Meilensteine des Spracherwerbs – Babbeln von Geburt an
Studien zeigen, dass Babys die Stimme der Mutter bereits vor der Geburt von einer anderen unterscheiden können und auch sensibel für Rhythmus und Melodie der Muttersprache sind. Mit ungefähr fünf Monaten erkennen Säuglinge wiederkehrende Lautsequenzen und Betonungen. Kurz danach beginnen sie, die Bedeutung von Wörtern zu verstehen, die sie häufig hören. Mit ihrer Stimme experimentieren sie vom ersten Schrei an – und babbeln.
Durch das Babbeln scheint die Artikulation geübt zu werden: Was passiert, wenn ich den Mund in eine bestimmte Stellung bringe? Diese frühen Phasen sind sprachunabhängig, so Barbara Höhle. Sie ist Professorin für Sprachlinguistik an der Universität Potsdam und untersuchte mit ihrem Team, wie deutschlernende Kinder auf Töne reagieren, die im Deutschen nicht wichtig sind, in einer Sprache wie Mandarin aber schon. Das Babbeln, so Höhle, nähre sich in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres immer mehr der Zielsprache an. Mit neun Monaten wissen die Kinder, welche Laute – Vokale, Konsonanten und Lautkombinationen – in ihrer Sprache vorkommen.
Erste Worte im Alter von einem Jahr
Das erste Wort ist meistens "Mama" oder "Papa". Das ist naheliegend, denn Kinder sehen Mama und Papa besonders oft und hören die Wörter häufig von ihnen. Außerdem sind die Silben "ma" und "pa" sehr einfach zu formen und kommen schon in der Babbelphase vor. Und die Kinder lieben Wörter, in denen Wiederholungen vorkommen. Forscher konnten nachweisen, dass das Sprachzentrum im Gehirn viel stärker auf solche Wörter reagiert. Das macht "Mama" und "Papa" zu perfekten Kandidaten für das erste Wort.
Bis 18 Monate: Wortschatzerwerb durch Vokabelspurt
In der Phase der Ein-Wort-Äußerungen baut das Kind seinen Wortschatz aus. Zunächst geschieht das langsam, sie beherrschen etwas 50 Wörter. Dann aber beschleunigt sich der Wortschatzerwerb bis hin zum „Vokabelspurt“, so Barbara Höhle. Der setze ein, wenn die Kinder 16 bis 18 Monate alt sind.
Die Entwicklungspsychologin Steffi Sachse sagt, dass das nicht bei allen Kindern gleich abläuft. Sie lernen die Wörter eher gleichmäßig schnell; eine „Wortschatzexplosion“ setzt bei ihnen daher gar nicht ein.
Da die Entwicklung unterschiedlich verlaufen kann, ist es also nicht sinnvoll, genau festzulegen, was ein Kind bis zu welchem Alter können soll.
Erste vollständige Sätze ab zwei Jahren
Die Kinder können nun Wörter kombinieren und erste Mehrwort-Äußerungen produzieren: Turm bauen. In der nächsten Phase des Sprechenlernens, im Alter zwischen zwei und vier Jahren, werden die Geschichten, die die Kinder erzählen, verständlicher. Denn dann benutzten die Kinder das Verb in der richtigen Form und bilden vollständige Sätze. Die meisten Formen beherrschen die Kinder nun; mit unregelmäßigen Verben kann es aber noch Probleme geben.
Meilenstein ab dem dritten Lebensjahr: Nebensätze bilden
Wenn ein Kind Nebensätze bilden kann, ist das für die Linguistin Barbara Höhle das Zeichen dafür, dass es den fundamentalen Grammatikerwerb geschafft hat. Nebensätze wie etwas Wenn-Dann-Sätze bilden zu können, stellt einen weiteren Meilenstein des Spracherwerbs dar.
Wie entwickelt sich Humor bei Kindern?
1.900 Wörter – Wortschatz mit fünf Jahren
Im Alter von fünf Jahren kennen Kinder ungefähr 1.900 Wörter und können sie auch benutzen.
SWR 2020