Jung, weiblich, Ausländerin - und hochqualifiziert. Maha Badri hat in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik studiert. Die junge Tunesierin ist eine Spitzenkraft, Abschluss: 1,0. Sie gehört genau zu denjenigen Wissenschaftler*innen, die in unserem Land so dringend benötigt werden.
Aber: "Ohne Arbeitsvertrag bekommen Sie keinen Aufenthaltstitel zum Arbeiten in Deutschland. Punkt." Das, so erzählt es Maha Badri, war die Aussage des Ausländeramtes Stuttgart. Doch: Für hochqualifizierte Akademikerinnen wie sie ist ein Arbeitsvertrag gar nicht nötig. Das, was sie vorgelegt hat - ein konkretes Arbeitsplatzangebot - also eine Arbeitsplatzgarantie, das reicht vollkommen aus. So schreibt es die Behörde auf ihrer eigenen Website.
Maha Badri ist beste Absolventin des Master-Studiengangs
Maha Badri ist 30. Sie stammt aus Tunesien, macht das Abi an einem Elite-Gymnasium und geht ihre Ausbildung sehr zielstrebig an.
Erst lernt Maha Badri sechs Monate deutsch in Heidelberg, dann studiert sie Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart. Sie weiß nicht nur, was sie will, sie ist auch sehr gut.
"Hervorragend ist stark untertrieben", sagt Professor Stefanos Fasoulas, Dekan der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität Stuttgart. "Wenn man sich einfach nur vorstellt, dass Frau Badri phänomenale Leistungen hingelegt hat, tatsächlich als beste Absolventin im Bachelor-Studiengang, als beste Absolventin im Master-Studiengang. Und das jetzt nicht nur in ihrem Jahrgang, sondern über die gesamten 10 bis 15 Jahrgänge, die wir mittlerweile haben."
Science Talk mit der Raumfahrt-Expertin Maha Badri
Keine Aufenthaltsgenehmigung trotz Spitzenzeugnissen und Arbeitsvertrag
In der Tat: Badris Zeugnis ist fast ein bisschen langweilig. Bei jedem Fach stehen nur zwei Worte: sehr gut. Das erzeugt Nachfrage: Aus München kommt ein Arbeitsplatzangebot. Auch ihr künftiger Doktorvater an der TU München (TUM) Professor Niklas Boers benutzt diverse Superlative:
Boers freut sich allerdings schon ziemlich lange. Seit Mai 2023. Der Plan war, Maha Badri zum 1. Mai an der TUM einzustellen. Reichlich Vorlauf war vorhanden.
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Aber genau das passiert nicht. Die Stuttgarter Ausländerbehörde ist komplett überlastet, ein Drittel der Stellen ist unbesetzt, Termine sind kaum zu bekommen, Antworten auf E-Mails gibt es meist auch nicht. Maha Badri muss warten, sie ist arbeitslos und lebt vom Ersparten. Ihre Professoren setzen sich für sie ein.
Niklas Boers zieht ein ziemlich vernichtendes Fazit: "Ich hatte in diesem Fall, in diesem Einzelfall sicherlich nicht das Gefühl, dass dort von Seiten der Ausländerbehörde Stuttgart großes Interesse daran bestand, den Prozess effektiv durchzuführen"
Ausländische Spitzenkräfte gehen Deutschland oft verloren
Professor Michael Resch leitet das renommierte Hochleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart. Bei ihm hat Maha Badri neben ihrem Studium noch eine Fortbildung zur Rechenspezialistin gemacht.
Nicht nur er sagt, Wissenschaftlerinnen aus dem Ausland seien absolut wichtig. "Wir haben als Forschungseinrichtungen ein zunehmendes Problem, dass wir keine oder sehr, sehr wenige Bewerbungen bekommen, wenn wir Stellen ausschreiben."
Resch kennt die Probleme mit dem Ausländeramt Stuttgart. Er sagt: Eigentlich ist das doch eine Win-Win-Win Situation. Maha Badri kann wissenschaftlich weiterarbeiten, die Uni bekommt eine qualifizierte Mitarbeiterin und unser Land jemanden, der sich integriert und hier eine Ausbildung gemacht hat.
Aber stattdessen führen ausbleibende Entscheidungen, Überlastung und Untätigkeit dazu, dass bei uns in Deutschland gut ausgebildete Fachkräfte abwandern, so Michael Resch:
"Ich hatte einen amerikanischen Mitarbeiter, der bei uns gearbeitet hat und der dann völlig entnervt zu mir gekommen ist und gesagt hat: Ich mache das nicht mehr mit. Diese Fälle passieren täglich."
Auch Maha Badri hat Angebote aus dem Ausland und kann zum Beispiel nach Kanada gehen, wo sie auch studiert hat. "Wenn das mit der Blauen Karte und so weiter nicht funktioniert hätte, dann hätte ich also ehrlich gesagt direkt jetzt ein Arbeitsangebot bekommen", sagt Maha Badri. "Und dann hätte ich Deutschland sofort verlassen."
Maha Badri schaltet einen Anwalt ein
Aber Deutschland verlassen will Maha Badri nach mehr als zehn Jahren eigentlich nicht. Wegen der offenbar nicht ganz korrekten Aussage der Sachbearbeiterin im Ausländeramt Stuttgart schaltet sie einen Anwalt ein. Der sagt: Eine Untätigkeitsklage bewirkt oft das Gegenteil.
Anwalt Lukas Zimon versucht zu vermitteln und der Behörde klarzumachen, dass der geforderte Arbeitsvertrag ja eigentlich schon lange vorliegt - als Angebot eben.
Eine Frage der Auslegung also. Der SWR will wissen, wo es hakt, und schickt eine Interviewanfrage an die Stadt Stuttgart. Möglicherweise auch das führt dazu, dass der Fall nochmal genauer angeschaut wird. Die fürs Ausländeramt zuständige Chefin des Stuttgarter Ordnungsamtes Susanne Scherz weiß wie wichtig Spitzenkräfte aus dem Ausland sind - und sagt das auch: "Das ist von ganz großer entscheidender Bedeutung." Und der aktuelle Fall?
Heißt auf Deutsch: Es hat sich wohl jemand vertan. Maha Badri hat einen weiteren Behördentermin. Ergebnis: Die Behörde akzeptiert die Dokumente und die Wissenschaftlerin bekommt die Erlaubnis, weiter in Deutschland zu bleiben, zu arbeiten und zu forschen.
Maha Badri ist sehr erleichtert. Sie hat nun ein weiteres Ziel. Sie will Deutsche werden "Ich habe schon diesen Einbürgerungstest geschrieben, habe auch die volle Punktzahl bekommen. Da kenne ich mich jetzt gut aus, und das habe ich vor."
Eine Nebenwirkung: Keine Termine mehr auf dem Ausländeramt. Maha Badri: Ja, genau - wäre ein großer Vorteil."