben. "In den verbliebenen Zügen war es dann natürlich noch voller", kritisiert Joachim Barth, Vorsitzender des Landesverbands Pro Bahn Baden-Württemberg.

Ein weiteres häufig genanntes Ärgernis seien defekte Toiletten. "Anscheinend reichen die planmäßigen Wartungszyklen der Toilettenanlagen bei den gestiegenen Fahrgastzahlen nicht mehr aus", so Barth.

VCD: "Nicht in allen Landkreisen gibt es gutes ÖPNV-Angebot"

Der Landesverband des Verkehrsclubs Deutschlands (VCD) bestätigt den steigenden touristischen Verkehr zu Ausflugszielen im Land, sieht aber ebenfalls Kapazitätsprobleme, zum Beispiel auf der Strecke Stuttgart-Crailsheim-Nürnberg.

Andererseits gebe es ein deutliches Stadt-Land-Gefälle: "Nicht in allen Landkreisen steht im Busbereich ein gutes, vertaktetes Angebot auch am Abend und am Wochenende zur Verfügung, sodass die Kaufbereitschaft im ländlichen Bereich geringer als in der Stadt ist", sagt Matthias Lieb, Vorsitzender des VCD-Landesverbands, der sich für eine bessere Bahnanbindung einsetzt. Hier seien die Landkreise in Baden-Württemberg in der Pflicht, mit finanzieller Förderung durch das Land die Angebote zu verbessern, damit überall im Land ein verlässliches ÖPNV-Angebot bestehe. Ein weiteres Problem sei aktuell die teilweise unbefriedigende Qualität des Zugverkehrs in Form von Baustellen, Verspätungen, Zugausfällen aufgrund Personalmangel und Anschlussverlusten.

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