Virologe Christian Drosten

Schnelltests wohl weniger zuverlässig als angenommen – trotzdem "unverzichtbar"

Stand
Autor/in
Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.
Onlinefassung
Julia Otto

Antigen-Schnelltests erkennen die ersten Tage einer Infektion wohl weniger zuverlässig als gedacht. Der Virologe Christian Drosten hält sie trotzdem für ein wirksames Werkzeug. Eine Einschätzung von Anja Braun aus der SWR Wissenschaftsredaktion.

virologe christian drosten
Virologe Christian Drosten hat sich kritisch zu den Schnelltests geäußert.

Zuverlässigkeit von Antigen-Schnelltests

Ja, Christian Drosten hat sich im Podcast "Coronavirus Update" kritisch zu den Schnelltests geäußert. Aber er hat auch gesagt, und das ist ganz wichtig, dass sie trotzdem ein unverzichtbares Werkzeug zur Pandemiebekämpfung sind.

Antigen-Schnelltest
Virologe Christian Drosten hat sich kritisch zu den Schnelltests geäußert - sie sind nicht so aussagekräftig wie zunächst gedacht. Trotzdem sind Antigen-Schnelltests ein wichtiges und unverzichtbares Mittel zur Pandemiebekämpfung.

Schnelltests sind nach den Erfahrungen des Chefvirologen der Charité, Christian Drosten, nicht so aussagekräftig wie zunächst gedacht. Studiendaten dazu gibt es nicht, aber die praktischen Erfahrungen in den Diagnose-Laboren hätten gezeigt, das Schnelltests eine Infektion nur an fünf von acht Tagen entdecken würden. "Man sollte sich also klar machen, wir haben vielleicht so acht infektiöse Tage, davon liegen wahrscheinlich so zwei vor dem Tag des Symptombeginns. Und der Schnelltest schlägt wohl erst am Tag nach Symptombeginn wirklich an. Das heißt, fünf von acht infektiösen Tagen finde ich mit dem Antigentest. Drei von acht infektiösen Tagen werde ich übersehen", so Drosten im NDR-Podcast. Da aber PCR Tests eine deutlich längere Zeit brauchen, um ein Ergebnis zu zeigen, sollte nach Meinung von Drosten weiter unbedingt auf Schnelltests gesetzt werden. Trotz der Sensitivitätslücke am Anfang.

Häufiger am Arbeitsplatz testen

Die Testpflicht am Arbeitsplatz hält er für sinnvoll. Besser als ein Test pro Woche – wie jetzt vorgeschrieben – wären aber mindestens zwei Testungen pro Woche, um die Infizierten auch sicher herauszufischen. Außerdem sollten die Arbeitsumstände berücksichtigt werden: An bestimmten Arbeitsstätten wird körperlich gearbeitet, mehr geatmet. Das heißt, da besteht höhere Infektionsgefahr. Solche Faktoren sollte man bei der Frage, wie oft getestet werden sollte, bedenken. Ganz wichtig sei auch, auf das positive Ergebnis eines Schnelltests gleich zu reagieren und die Betroffenen in Quarantäne zu schicken, ohne erst das Ergebnis eines folgenden PCR-Tests abzuwarten.

testpflicht am arbeitsplatz
Die Testpflicht am Arbeitsplatz hält Virologe Christian Drosten sinnvoll. Besser als ein Test pro Woche wären aber mindestens zwei Testungen pro Woche.

Testpflicht an Schulen

Auch an Schulen hält der Virologe die Anwendung der Schnelltests für ganz wichtig! Und er ist froh darüber, dass Schülerinnen und Schüler künftig mindestens zweimal in der Woche getestet werden sollen. Denn selbst wenn dann bei einer Testung nicht alle Infektionen entdeckt werden, fallen sie bei der nächsten Testung nach zwei oder drei Tagen auf. So könnten Infektionen in einer größeren Schülergruppe rasch aufgedeckt werden. Dann könne man schnell mit Cluster-Quarantäne reagieren.

Erfahrungen aus England zeigen, dass das Testen an Schulen bis zu einer Inzidenz von 200 Sinn ergibt. Steigt sie deutlich über 200, dann wird man mit der Testung wahrscheinlich sowieso ständig positive Ergebnisse haben. Dann muss wahrscheinlich wieder geschlossen werden.

Schnelltests an Schulen
Auch an Schulen hält der Virologe die Anwendung der Schnelltests für ganz wichtig. Schülerinnen und Schüler werden künftig mindestens zweimal in der Woche getestet.

Antigen-Schnelltests bei Veranstaltungen

Für den Einlass bei Veranstaltungen dagegen hält Drosten Schnelltests nicht für sinnvoll. Er warnt, wenn der Schnelltest eine Infektion "übersieht", werde diese Person herumlaufen in der Annahme, dass sie nicht ansteckend ist – und könnte so andere infizieren. Das seien gerade bei einem Theater- oder Konzert-Besuch oder in Restaurants im Zweifel viele Menschen, die man nicht kennt und wo man später auch nicht mehr nachvollziehen kann, wohin sie das Virus weitertragen.

Deshalb sollte man die Schnelltests nicht als "Sesam öffne Dich"- Strategie sehen. Die Politik handle oft nach dem Motto: Jetzt kann alles öffnen, weil wir ja die Schnelltests haben. So einfach sei es nicht. Man müsse durchaus differenzieren, wo sie am besten eingesetzt werden.

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Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.
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