Wir träumen nicht nur im REM-Schlaf
Während des Schlafes unterscheidet man verschiedene Phasen:
- Stadium 1: Einschlafphase
- Stadium 2: Leichtschlaf
- Stadium 3: Tiefschlaf
sowie den sogenannten
- REM-Schlaf
REM steht für „Rapid Eye Movement“, also „schnelle Augenbewegungen“. In dieser Schlafphase bewegen sich die Augäpfel schnell hin und her.
Lange dachte man, dass Menschen nur während des REM-Schlafs träumen, weil diese Phase meist kurz vor dem Aufwachen stattfindet. Aber wir träumen auch in den anderen Schlafphasen, nur erinnern wir uns meist nicht daran.
Neurowissenschaftler lässt Probanden von Gabeln träumen
Was geschieht beim Einschlafen? Der Neurowissenschaftler Adam Horowitz vom MIT Media Lab in Boston beschäftigt sich mit dieser Frage. Er hat ein Gerät gebaut, mit dem er Einschlafträume beeinflussen kann. In seinem ersten Experiment haben prompt alle sechs Versuchspersonen von dem Gegenstand geträumt, den er ihnen vorgegeben hat: Gabeln. Das Wort hatte sein Gerät ihnen eingeflüstert, als sie gerade dabei waren, einzuschlafen.
Horowitz’ Hypothese: Wir reagieren im Schlaf auf Anweisungen von außen
Adam Horowitz braucht dafür kein Schlaflabor. Seine Versuchspersonen schlafen einfach auf dem Sofa im Büro seiner Chefin. Er legt ihnen ein Armband und drei Fingerringe um. Damit misst er den Puls und Änderungen im Muskeltonus und der Hautleitfähigkeit. Die Sensoren wiederum sind mit Kabeln und per Bluetooth mit einer App auf einem Smartphone verbunden. Die App berechnet, wann der richtige Moment ist, um Träume einzuflüstern.
Die Daten der Sensoren genügen laut Horowitz, um neun verschiedene Einschlafstadien zu unterscheiden. Das wichtigste für ihn ist das so genannte Hori-Stadium: ein halbklarer Schlafzustand, in dem wir zu träumen beginnen, benannt nach dem japanischen Schlafforscher Tadao Hori.
Klartraum: Forschung erhofft sich Erkenntnisse von luziden Träumen
Noch rätseln Forscherinnen und Forscher, wieso wir Träume so schnell vergessen – sogar die morgendlichen Aufwachträume, die wir in einem Zustand träumen, in dem das Gehirn fast wach ist. Das ist ein Problem der Traumforschung: Sie ist abhängig von subjektiven und lückenhaften Berichten der Träumenden.
Die Schlafforschung hofft, mit luziden Träumen bessere Einblicke in Träume zu bekommen. Luzides Träumen oder auch klar träumen heißt, dass sich die Träumenden bewusst werden, dass sie träumen und den Traum schließlich bewusst beeinflussen können.
Matheaufgaben im Traum lösen
Ken Paller, Schlafforscher am Cognitive Neuroscience Lab an der Northwestern University in Illinois, USA, will dafür mit seinen Versuchspersonen im Schlaf kommunizieren. Wenn die Versuchspersonen einen luziden Traum haben, stellt Paller ihnen Fragen. Zum Beispiel Matheaufgaben: Was ist acht minus zwei? – Die Antwort kommt mit Augenbewegungen. Denn im REM-Schlaf ist der Körper blockiert, wir können uns nicht bewegen.
In der Tat konnte Ken Paller zeigen, dass wir im Schlaf nicht nur Dinge verarbeiten und darauf körperlich reagieren können, sondern dass man mit Träumenden auch kommunizieren kann: Seine Versuchspersonen beantworteten die Matheaufgaben signifikant häufig richtig. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten für die Traumforschung, findet er. Schließlich können wir auf diese Weise jede Ja-oder-nein-Frage beantworten.
Traumforschung kann die Idee von uns selbst verändern
Auch Adam Horowitz macht das Hoffnung: Man könnte Träume auf eine Art verändern, dass sie uns gut tun. Wenn erst einmal der Zusammenhang zwischen Träumen und unserem wachen Leben geklärt ist, wenn wir dank der Befragung von Träumenden während ihres Traums wirklich wissen, was sie träumen, so seine Idee – dann könnten wir anfangen, das alles zu optimieren. Horowitz ist überzeugt, dass die Traumforschung unsere Idee von uns selbst verändern wird. Schon heute haben Träume bereits eine neue Bezeichnung in der Forschung gefunden: Nachtgedanken.
SWR 2021