Ein anstrengendes Album
Wenn „anstrengend“ das erste Wort ist, das Ihnen zu Nina Hagen einfällt, werden Sie sich durch ihr neues Werk „Unity“ bestätigt fühlen. Ungefähr auf dem Stressniveau des Stücks „Venusfliege“ bewegt sich das ganze Album.
Die erste Atempause gönnt uns die 67-jährige Diva erst, wenn sie uns bei Nummer zwölf mit der kleinen Gitarrenballade „Doesn’t Matter Now“ gemeinsam mit Bob Geldof, entlässt.
Nina Hagen, unangepasster Talkshow-Schreck
Nina Hagen ist das bundesdeutsche Maskottchen, das seit Jahrzehnten jeder Fernseh-Talkshow verlässlich die Behäbigkeit austreibt. Mit Gerede über Ufos und Engel lässt sie uns hin- und hergerissen zurück zwischen Faszination, Belustigung und Fremdscham.
Sie ist so wenig angepasst, dass sie Leute, die ihr nicht passen, auch vor der Kamera anschreit wie es hierzulande höchstens noch ein Klaus Kinski gewagt hat.
Die Godmother Of Punk bleibt sich im Alter treu
Den Ehrennamen „Godmother Of Punk“ hat sich Nina Hagen redlich verdient, seit sie aus der DDR kommend direkt in die Londoner Punkszene eingetaucht ist, noch bevor sie dann ein deutsches Fernsehpublikum das Fürchten wie das Staunen gelehrt hat.
Was aber kann eine Godmother Of Punk im Alter anderes werden, wenn sie sich treu bleibt, als eine schrille Tante, von der man noch nicht einmal mit hundertprozentiger Überzeugung sagen kann, sie habe das Herz auf dem rechten Fleck?
Die Single „Unity“ ist saucool
Beeindruckt hat Nina Hagen durchaus, als sie vor zwei Jahren, mit der Funk-Legende George Clinton, die Single „Unity“ veröffentlicht hat. Angekündigt als Solidaritätsadresse an die Black-Lives-Matter-Bewegung wurde der Song in den USA allerdings kaum wahrgenommen.
Warum auch? Nina Hagen weiß wohl kaum wovon sie hier singt, wenn sie Einigkeit in einer nicht näher definierten Community und positive „Vibrations“ beschwört. Trotzdem, musikalisch ist „Unity“ saucool, elegant und absolut tanzbar, der eindeutige Höhepunkt auf dem Album selben Namens.
Genausowenig stilsicher wie Nina Hagens Outfits
Zwölf Jahre ist es her, dass Nina Hagen ein längeres Werk veröffentlicht hat, das letzte bestand aus Coverversionen. Auch jetzt bedient sie sich an der amerikanischen Musikgeschichte, mit dem Arbeitersong „16 Tons“, dem alten Louis-Armstrong-Hit „Shadrack“, vermutlich Nina Hagens christlichem Glauben geschuldet, und einer deutschen Version von Dylans „Blowin’ In The Wind“.
„Unity“ ist musikalisch ein ähnlicher Stilmix wie die Outfits der Künstlerin, und genausowenig geschmackssicher. Man kann immerhin einmal mehr feststellen, dass das von Herbert Grönemeyer gegründete Label Grönland Records, bei dem „Unity“ erscheint, seinen Künstler*innen wirklich größte künstlerische Freiheit gibt.
Nina Hagen in ewigen Ehren
Am Ende ist „Unity“ wohl eine Art Bestandsaufnahme der Person Nina Hagen, ein exzentrischer Versuch, der Welt Liebe und etwas Kraft zu geben und Freiheit für alle zu beschwören. So wenig dieses Album Lust macht, es ein zweites Mal durchzuhören, ist es aber doch eine schöne Erinnerung an die Existenz unserer skurrilen Bundes-Tante Nina.
Die uns schon so lange begleitet, mit Auftritten die zwar anstrengend, aber immer auch aufregend sind. Und trotz ihres Hangs zu Esoterik und Ufo-Quatsch hat sie sich nicht vor den Karren der Querdenker spannen lassen.
Nina Hagen ist so wahnsinnig untypisch für dieses Land und seine Leute. Lasst sie uns trotz ihres, nein, aus Anlass ihres neuen Albums in Ehren halten.