Woche der Wiederbelebung

Reanimationsregister - bessere Versorgung im Notfall rettet Leben

Stand
Autor/in
Frank Wittig
Frank Wittig, Reporter für SWR Wissen aktuell
Onlinefassung
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.
Lilly Zerbst
Portraitbild der Reporterin Lilly Zerbst.

Ein an der Uniklinik Heidelberg entwickeltes Reanimationsregister soll dazu beitragen, die medizinische Versorgung im Notfall zu verbessern und damit Leben zu retten.

Jedes Jahr haben in Deutschland mehr als 60.000 Menschen einen Herzstillstand. Nur zwei bis acht Prozent der Opfer überleben. Viele Infarktopfer sterben, obwohl sie zunächst wiederbelebt wurden. Im internationalen Vergleich ist das ein schlechter Wert. Das liegt vor allem an der schlechten Ersthelfer-Kultur hierzulande.

Aber auch die Notfallmedizin will hier besser werden. Dazu hat Michael Preusch an der Uniklinik in Heidelberg ein Reanimationsregister eingerichtet, um medizinische Daten rund um den Notfall zu sammeln und systematisch auszuwerten. Dadurch soll auch hierzulande die Versorgung nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand verbessert werden.

Reanimationsregister sammelt Daten für eine bessere Versorgung nach Herz-Kreislauf-Stillstand

Was sind die Gründe für die schlechte Überlebensrate nach einem Herzstillstand in Deutschland? Der Kardiologe Michael Preusch will Antworten auf diese Frage finden. Er hat ein Register für reanimierte Patienten eingerichtet:

„In dem Register sammeln wir viele Daten rund um den Herz-Kreislauf-Stillstand. Wir entnehmen praktisch Labor-Blut und natürlich die Basis-Parameter, die wir über den Rettungsdienst erhalten. Das ist vom EKG über den Blutdruck bis zu diversen anderen Parametern der Laboruntersuchungen. Ziel ist es, mit diesen Daten eine Verbesserung der Versorgung zu erreichen, individualisiert auf den Patienten.“

ARD Story und SWR Themenschwerpunkt „Notfall Rettung – Wenn die Hilfe versagt“

ARD Story und SWR Themenschwerpunkt zur Notfallversorgung in Deutschland / am 16. und 17. Juli 2024 im Ersten, in der ARD Mediathek, im SWR und auf SWR.de

Ursache des Herzstillstands dank Blutentnahme für das Reanimationsregister bekannt

Daniel S. erlitt einen Herzstillstand. Er hatte Glück im Unglück. Passanten entdeckten den 31-jährigen Monteur aus der Nähe von Landau zusammengesunken in seinem Auto. Sie erkannten die Gefahr und leisteten erste Hilfe. Nach der Aufnahme im Krankenhaus wurde auch er in das Reanimationsregister aufgenommen.

Beim Patienten Daniel S. wurde durch die regelmäßige Blutabnahme für das Reanimationsregister auch die Ursache für seinen Herzstillstand gefunden.
Beim Patienten Daniel S. wurde durch die regelmäßige Blutabnahme für das Reanimationsregister auch die Ursache für seinen Herzstillstand gefunden.

Bei Daniel S. wurden dafür regelmäßig Blutproben genommen. Sie enthalten tausende Moleküle, die als Biomarker Auskunft über den Zustand der reanimierten Patienten geben. Bei Daniel S. konnte so auch der Grund für seinen Herzstillstand ermittelt werden. Sein Herzmuskel war entzündet.

Biomarker werden in der Medizin immer wichtiger. Mit ihnen lassen sich die Erfolge verschiedener Behandlungsstrategien überprüfen. Ein Schlüssel für die Verbesserung der medizinischen Versorgung der Herz-Patienten.

Reanimationsregister - ein Schatz für die künftige Wissenschaft

Doch im Heidelberger Reanimationsregister erfüllen die Blutproben der Patienten noch einen weiteren wichtigen Zweck:
2.400 Proben von mehr als 600 Patienten sind bisher in einer Kältekammer eingelagert - ein Schatz für zukünftige Wissenschaft.

