Judoka Anna-Maria Wagner war in Tränen aufgelöst: "Mein Ziel war Gold, aber am Ende wollte ich nur noch mit einer Medaille nach Hause. Ich glaube, der fünfte Platz ist wohl der beschissenste, den man haben kann", sagte die 28-jährige Ravensburgerin im Interview mit dem ZDF. "Die Medaille war zweimal zum Greifen nah." Die zweimalige Weltmeisterin verlor ihren Bronze-Kampf in der Gewichtsklasse bis 78 Kilogramm gegen die Chinesin Ma Zhenzhao im Golden Score.
Wagners Gold-Traum war bereits nach der Halbfinal-Niederlage gegen die Weltranglistendritte und frühere Weltmeisterin Inbar Lanir aus Israel geplatzt. Doch im Kampf um Platz drei hatte Wagner sich erneut viel vorgenommen. Mit entschlossenem Gesicht stand Wagner vor dem kleinen Finale im Tunnel und beschwor: "Ich hol' die Medaille, ich zieh' das Ding durch, von Anfang bis zum Ende." Doch nachdem es in den ersten vier Minuten keine Wertung gegeben hatte, wurde Wagner nach zwölf Sekunden im Golden Score schwer von der Chinesin erwischt und landete auf dem Rücken. "Judo kann man manchmal hart sein. Aber sie hat mich sauber erwischt. Ich stand einfach eine Sekunde zu lang. Über die Wertung brauchen wir nicht streiten."
Wagner begann ihren Olympia-Wettkampf mit zwei Siegen
Wagner, die bei der Eröffnungsfeier gemeinsam mit Basketball-Star Dennis Schröder die deutsche Fahne getragen hatte, war mit großen Ambitionen nach Paris gereist. Drei Jahre nachdem sie in Tokio im Einzel und mit der Mannschaft jeweils Bronze geholt hatte, wollte sie diesmal Edelmetall. Eine weitere Chance hat sie in Frankreich noch im Mixed-Team-Event am Samstag.
Wagner setzte sich in der Champ-de-Mars-Arena erst gegen die für Guinea startende Leipzigerin Marie Branser, dann gegen die Japanerin Rika Takayama durch. Nach der Halbfinal-Niederlage gegen Lanir konnte sie aber auch im Bronze-Kampf nicht mehr zurückschlagen.
Die Eröffnungsfeier bleibt Wagners großes Olympia-Highlight
Die Eröffnungsfeier vergangenen Freitag war für Wagner ein erstes großes Highlight der Spiele. Als sie erfahren hatte, dass sie die deutsche Fahne tragen würde, war sie in Freudentränen ausgebrochen. Ein "tolles Erlebnis" sei das gewesen, sagte sie nach der großen Show auf der Seine. Sie habe die Atmosphäre sehr genossen.
Wagner gilt über ihren Sport hinaus als Vorbild. Neben ihren Erfolgen brachte ihr auch der offene Umgang mit ihren mentalen Problemen viel Respekt ein. Nach den Spielen in Tokio 2021 war sie in ein psychisches Loch gefallen, sowohl körperlich als auch geistig erschöpft gewesen. Corona erschwerte die Situation zusätzlich. Die Ausnahmeathletin dachte über ein vorzeitiges Karriereende nach.
Post-Olympia-Depression Karriere stand auf der Kippe: Jetzt kämpft Anna-Maria Wagner um eine Olympia-Medaille
Die deutsche Fahnenträgerin Anna-Maria Wagner geht in Paris als Medaillenkandidatin in den Judo-Wettkampf. Dabei wäre ihre Karriere fast schon beendet gewesen.
Wagner spricht offen über ihre Post-Olympia-Depression
Sie habe viel geweint und tagelang im Bett gelegen, berichtete Wagner in mehreren Interviews. Sie habe sich bewusst dazu entschieden, ihre post-olympische Depression öffentlich zu machen, erklärte sie. Das sei für sie ein Zeichen von Stärke. Familie, Freunde und ein Sportpsychologe halfen ihren aus dem Tal heraus, Wagner kämpfte sich auch in der Judo-Welt wieder ganz nach oben.
Mit dem Gewinn ihres zweiten WM-Titels löste Wagner, die in ihrer Gewichtsklasse national mit der starken Alina Böhm konkurriert, im Mai in Abu Dhabi spät das Olympia-Ticket. Nun verpasste sie es, ihre außergewöhnliche Reise der vergangenen Jahre mit einer weiteren Medaille in Paris zu krönen.