Das krisengeplagte Raumschiff Starliner ist nach jahrelangen Verzögerungen am 5. Juni 2024 erstmals zu einem bemannten Testflug zur Internationalen Raumstation ISS aufgebrochen. Das Raumschiffe startete mit den NASA-Astronauten Barry Wilmore und Suni Williams an Bord vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida mit Hilfe einer «Atlas V»-Rakete. Wegen verschiedener technischer Probleme an Raumschiff und Rakete war der Start bereits mehrfach verschoben worden.
Glosse: Aus Starliner wird Stayliner
Erste Startversuche des Starliners von Pannen begleitet
Beim Erstflug ohne Besatzung im Dezember 2019 verhinderten Probleme mit der Bord-Software, dass der Starliner überhaupt sein Ziel, die Internationale Raumstation ISS, erreichen konnte. Knapp eineinhalb Jahre später wurde der zweite Versuch die ISS zu erreichen sogar noch vor dem Start abgebrochen. In der feuchten Luft Floridas waren Ventile in den Treibstoffleitungen des Raumschiffs korrodiert und klemmten.
Erst im dritten Anlauf erreichte der Starliner im Mai 2022 die ISS. Aber noch ohne Besatzung. Der Erstflug mit Personal an Bord war schon fast terminiert – dann aber wieder Monate Verzögerung: Das Glasfaser-Tape, mit dem elektrische Leitungen im Starliner zu Bündeln zusammengeklebt wurden, hatte sich als brennbar erwiesen – in den Datenbanken der Raumfahrtingenieure war das nicht eindeutig vermerkt.
Sie hatten das Tape guten Gewissens kilometerweise in der Kapsel verklebt, jetzt musste es wieder raus. Und die Halterungen der Fallschirme mussten auch noch verstärkt werden, um eine Rückkehr auch dann gefahrlos überstehen zu können, wenn sich nur zwei statt drei Fallschirme öffnen sollten.
Starliner sollte zum ersten Mal mit Besatzung starten - mit rund sieben Jahren Verzögerung
Nach all diesen Verzögerungen ist Boeings Starliner nun zum ersten Mal mit Besatzung gestartet, mit insgesamt sieben Jahren Verspätung gegenüber dem ursprünglichen Projektplan. Gelingt dieser Flug ohne größere Probleme, dann besäße Boeing neben SpaceX als zweites Unternehmen die Lizenz für den Transport von Raumfahrtpersonal zur ISS - mit geschätzt 50 bis 60 Millionen Dollar pro Passagier ein einträgliches Geschäft.
Entwicklungskosten des Starliners höher als geplant
Doch ob Boeing mit diesen beeindruckenden Ticketpreisen jemals Gewinn mit dem Starliner einfahren wird, ist offen. Die NASA hat für die Entwicklung des Starliners mit Boeing einen Festpreis von fünf Milliarden Dollar vereinbart – durch die vielen Pannen und Verzögerungen sind bei Boeing aber mehr als sechs Milliarden Dollar Kosten aufgelaufen. Für die NASA stand trotz aller Schwierigkeiten ein Abbruch des Projekts nie zur Diskussion.
Sie hat ihr kommerzielles Raumschiffprogramm vor mehr als zehn Jahren gestartet, um eines Tages nicht mehr nur auf einen Raumschifftypen von einem Hersteller angewiesen zu sein. Obwohl SpaceX bislang zuverlässig im halbjährlichen Takt neue Besatzungen zur ISS bringt, wäre aus Sicht der NASA eine Aufteilung dieses Geschäfts auf zwei Unternehmen sinnvoll.
Zu frisch sind noch die Erinnerungen an jene Jahre, in denen die USA, wegen der nicht nutzbaren Shuttle, gar keine eigenen Raumschiffe für den Transport von Männern und Frauen zur ISS hatten und sich entsprechende Fluggelegenheiten bei der russischen Raumfahrtbehörde einkaufen musste.