Dr. Michael Preusch: „Dieses Archiv ermöglicht uns, auf spezifische Fragestellungen einzugehen. Also wenn wir neue Biomarker suchen, neue Hypothesen gibt, können wir auf diesen Schatz zurückgreifen und können in kürzester Zeit über bestimmte labortechnische Analysemethoden nach bestimmten Proteinen suchen, die im Zusammenhang mit Mortalität, also Sterblichkeit stehen.“

Auch regelmäßige Blutabnahmen gehören zur Aufnahme ins Reanimationsregister. Die resultierende Blut-Datenbank ist ein " Schatz für die künftige Wissenschaft".
Auch regelmäßige Blutabnahmen gehören zur Aufnahme ins Reanimationsregister. Die resultierende Blut-Datenbank ist ein " Schatz für die künftige Wissenschaft".

Künstliche Intelligenz hilft bei Auswertung des Reanimationsregisters

62 Parameter hat das Register für jeden Patienten. Biomarker, Alter und Geschlecht, Vorerkrankungen, Alkohol- und Zigarettenkonsum. Künstliche Intelligenz soll in diesem Datenberg Muster für eine bessere Behandlung der Patienten finden.

Scheu vor der Wiederbelebung von Patienten müsste überwunden werden

Die Reanimierten landen im Schockraum der Heidelberger Herzmedizin. Viele von ihnen haben schlechte Chancen, weil in Deutschland die Bereitschaft zur Nothilfe schwach ausgebildet ist.

Vor allem die Mund-zu-Mund-Beatmung schreckt Laien ab. Doch hier hat sich in den letzten Jahren einiges geändert, sagt Norbert Frey, ärztlicher Direktor der Heidelberger Herzmedizin:

„Also dieses Gefühl, dass man diese Scheu, einen Patienten zu beatmen, (...) hat was mit Ekel zu tun, mal vielleicht auch Sorge, dass man sich an irgendwas infiziert. Und deswegen wollen wir diese Schwelle senken. Und wir sind der Meinung, es reicht erst einmal, nur eine Herzdruckmassage durchzuführen.“

Erste Hilfe rettet Leben. Der Kardiologe  Michael Preusch zeigt, wie im Notfall eine Herzdruckmassage durchgeführt wird.
Erste Hilfe rettet Leben. Der Kardiologe Michael Preusch zeigt, wie im Notfall eine Herzdruckmassage durchgeführt wird.

Michael Preusch, Kardiologe an der Uniklinik Heidelberg, erklärt, wie die Herzdruckmassage funktioniert: "Das ist sehr einfach, kinderleicht: Mitte Brustbein. Sie setzen den Handballen auf die andere Hand drüber. Und dann drücken Sie mit voller Kraft fünf, sechs Zentimeter tief den Brustkorb nach unten eins, zwei, drei, vier, fünf. Und das machen Sie durchgehend, bis der Rettungsdienst kommt.“

Sie können bei der Herz-Lungen-Wiederbelebung nichts falsch machen. Sie machen etwas falsch, wenn Sie nichts tun.

Wiederbelebung im Notfall Erste Hilfe: Darauf kommt es im Ernstfall an

Im Notfall zählt jede Sekunde, doch viele zögern, Erste Hilfe zu leisten. Eine Erste Hilfe-Expertin erklärt, was wirklich wichtig ist, um sicher zu handeln und Leben zu retten.

Guten Morgen RLP SWR1 Rheinland-Pfalz

Reanimation rettet Leben

Erste Hilfe hat Daniel S. das Leben gerettet. Heute kann er das Krankenhaus verlassen. Zur Sicherheit soll er für drei Monate eine medizinische Weste tragen. Sie überwacht sein Herz und gibt im Notfall selbständig einen Behandlungsschock.

„Ich fühl mich jetzt viel beruhigter, wenn ich nach Hause gehe. Weil ohne die Weste hätte ich ein Unbehagen“, sagt Daniel S. Seine Daten sind jetzt Bestandteil des Reanimationsregisters. Und wenn es nach ihm geht, sollen das auch die einzigen Daten von ihm dort bleiben.