Baden-Württembergs Ministerpräsident muss 1978 zurücktreten

Die Filbinger-Affäre

Stand

Am 7.8.1978 tritt Hans Filbinger als Ministerpräsident von Baden-Württemberg zurück. Auslöser waren Enthüllungen über Todesurteile in seiner Zeit als Marinerichter.

Hans Filbinger wurde schon als möglicher Bundespräsident gehandelt. Doch damit war es dann abrupt vorbei. Der Schriftsteller Rolf Hochhuth brachte den Stein ins Rollen: "Hitlers Marinerichter", "ein furchtbarer Jurist", "auf freiem Fuß nur dank des Schweigens derer, die ihn kannten". So bezeichnete er den damals amtierenden Ministerpräsidenten Hans Filbinger. Der wehrte sich erst – und musste am Ende doch zurücktreten. Die Rundfunkbeiträge und Pressekonferenz-Mitschnitte von 1978 dokumentieren die Entwicklung.

Anfang der Affäre: Ein Roman von Rolf Hochhuth

Im Februar 1978 erschienen in einem Vorabdruck Auszüge eines neuen Romans des Schriftstellers Rolf Hochhuth (1931 - 2020), Titel "Eine Liebe in Deutschland". Darin bezeichnet Hochhuth den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger (1913 - 2007) als "Hitlers Marinerichter, der sogar noch in britischer Gefangenschaft nach Hitlers Tod einen deutschen Matrosen mit Nazi-Gesetzen verfolgt hat". Hochhuth nennt Filbinger einen "furchtbaren Juristen", der auf freiem Fuß sei "nur dank des Schweigens derer, die ihn kannten".

Der Schriftsteller Rolf Hochhuth (l) sitzt mit seinem Anwalt Heinrich Senfft (r) im Landgericht in Stuttgart vor der Urteilsverkündung am 13.7.1978
Der Schriftsteller Rolf Hochhuth (l) sitzt mit seinem Anwalt Heinrich Senfft (r) im Landgericht in Stuttgart vor der Urteilsverkündung am 13.7.1978

Wie es dann weiterging, zeigen die nachfolgenden Tondokumente.

Von Filbinger ist in dem Zusammenhang vor allem ein Satz in Erinnerung geblieben, mit dem er dem "Spiegel" gegenüber sein Handeln rechtfertigte:

"Was damals rechtens war, das kann heute nicht Unrecht sein."

Doch mit dieser Äußerung brachte er sich nur noch mehr in Schwierigkeiten.

Historische Aufnahmen

4.5.1978 Hans Filbinger äußert sich zu den Vorwürfen von Rolf Hochhuth

4.5.1978 | Im Februar 1978 erschienen in einem Vorabdruck Auszüge eines neuen Romans des Schriftstellers Rolf Hochhuth, Titel „Eine Liebe in Deutschland“. Darin bezeichnet Hochhuth den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger als „Hitlers Marinerichter, der sogar noch in britischer Gefangenschaft nach Hitlers Tod einen deutschen Matrosen mit Nazi-Gesetzen verfolgt hat“. Hochhuth nennt Filbinger einen furchtbaren Juristen, der auf freiem Fuß sei „nur dank des Schweigens derer, die ihn kannten“. Am 4. Mai 1978 legt Hochhuth zusammen mit der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ nach und präsentiert den Fall Walter Gröger: Ein Matrose der Kriegsmarine, den Filbinger im März 1945 wegen Fahnenflucht hinrichten ließ. Daraufhin äußert sich Filbinger selbst zum Fall und erklärt, er habe Rolf Hochhuth verklagen lassen. Die Vorwürfe selbst weist er zurück: Er habe praktisch keinen Spielraum gehabt, Fahnenflucht sei damals weltweit mit der Todesstrafe geahndet worden. Er habe dem Nationalismus in Wahrheit Widerstand geleistet, wo er konnte. Quelle: Hans-Georg Joepgen.

23.5.1978 Filbinger setzt sich vor Gericht gegen Hochhuth nur teilweise durch

23.5.1978 | Das Stuttgarter Landgericht entscheidet über die einstweilige Verfügung: Der Schriftsteller Rolf Hochhuth darf bestimmte Äußerungen über Hans Filbinger nicht mehr wiederholen – andere Sätze schon. Es bestätigt die Entscheidung später.

26.7.1978 Filbingers Parteifreunde gehen auf Distanz – Manfred Rommel noch nicht

26.7.1978 | Nachdem die Sendung "Panorama" weitere Todesurteile des Marinerichters Hans Filbinger aufgedeckt hat, gehen manche in CDU und CSU auf Distanz. Vor allem in Bayern und Hessen, wo Wahlen anstehen. Stuttgarts Oberbürgermeister Manfred Rommel zeigt sich dagegen solidarisch.

7.8.1978 Hans Filbingers Rücktritt – und die Stimmen der Bürger

7.8.1978 | Hans Filbinger gerät zunehmend unter Druck und verkündet auf einer Pressekonferenz seinen Rücktritt als Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Er sieht sich als Opfer einer Rufmordkampagne.

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SWR