Wir haben mit dem ehemaligen Außenminister von Luxemburg und EU-Kenner Jean Asselborn über die aktuelle Lage der EU und die drängendsten Aufgaben des Europäischen Parlaments gesprochen.
SWR1: Europa steht vor großen Herausforderungen Klimawandel, Krieg in Europa, Migration. Welche Bedeutung haben diese Europawahlen?
Jean Asselborn: Europawahlen sind immer wichtig. Seit 1979 haben wir direkte Wahlen. Ich kann mich gut erinnern, dass wir 2019 fast dasselbe Problem wie dieses Jahr hatten: Wie stellen wir es an, dass die Rechtsextremen, die eigentlich falschen Patrioten in Europa, gebremst werden? Das ist, glaube ich, auch heute das allerwichtigste Ziel. In Thüringen bei den Lokalwahlen wurde gezeigt, dass das möglich ist. Und das muss auch am 9. Juni so geschehen.
SWR1: Sie sind Sozialdemokrat. Reden wir mal über die rechtspopulistischen Parteien, die mehr Einfluss im Europaparlament wollen. Glauben Sie, dass sie Erfolg haben werden?
Asselborn: Ich glaube nicht, dass sie Erfolg haben werden in dem Sinne, dass sie das Europaparlament dominieren. Dass sie ein wenig stärker werden, das ist möglich. Jetzt vor der Wahl muss man klar sagen, dass diese Rechtsextremen Europa eigentlich brechen wollen. Sie sind nicht für Europa, sie sind gegen Europa.
Da, wo wir als demokratische Parteien sehr gut aufpassen müssen ist, dass es nach der Wahl nicht zu Allianzen mit diesen Parteien kommt. Da gibt es einige, die Sorgen haben – ich auch. (...) Sie haben es gesagt, ich bin Sozialdemokrat und die Sozialdemokratie wird das jedenfalls nicht mitmachen.
Ex-Außenminister von Luxemburg | 11.3.2024 Jean Asselborn: der "letzte Europäer" liebt klare Worte
Jean Asselborn war 19 Jahre lang Außenminister von Luxemburg. In SWR1 Leute findet er klare Worte zur Zukunft Europas, Russlands Überfall auf die Ukraine und den Streit in der EU.
SWR1: Können Sie verstehen, wenn sich Wählerinnen und Wähler abwenden und sagen, die EU, das ist alles zu langsam und zu bürokratisch.
Asselborn: Es ist nicht einfach, die Europäische Union zu verstehen. Auch wenn man 20 Jahre dabei war, hat man immer noch Probleme richtig zu wissen, wie es läuft. Aber wir sind einzigartig auf der ganzen Welt.
27 Länder, die sich so zusammengeschlossen haben, die eine Union bilden, die Kompetenzen abgegeben haben in die Europäische Union. Das ist etwas, was es nirgendwo gibt. (...) Es ist gar nicht alles schlecht dabei, wenn Sie wissen, es stehen zehn Länder an unserer Tür und wollen in die Europäische Union.
Das vollständige Interview können Sie sich im Audio oben anhören.
Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.