Haben Sie schon mal von Gewitter-Asthma gehört? Bei dem Phänomen klagen vor allem Asthmatiker*innen nach heftigen Gewittern teils über schwere allergische Reaktionen - ausgelöst durch Pollen. Bisher werden solche Ausbrüche vor allem in Australien beobachtet.
Doch mit dem Klimawandel könnten auch in Europa das Risiko steigen und mehr Fälle von Gewitter-Asthma auftreten. Was aber steckt hinter dem Gewitter-Asthma und was können Betroffene tun?
Nach Gewitter in Melbourne ungewöhnlich viele Asthma-Notfälle
Es ist ein heftiges Gewitter, das am 21. November 2016 über die australische Metropole Melbourne zieht. Ein Unwetter, das weltweit für Aufsehen sorgt. Denn nach dem Gewitter berichten Medien nicht von umgestürzten Bäumen oder vollgelaufenen Kellern. Stattdessen wird über eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Asthma-Fällen berichtet.
"Dort haben sich innerhalb von 30 Stunden über 3.300 Menschen in den Notaufnahmen vorgestellt bzw. haben eben Notrufe abgesetzt. Und das ist tatsächlich eine Überforderung des Gesundheitssystems", sagt die Lungenfachärztin Andrea Elmer aus Wiesbaden.
Die Kliniken in Melbourne mussten plötzlich hunderte akute Asthma-Fälle behandeln. "Ein Asthmaanfall kann tatsächlich lebensbedrohlich sein", erklärt Elmer. In den besten Fällen sind die Patient*innen auch so gut behandelt, dass eben keine akuten Asthmaanfälle auftreten. "Aber von diesen Patienten in Melbourne sind 35 auf der Intensivstation gelandet und 26 davon auch intubiert worden. Und es gab auch Todesfälle."
Gewitter-Asthma wird durch Pollen-Partikel ausgelöst
Noch immer ist nicht genau geklärt, unter welchen Bedingungen Gewitter-Asthma entstehen kann. Auslöser sind aber auf jeden Fall Gräserpollen oder Pilzsporen, die durch das Gewitter und die heftigen Winden aufgewirbelt werden.
"Man weiß, dass durch Einwirkung von Feuchtigkeit oder auch von Windböen und speziell auch von Blitzen, das die Pollen reißen oder platzen und dadurch sehr viele kleine Pollen Teilchen entstehen. Die nennt man Sub-Pollen. Partikel also kleiner als Pollen", erläutert Andrea Elmer.
"Dadurch, dass die so klein sind, können die eben besonders in die tieferen Atemwege gelangen, also in die kleinen Bronchien. Und genau da findet ja auch das Asthma letztendlich statt." In der Lunge lösen die kleinen Pollen-Teilchen dann eine allergische Reaktion aus.
Bei Gewitter-Asthma auf Vorbeugung setzen
Diese Fälle von Gewitter-Asthma sind weltweit sehr selten. Etwa 30 Ereignisse sind dokumentiert. Unter welchen Bedingungen ein Gewitter dazu führt, ist aber noch immer unklar. Es müssen wohl viele Faktoren zusammenkommen, damit Gewitter-Asthma entsteht. Das zu berechnen, sei extrem schwer, sagt Andrea Elmer. Deshalb rät sie als Ärztin auf Prävention und eine gute Asthma-Therapie zu setzen.
Mit den üblichen Asthma-Medikamenten lassen sich die allergischen Reaktionen in der Regel gut behandeln. Klar ist aber: Durch den Klimawandel werden Extremwettereignisse zunehmen - auch heftige Gewitter. Ob damit auch die Gewitter-Asthma-Fälle in Europa zunehmen, lässt sich derzeit nicht vorhersagen.
Doch schon jetzt gibt es auch in Europa erste Fälle, zum Beispiel in Großbritannien. Und durch insgesamt mehr Hitzewellen müssen Asthmatiker*innen in Zukunft stärker aufpassen. Hohe Lufttemperaturen und starke Sonneneinstrahlung führen dazu, dass sich am Boden mehr Ozon bildet. Das reizt die Atemwege - eine Gefahr für Asthmatiker.
"Diese Phänomene müssen wir, glaube ich, besser kennen und auch uns unseren Alltag danach richten und besser darauf einstellen", sagt Andrea Elmer. Zum Beispiel sollten Pollen-Allergiker*innen an einem sehr heißen Tag nicht gerade bei Spitzen-Temperaturen draußen Sport machen.
Bei Heuschnupfen besteht ein erhöhtes Risiko für Gewitter-Asthma
Dazu müssen Betroffene aber erst einmal wissen, dass sie Asthma haben. Bei dem Gewitter-Asthma-Ereignis in Melbourne wusste mehr als die Hälfte der Patienten gar nicht, dass die meisten schon vorher Symptome einer asthmatischen Erkrankung gezeigt hatten.
Auch Menschen mit Heuschnupfen haben ein erhöhtes Risiko für Gewitter-Asthma. Die gute Nachricht: Wer unter Heuschnupfen leidet, kann sein Risiko durch eine Hyposensibilisierung senken. Bei dieser Immuntherapie entwickeln die Betroffenen eine gewisse Toleranz gegen allergieauslösende Stoffe.
Warum Allergien zunehmen – Pollen, Feinstaub, Umweltgifte
Untersuchungen in Melbourne hätten das bestätigt, berichtet Andrea Elmer. In den Notaufnahmen wurden seltener Heuschnupfen-Patient*innen vorstellig, die eine Hyposensibilisierung bekommen hatten. "Also man kann durchaus vorbeugen und die Allergene-Therapie spielt auch bei uns in den Leitlinien eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Asthma und allergischen Erkrankungen."
Ob in Zukunft die Fälle durch häufigere Extremwettereignisse zunehmen, muss sich zeigen. Die gute Nachricht ist: Wer von seiner Asthma-Erkrankung weiß, kann auch bei Gewitter-Asthma durch schnelle Notfallmedikation schwere Verläufe vermeiden.