Ein Blick in die Liste der deutschen Fußball-Nationaltorhüter zeigt relativ schnell: An Torhütern aus dem Südwesten führte kaum ein Weg vorbei. Das begann schon direkt nach dem zweiten Weltkrieg. Beim Wunder von Bern stand Toni Turek zwischen den Pfosten, der zwar in Duisburg geboren wurde, aber zwischen 1947 und 1950 auch 65 Spiele für die TSG Ulm bestritten hatte. Er war der dominierende Torhüter seiner Zeit, aber zwischendurch kamen auch der Lauterer Karl Adam und Karl Bögelein vom VfB Stuttgart zu insgesamt vier Einsätzen. Beide waren mit ihren Klubs in den 1950er-Jahren auch Deutscher Meister.
Ähnlich ist es auch mit Wolfgang Fahrian. Der Ulmer wurde von Bundestrainer Sepp Herberger für die WM 1962 in Chile nominiert und verdrängte dann sogar Stammtorhüter Hans Tilkowski. Er kam in allen vier WM-Spielen zum Einsatz. Danach folgte die Ära der Nicht-Südwestler Sepp Maier und Toni Schumacher, in der kaum andere Torhüter zum Zug kamen. Das änderte sich erst wieder mit Eike Immel.
Eike Immel mit 19 Jahren jüngster Torhüter der DFB-Elf
Nach der Jahrtausendwende geborene Fußballfans werden Eike Immel möglicherweise mehr mit dem Dschungelcamp als mit der Nationalmannschaft in Verbindung bringen. Aber Immel war bei seinem Debüt am 11. Oktober 1980 mit 19 Jahren der jüngste Torhüter in der DFB-Elf. Zwischen 1986 und 1995 war er auch Stammkeeper beim VfB Stuttgart. 1988 bei der EM in Deutschland stand er durchgehend im Tor der Nationalmannschaft. Beim VfB folgte er auf Torhüter-Legende Helmut Roleder, der 347 Spiele für die Schwaben bestritt, aber nur einmal das DFB-Trikot überstreifen durfte. Das war 1984 in einem Testspiel gegen die damalige UdSSR.
Kahn wird zum Titan
Es dauerte bis zum 23. Juni 1995, ehe mit Oliver Kahn wieder ein Mann aus dem Südwesten zum Stammtorhüter beim DFB reifte. Da war der gebürtige Karlsruher bereits vom KSC zu Bayern München gewechselt. Im Laufe seiner 86 Einsätze für die Nationalmannschaft und 429 Spielen für Bayern München war er zum Titan gereift. Dass bei der WM 2006 Jens Lehmann an seiner Stelle das Vertrauen von Teamchef Jürgen Klinsmann bekam, war wohl die größte Niederlage von Kahn, dem Selbstzweifel ansonsten eher fremd waren. Immerhin, auch Lehmann war, obwohl eigentlich ein Kind des Ruhrgebiets, während seiner Nationalmannschaftskarriere zwischen 2008 und 2010 auch Torhüter beim VfB Stuttgart.
Hildebrand und Wiese ohne Einsätze bei EM und WM
Beim VfB Stuttgart reifte auch Timo Hildebrand zum Nationaltorhüter. Der gebürtige Wormser, der mit dem VfB 2007 Meister wurde, kam auf sieben Einsätze in der DFB-Elf. Er war im Kader bei der EM 2004 und der WM 2006, kam aber nicht zum Einsatz. Ähnlich erging es auch Tim Wiese bei der WM 2010 und der EM 2012. Der frühere FCK-Torhüter war zwar dabei, blieb aber auf der Bank. In den sechs Länderspielen seiner Karriere ging er nie als Sieger vom Platz. Sein Talent zeigte er später auch als Bodybuilder, Wrestler und Auto-Poser. Besonders gewurmt hat ihn offensichtlich, dass bei der WM 2010 ein gewisser Manuel Neuer an seiner Stelle zum Stammtorhüter wurde.
Weidenfeller und Leno nur Reservisten hinter Neuer
Dieser Manuel Neuer degradierte seine Konkurrenten auf der Torhüterposition jahrelang zu Reservisten. Der gebürtige Rheinland-Pfälzer Roman Weidenfeller, beim FCK groß geworden, durfte fünf Mal in seiner Karriere Manuel Neuer vertreten. Bernd Leno, geboren in Bietigheim-Bissingen, ein Eigengewächs des VfB Stuttgart, schaffte es immerhin neun Mal ins DFB-Tor. Zuletzt hatte er aber keine Lust mehr, als dritter Ersatzmann nur Statist zu sein und hat freiwillig auf Nominierungen verzichtet.
Alle aktuellen Nationaltorhüter aus dem Südwesten
Und damit sind wir bei den aktuellen drei Torhütern, die für den verletzten Marc-André ter Stegen zur Nationalmannschaft gehören, und alle drei sind, na klar, mit dem Südwesten in irgendeiner Form verbunden: Kevin Trapp stammt wie schon Weidenfeller und Wiese aus der Lauterer Gerry Ehrmann-Torwartschule. Alexander Nübel ist der aktuelle Torhüter des VfB Stuttgart und galt lange als Kronprinz von Manuel Neuer. Und mit Oliver Baumann schließt sich der Kreis. Bei seinem ersten Einsatz im Oktober vergangenen Jahres war er mit 34 Jahren der älteste Debütant im Tor der Nationalmannschaft.
Zentner und Atubolu in den Startlöchern
Der Kampf um den Platz im Tor der Nationalmannschaft ist aktuell von großer Konkurrenz geprägt. Noch weiß niemand, wann und in welcher Verfassung Marc-André ter Stegen nach seiner Knieverletzung zurückkommt. Oliver Baumann wäre beim WM-Turnier 2026 bereits 36 Jahre alt. Aber die Besetzung im Tor war für die meisten Bundestrainer ein Luxusproblem. Und mit dem Mainzer Robin Zentner sowie dem Freiburger Noah Atubolu drängen schon die nächsten Kandidaten ins Rampenlicht. Man muss es fast nicht erwähnen: Selbstverständlich kommen auch sie aus dem Südwesten.