My Home is my Tower: Wohnen im höchsten Tiny House

Stand
Ein Film von
Marina Schulz (Redaktion)
Oleg Kauz (Kamera)
Lukas Steinki (Kamera)
Daniele Guida (Ton)
Daniela Schramm Moura (Schnitt)
EIKON Media GmbH (im Auftrag des SWR)

Seit 27 Jahren ist Blanca Knodel die Türmerin des Blauen Turms in Bad Wimpfen. 1996 ist sie gemeinsam mit ihren drei Kindern als erste Frau in einen Turm gezogen.

Während die früheren Türmer die Glocke läuten und nach Feinden und Feuern Ausschau halten mussten, ist Blancas Aufgabe heute überschaubar: Sie lässt nur noch die Touristen auf den Turm hinauf. Ein Bewegungsmelder kündigt jeden Besuch an, am Wochenende und an Feiertagen oft im Sekundentakt. An ihrer „Mautstelle“ kassiert Blanca die Eintrittsgelder für den Turm.

Blanca ist Deutschlands einzige Türmerin

Blanca wohnt mietfrei und wird an den Einnahmen beteiligt. Reich wird sie damit nicht, aber sie liebt ihren Job: „Die ganze Welt kommt zu mir, ich freue mich immer mit den Leuten ins Gespräch zu kommen.“ Und wer die 134 Treppen bis zu Blanca geschafft hat, darf ab und an auch einen Blick in ihre Wohnung werfen. Stolz zeigt sie ihre 53 m² – quasi ein mittelalterliches Tiny House.

Als Familie in einer Ein-Zimmer-Wohnung

Blanca kommt aus einer der ältesten Familien in Bad Wimpfen. Der Blaue Turm bedeutet für sie Heimat und dort zu wohnen, war schon immer ein Lebenstraum. Als sich 1996 die Chance ergab, bewarb sich Blanca als Türmerin – auch ihre Kinder waren begeistert. Von einer Sechs-Zimmer Wohnung ist sie mit ihren Kindern in die Ein-Zimmer-Wohnung im Turm gezogen: Für sie und ihre Kinder – damals 8, 9 und 11 Jahre alt – eine echte Umstellung.

„Als ich hier eingezogen bin, war das nur ein großer, weißer Raum mit nackten Wänden“, erzählt sie. Aber Blanca ist erfinderisch – sie zieht Wände und Zwischenböden in ihr 800 Jahre altes Tiny House ein. Das Ergebnis: ein vier Quadratmeter großes Kinderzimmer für ihren Sohn und ein sechs Meter breites Stockbett für ihre beiden Töchter.

Deutschland wohl höchstes und ältestes Tiny House

Probleme wegen des Denkmalschutzes gab es bei den Umbauten nicht, denn lediglich der Turm ist geschützt – ihre Wohnung kann Blanca frei gestalten. „Alles war auf den Zentimeter genau geplant“, lacht sie. „Natürlich war es ab und an auch mal schwierig, vor allem in der Pubertät oder in den Wechseljahren, aber wir haben es alle überlebt. Wenn es sehr stressig war, bin ich einfach nach oben auf meinen Turm gestiegen und schon war alles halb so wild.“

Inzwischen sind vor allem die Einkäufe eine Herausforderung. Mit 72 Jahren wird das Treppensteigen für Blanca immer schwieriger. Häufig bittet sie Besucher um Hilfe. Die tragen ihr die Einkäufe bis in den dritten Stock, dort gibt es einen Lastenaufzug, der händisch mit einer Kurbel betrieben wird. „Ich versuche nicht mehr so oft nach unten zu gehen, mittlerweile nur noch zwei bis drei Mal pro Woche. Es geht eben alles langsamer.“

Kalte Winter und heiße Sommer: 800 Jahre alter Turm ist nicht isoliert

Und so ein altes Bauwerk hat auch seine Tücken: Unten sind die Turmmauern drei Meter dick, oben nur noch einen Meter. „Ein 800 Jahre altes Gebäude ist natürlich nicht isoliert, deshalb wird es im Winter oft sehr kalt und im Sommer richtig heiß im Turm.“ Heute wird im Turm mit Nachtspeicheröfen geheizt.

Und auch bei der Bausubstanz macht sich das Alter des Turms bemerkbar. 2017 musste Blanca ihren Turm verlassen und ins „Exil“ – der Turm hatte Risse und musste saniert werden. 2022, nach fünf langen Jahren, konnte sie endlich zu ihrem geliebten Turm zurückkehren. „Ich bin so glücklich, endlich wieder hier zu sein. Für mich ist das sehr besonders hier wohnen zu dürfen und so, als Türmerin, auch ein Stück Geschichte dieser Stadt zu sein.“

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