Seit mehr als 70 Jahren tüfteln Forschungsteams an der Entwicklung von Robotern. Doch ihre Kerntechnologie - die Elektronmotoren - hat sich nicht verändert. Bis jetzt: Ein Forschungsteam aus Deutschland und der Schweiz hat nun ein Roboterbein mit elektrohydraulischen, also künstlichen Muskeln entwickelt. Ein erster Prototyp mit viel Potential.
Was ist das Besondere an den künstlichen Muskeln?
Die Innovation liegt in den Aktuatoren, also den künstlichen Muskeln. Das hüpfende Roboterbein sieht zwar noch etwas unbeholfen aus, aber es ist ziemlich effizient: Die künstlichen Muskeln brauchen nur wenig Energie. Und vor allem passt sich das Roboterbein seiner Umgebung an. Trifft das Bein auf ein Hindernis, kommt es ohne komplizierte Programmierung darüber hinweg - wie ein Reflex, eine Art Muskelgedächtnis. Aber wie macht es das?
Das Roboterbein ist weich und anpassbar. Angetrieben durch Elektrohydraulische Muskeln kann es direkt auf den Untergrund reagieren. Dabei funktioniert es ähnlich wie unser eigenes Bein: Wenn wir springen und landen, müssen wir uns nicht bewusst entscheiden, wie stark wir das Knie beugen. Unser Muskel-Gelenk-System reagiert einfach, abhängig vom Untergrund. Dasselbe Prinzip gilt für das neue Roboterbein.
Im Bein versteckt sich eine Synergie aus Elektro- und Hydrauliksystemen
Im Roboterbein sind ein Ölgemisch und Elektroden mit hoher Spannung verbaut. Auf Kommando, also durch einen Stromimpuls, beginnt sich das im Bein enthaltene Öl zu verformen. So sorgt das Öl für die Kontraktion. Und je höher die Spannung, desto stärker verkürzen sich die Muskeln. Dieser neue Ansatz, erinnert etwa an frühere Roboter mit einer anderen Hydraulik-Technik.
Denn als Roboter nach vielen erfolglosen Versuchen so langsam auf die Beine kamen, setzten immer mehr Unternehmen auf Systeme mit Hydraulikantrieb. Doch diese Technologien verbrauchten viel Strom und Unfälle endeten häufig in einer Sauerei, wenn Hydraulikschläuche platzen. Deshalb setzen viele Entwickler auch auf Elektromotoren in den Gelenken. Diese Antriebe sehen zwar modern aus, sind aber bereits mehr als 70 Jahre alt. Mit den neuen elektrohydraulischen Muskeln gibt es in Zukunft eine weitere Antriebsmöglichkeit.
Auch das künstliche Bein bekommt mal Muskelkater
Während herkömmliche Elektromotoren in gebeugter Haltung heiß laufen, bleiben die künstlichen Muskeln kalt. Sie müssen nicht gekühlt werden und das spart Energie. Doch noch läuft nicht alles perfekt. Manchmal muss das Forschungsteam die künstlichen Muskeln auch massieren, denn beim Springen bauen sich im künstlichen Muskel elektrostatische Aufladungen auf, die das Bein manchmal stören können. Die künstlichen Muskeln haben also ihren eigenen Muskelkater. Durch die Massage lassen sich diese Aufladungen jedoch lösen.
Das Roboterbein steckt noch in den Kinderschuhen
Das alles ist bisher nur Grundlagenforschung, aber natürlich träumen die Forschenden auch von zwei oder vierbeinigen Robotern mit künstlichen Muskeln. Auch Roboterhände könnten in ihrer Geschicklichkeit von den neuen Muskeln profitieren. So können Roboter heute etwa nur dank komplexer Sensoren unfallfrei mit einem rohen Ei umgehen. Mit künstlichen Muskeln wäre diese Aufgabe weniger komplex.
Vor allem durch Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen macht die Robotik derzeit große Fortschritte, um immer kompliziertere Aufgaben lösen zu können, aber das sind alles Fortschritte in der Software.
In der Hardware, also beim Antrieb gab es schon lange keine Innovationen mehr. Hier macht das neue Roboterbein mit seinen künstlichen Muskeln Hoffnung - immer das reale Vorbild im Blick: Die echten Muskeln und auch Sehnen, die uns Menschen erst so beweglich machen.