Ob auf Partys, bei Familienfeiern oder beim Ausgehen - Alkohol gehört in Deutschland meist dazu. Doch bei vielen Menschen führt der Weg in die Abhängigkeit: Im Jahr 2022 wurden 1.058.000 Männer und 467.000 Frauen in Deutschland mit Alkoholsucht ambulant oder stationär behandelt. Das zeigt eine Auswertung des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung. Die bundesweite Aktionswoche Alkohol, die noch bis zum 16. Juni geht, will auf Risiken und Folgen aufmerksam machen. Insbesondere geht es bei der diesjährigen Veranstaltung um die Auswirkungen des Alkoholkonsums auf Dritte.
Vor allem Kinder leiden, wenn ein oder beide Elternteile suchtkrank sind. In Deutschland kommt jedes fünfte Kind aus einer psychisch- und suchtbelasteten Familie. So wie der 16-jährige David aus Stuttgart. Seine Mutter griff immer häufiger zur Flasche, um ihre Sorgen zu vergessen. Sie trauerte damals um ihre verstorbene Mutter.
Keiner sollte von der Alkoholsucht erfahren
Davids Mutter trank heimlich. Abends, wenn sie alleine war und ihre beiden Kinder im Bett lagen. Zwar versuchte die Alleinerziehende den Alltag aufrecht zu erhalten. Wenn es ihr morgens nicht zu schlecht ging, stand sie auf, machte Tee und schickte David und die kleine Schwester in die Schule. Keiner sollte von der Alkoholsucht erfahren. Doch David merkte bald, das mit seiner Mutter etwas nicht stimmte. Als er klein war, so David, habe er das nicht so realisiert. Aber nach einer Weile seien die vielen leeren Sektflaschen in der Küche aufgefallen. Außerdem habe seine Mutter oft nicht mehr reagiert, wenn er sie angesprochen habe. "Dann habe ich gemerkt, okay, sie hat zu viel getrunken", erzählt David.
Bei Pro Kids in Stuttgart bekommen Kinder suchtkranker Eltern Hilfe
Heute kann er darüber sprechen. Dabei hilft ihm auch die Caritasberatungsstelle Pro Kids in Stuttgart. Dort treffen sich einmal in der Woche Jugendliche, deren Eltern suchtkrank sind. Seit drei Jahren ist auch David regelmäßig dabei.
Früher habe er alles mit sich ausgemacht. Er hatte das Gefühl, mit niemandem darüber reden zu können, auch nicht mit seinem besten Freund. Bei Pro Kids hätten die Kinder die gleichen oder ähnliche Probleme. So könne man über alles reden, ohne sich zu schämen, sagt David. Als seine Mutter noch trank, zog sich der damals 13-Jährige immer mehr zurück und konnte sich in der Schule nicht mehr konzentrieren. Er habe sich immer Gedanken gemacht, was mit seiner Mutter sei. "Man weiß halt nicht, was sie gerade macht und wie es ihr geht. Ob sie gerade trinkt und wo sie gerade ist. Und das macht einen so fertig."
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So sehr, dass bei David auch die Schule litt. Erst als sich seine Mutter ihre Alkoholsucht eingestand, mit ihm darüber redete und eine Therapie begann, ging es auch für David wieder bergauf. "Sie trinkt keinen Alkohol mehr", erzählt David. Zwar habe es nach dem Entzug einen Rückfall gegeben, aber seitdem halte sich seine Mutter von allen Gelegenheiten fern. Und dass sie jetzt offen mit dem Problem umgingen, macht David Hoffnung.