Länder, die früh auf Reisebeschränkungen gesetzt haben, hatten in der ersten Welle eine geringere Sterblichkeitsrate als jene, die erst spät oder gar nicht die Verbindungen nach China oder Italien kappten.
Grenzen schließen ist naiv, das Virus wird trotzdem kommen – so lautete lange Zeit die politische Annahme, die die WHO, die EU, Deutschland und andere Ländern bis Mitte März wie ein Mantra wiederholten. Erst dann führten sie Reisebeschränkungen ein. Doch es gibt Staaten, die schon früh Reisebeschränkungen vor allem für Menschen aus China und Italien erlassen haben.
Geringere Sterblichkeitsrate durch frühere Reisebeschränkungen
Der Direktor des Wissenschaftszentrums Berlin, Ruud Koopmans, hat nun untersucht, welchen Einfluss Reisebeschränkungen auf die Ausbreitung des Coronavirus haben. Genauer gesagt hat er anhand von Daten aus 181 Ländern erforscht, wie internationale Reisebeschränkungen und Covid-19-Sterblichkeitsraten zusammenhängen.
Sein Fazit ist, dass frühzeitige Reisebeschränkungen eine sehr wirksame Maßnahme sind, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen und die durch Covid-19 verursachten Todesfälle niedrig zu halten. Länder, die bereits im Februar oder Anfang März Einreisebeschränkungen verhängten, hatten bis zur Jahresmitte deutlich weniger Corona-Tote zu beklagen.
Tourismus verbreitet auch Viren
Für die Studie hat Koopmans soziologische Theorien der Netzwerkdiffusion auf die Verbreitung von Covid-19 angewandt. Demnach ist es sehr wichtig, schwache Verbindungen - im Coronafall sind das Reisen ins Ausland – zu kappen, um die Verbreitung des Virus aufzuhalten. Länder, die das früh gemacht haben, hatten die niedrigsten Covid-19 Todeszahlen.
Insgesamt ist es so, dass Länder, die viele internationale Reisende anziehen, wie Frankreich, Italien und die USA – deutlich mehr Todesfälle in Folge von Covid-19 hatten. Länder mit weniger internationalem Tourismus oder Inselstaaten haben wesentlich niedrigere Sterblichkeitsraten.
Geringere Sterblichkeit durch frühe Reaktion auf Pandemie
Dabei ist die Wirkung von Einreiseverboten oder Quarantänevorschrift für Einreisende umso besser, je früher ein Land reagierte. Wichtig war, dass Reisebeschränkungen zu einem Zeitpunkt verhängt wurden, als die lokale Verbreitung des Virus noch überschaubar war.
Das sieht man deutlich beim Vergleich der Länder, die bis Anfang März Reisebeschränkungen einführten, mit denen, die das erst ab Mitte März oder gar nicht taten. Die Sterblichkeit lag bei denen, die früh reagierten, um geschätzt 62 Prozent niedriger ist als in der zweiten Gruppe mit den Ländern, die erst spät Reisebeschränkungen einführten.
Früh reagierten zum Beispiel Australien, Israel und Tschechien. Spät reagierten etwa Großbritannien, Frankreich und Brasilien. Deutschland steht so im Mittelfeld - reagierte auch eher spät.
Am besten wirkten Reisebeschränkungen, wenn die Länder sie einführten, bevor in einem Land der zehnte Todesfall durch Covid-19 erreicht wurde. Wenn die Pandemie lokal also noch übersichtlich schien.
Reisebeschränkungen könnten bevorstehende Corona-Wellen eindämmen
Der Soziologe warnt, dass viele Länder diese Maßnahme zur Einschränkung von weit entfernten Kontakten bisher stark unterschätzen würden. Gerade Länder, die aufgrund ihrer zentralen Bedeutung in Flugliniennetzen und hohen Touristenströmen viele internationale Reisende hätten, sollten sich bewusst sein, dass sie ein sehr hohes Risiko für frühzeitige und vielfache Virusausbreitung aus pandemischen Quellregionen haben.
Koopmans fordert daher, Reisebeschränkungen sollten wichtiger genommen werden. Sie seien auch sinnvoll zur Eindämmung bevorstehender Wellen der aktuellen Pandemie.
Verpflichtende Quarantäne wirksamer als Einreiseverbote
Wichtig auch: Die Studie liefert Hinweise darauf, dass verpflichtende Quarantäne für Einreisende mehr Wirkung hatte als Einreiseverbote. Der Grund dafür ist vermutlich, dass es bei Einreiseverboten oft Ausnahmen für bestimmte Personengruppen gibt. Quarantänemaßnahmen galten dagegen in der Regel für alle Einreisenden.
Und die Studie zeigt auch, dass gezielte Reisebeschränkungen (hier gemessen an Einreiseverboten und Quarantänen für Reisende aus China und Italien) effizienter waren als Beschränkungen, die auf alle ausländischen Länder abzielten.