Essgewohnheiten erklärt

Darum teilen wir Essen so ungern

Stand
Moderator/in
Veit Berthold
Veit Berthold
Onlinefassung
SWR1

Essen vom eigenen Teller zu teilen fällt vielen Menschen schwer. Aber warum? Ernährungssoziologin Dr. Pamela Kerschke-Risch hat unsere Essgewohnheiten wissenschaftlich untersucht.

SWR1: Mir fällt es wahnsinnig schwer, wenn ich einen Teller Essen vor mir stehen habe und dann zum Beispiel meine Frau darin herumfummelt. Warum ist das so?

Dr. Pamela Kerschke-Risch: Ja, das ist etwas typisch deutsches. Die Deutschen Teilen sehr ungern ihr Essen. Der Teller wird sozusagen als etwas eigenes angesehen und da haben andere nichts drauf verloren. Wenn das die eigene Frau ist oder der eigene Mann, der Partner oder die Partnerin, dann ist das meistens weniger schlimm.

Aber in Deutschland ist es so, dass Essen eigentlich immer auf einem Teller serviert wird, beziehungsweise man nimmt sich etwas. Häufig ist es so, dass wir in Deutschland eine Dreiteilung des Essens haben. Das heißt, wir haben Fleisch, dann dazu eine Salatbeilage oder Gemüse und dann eine sogenannte Sättigungsbeilage, sprich Kartoffeln, Nudeln oder Reis.

In anderen Ländern ist das anders. Da ist es üblich, dass zum Beispiel im Restaurant verschiedene Essen bestellt werden. Die werden dann in die Mitte des Tisches gestellt und jeder bedient sich. Da ist es nicht komisch oder eklig, wenn jemand sich dann von einer großen Platte etwas auf seinen eigenen kleinen Teller nimmt.

Gespräch Erforschen, wie die Welt isst – der kulinarische Ethnologe Daniel Kofahl

Man ist, was man isst – diesen altbekannten Sinnspruch nährt der Soziologe Daniel Kofahl mit wissenschaftlichen Fakten. Er hat intensiv Essgewohnheiten in Europa, aber auch in Südostasien erforscht.

SWR2 Tandem SWR2

SWR1: Im Urlaub habe ich damit auch keine Probleme, aber zu Hause denke ich immer: Leute, das ist mein Teller.

Kerschke-Risch: Das ist natürlich nicht unbedingt angeboren, sondern sozialisiert. Wenn wir auch in Deutschland in die Vergangenheit blicken, dann ist das gar nicht so unüblich, dass Menschen aus einem gemeinsamen großen Topf oder einer großen Schüssel gegessen haben.

Das ist nicht angeboren, sondern sozialisiert.

Im Mittelalter war es üblich, dass man mit dem Löffel in eine große Schüssel gegangen ist und daraus gegessen hat. In den nachfolgenden Jahrhunderten wurde dann der Adel vom Bürgertum nachgeahmt und man hat sich höfisch elegante Tischsitten angewöhnt.

SWR1: Was sagt es über einen Menschen aus, der sich heutzutage schwer damit tut, wenn ein anderer vielleicht auch mal was von diesem Teller probieren möchte?

Kerschke-Risch: Also das sagt erstmal nichts Negatives aus. Das ist einfach vielleicht auch unreflektiert, weil man das so gelernt hat als Kind und wenn man eben so sozialisiert worden ist: "Das ist Dein Teller, das isst du auf", dann ist das natürlich so in einem drin, dass man da auch vielfach gar nicht drüber nachdenkt.

Das Gespräch führte Veit Berthold.

Mehr zum Thema Essgewohnheiten

Gespräch Früh geprägt, ein Leben lang beibehalten - Unsere Essgewohnheiten

Der Ernährungssoziologe Simon Reitmeier hat untersucht, wie unsere Essgewohnheiten in der Kindheit geprägt werden.

SWR2 Tandem SWR2

Ausstellung Was unser Essverhalten über uns erzählt: Ausstellung im Museum Villa Rot

Das Museum Villa Rot in Burgrieden-Rot beschäftigt sich in einer überraschenden Ausstellung mit unserer Esskultur und unserem Konsumverhalten.

SWR Kultur am Mittag SWR Kultur

Gespräch Erforschen, wie die Welt isst – der kulinarische Ethnologe Daniel Kofahl

Man ist, was man isst – diesen altbekannten Sinnspruch nährt der Soziologe Daniel Kofahl mit wissenschaftlichen Fakten. Er hat intensiv Essgewohnheiten in Europa, aber auch in Südostasien erforscht.

SWR2 Tandem SWR2

SWR1 Ratgeber

Rheinland-Pfalz

Photovoltaik: Geprellte Kunden, Unseriöse Firmen Immer mehr Abzocke mit Solaranlagen auch in RLP

Betrug und Stümperei bei Solaranlagen: Immer mehr Hausbesitzer in Rheinland-Pfalz erstatten Anzeige - wegen nicht erbrachter Leistungen. Eine Recherche von REPORT MAINZ.

Jung bleiben Prof. Sven Voelpel: Machen Sie zum Beispiel Bonus-Fitness

Wer jung bleiben möchte, der kann selbst viel dafür tun. Das sagt Professor Sven Voelpel von der Jacobs-University in Bremen und Frank Jenschar hat sich mit ihm darüber unterhalten.

SWR1 Rheinland-Pfalz SWR1 Rheinland-Pfalz

SWR1 Interview

DGB-Ausbildungsreport Gewerkschaftsbund fordert mehr betriebliche Ausbildungsplätze

Zur Veröffentlichung des DGB-Ausbildungsreports haben wir mit der stellvertretenden Bundesvorsitzenden gesprochen, die sich für mehr betriebliche Ausbildungsplätze ausspricht.

SWR1 Rheinland-Pfalz SWR1 Rheinland-Pfalz

Foodwatch fordert Limo-Steuer Der Großteil der Getränke für Kinder ist überzuckert

Eine Studie von Foodwatch zeigt, dass 86 Prozent der Kinder-Getränke überzuckert sind. Die Organisation fordert nun eine Limo-Steuer und striktere Regeln zum Schutz der Kinder.

SWR1 Rheinland-Pfalz SWR1 Rheinland-Pfalz

Neurobiologe plädiert für bewussten Medienentzug Weniger Smartphone, mehr Raum im Kopf

Wir haben es den ganzen Tag in der Hand: das Smartphone. Warum das eine Reizüberflutung fürs Gehirn ist und wie wir zu neuen Gewohnheiten finden, erklärt Neurobiologe Martin Korte.

SWR1 Rheinland-Pfalz SWR1 Rheinland-Pfalz