Schriftstellerin über ihr neues Buch "Altern"

Elke Heidenreich: "Du musst keine Angst vorm Altwerden haben"

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Michael Lueg
SWR1-Moderator Michael Lueg
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Schriftstellerin Elke Heidenreich befasst sich in ihrem neuen Buch "Altern" zum ersten Mal selbst mit dem Altwerden und stellt fest: Man muss gar keine Angst davor haben.

Elke Heidenreich ist Literaturkritikerin, Kabarettistin, Journalistin und inzwischen 81 Jahre alt. Eigentlich wollte sie sich mit 80 Jahren zu Ruhe setzen, doch es kam anders. Wie sie mit dem Altern umgeht, erzählt sie im SWR1 Interview.

Im Alter von 81 noch fit

SWR1: Du hattest doch gesagt, du arbeitest, bis du 80 bist, dann setzt du dich aufs Sofa und isst nur noch Schnapspralinen.

Elke Heidenreich: Letzteres habe ich gemacht. Ich sitze auf dem Sofa und esse Schnapspralinen, aber ich arbeite immer noch. Ich habe das mal so keck gesagt, aber ich habe nicht gewusst, wie fit ich mit 80 Jahren noch bin.

SWR1: Was ist denn für dich Alter? Wo fängt das an?

Heidenreich: Darüber habe ich jetzt zum ersten Mal nachgedacht, als ich dieses Buch darüber geschrieben hab. Ich merke natürlich, dass manche Sachen nachlassen. Also so ein paar Defizite: Kräfte lassen nach Augen, Ohren, was weiß ich.

Aber ich habe das nie so ganz ernst genommen, weil ich eben immer noch gearbeitet habe. Und jetzt habe ich darüber nachgedacht und merke, ja klar, einiges hat abgenommen. Aber ich sage dir, manches nimmt auch zu.

SWR1: Was nimmt zu?

Heidenreich: Gelassenheit und Trotz, man macht nicht mehr alles. Der Mut, Nein zu sagen und abzuwehren, sich zu wehren bei manchen Zumutungen wie Einladung oder so, zu denen man keine Lust hat und sich früher hingeschleppt hat. Man wird sehr auf sich selber fokussiert und tut nur noch, was einem guttut.

Keine Angst vor dem Altwerden

SWR1: Wie reagieren die Leser auf dein Buch?

Heidenreich: Ein Wahnsinn. Dieses Buch geht so durch die Decke, dass ich gedacht habe, was ist da los? Es kann ja nicht sein, dass Elke Heidenreich die Schriftstellerin ist, auf die die Welt gewartet hat.

Du musst keine Angst vorm Altwerden haben! Es ist ein schöner Zustand.

Dann habe ich es bei meinen Lesungen und bei Gesprächen nach und nach erfahren: Die Leute sind bedürftig dessen, dass ihnen mal jemand sagt, du musst keine Angst vor dem Altwerden haben! Es ist ein schöner Zustand. Es ist ein Geschenk. Wir haben das Leben gelebt. Wir haben alle Entscheidungen getroffen. Jetzt haben wir geschenkte Jahre, in denen wir nichts mehr beweisen müssen, genießt es. Der Tod findet euch sowieso.

SWR1: Altern ist nichts für Feiglinge, hat eine Hollywood-Diva mal gesagt, wenn man denkt natürlich automatisch an Krankheit und Verfall.

Heidenreich: Aber das ist ja gar nicht mehr so. Wir leben in einem Land mit prima medizinischer Versorgung, und wir sind anders alt geworden als unsere Eltern. Wir haben ein ganz anderes Leben in einem Land mit 70, 80 Jahren ohne Krieg, in einem demokratischen Land. Wir mussten nicht so kämpfen wie unsere Eltern unter den Nazis.

Wir werden anders alt. Die heutigen 80-Jährigen sind wie damals die 50-Jährigen. Meine Mutter war mit 50 fast schon alt – das ist nicht mehr so. Und deswegen müssen wir uns überlegen, was wir mit dieser Zeit anfangen, die wir geschenkt gekriegt haben. Dazusitzen und zu bereuen, was alles schiefgegangen ist, ist der falsche Ansatz, finde ich.

Elke Heidenreich: Zeit nutzen, die einem bleibt

SWR1: Also du hast Lust, 100 Jahre alt zu werden?

Heidenreich: Nein, in das gar nicht. Also wenn ich morgen sterben muss, bin ich auch einverstanden. Und wenn ich 100 werde, ich kann es ja nicht ändern. Ich mache nicht selber Schluss und ich zögere es nicht durch irgendwelche lebenserhaltenden Maßnahmen heraus.

Ich genieße einfach mein Leben. (...) Alles ab jetzt ist ein kostbares, wunderbares Geschenk.

Ich genieße einfach mein Leben jetzt so, wie es ist. Und ich weiß, mit über 80 bin ich angezählt. Der Pfeil, der mich trifft, fliegt schon. Er wird in der Todesstunde ankommen. Ich bin bereit. Alles ab jetzt ist für mich ein ganz kostbares, wunderbares Geschenk, ohne zu viel Mühe.

SWR1: Welche Rolle spielten das Thema Einsamkeit im Alter?

Heidenreich: Wenn das da ist, ist es ganz schlimm. Armut, Krankheit und Einsamkeit sind die großen Faktoren, die ein Alter ruinieren können. Man muss rechtzeitig einen Freundeskreis aufbauen, der dann auch noch da ist, wenn man alt ist.

Das sind dann in der Regel jüngere Leute, weil die eigenen Alten sterben natürlich auch weg, wie man selber. Man muss vorsorgen, rechtzeitig und wissen, das Alter kommt, und dann wird das Geld weniger. Und wenn man krank ist, ist es ganz hart. Das ist bitter, das weiß ich auch.

Das Gespräch führte SWR1 Moderator Michael Lueg.

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