Auch wenn es draußen gerade noch sehr kalt ist: Der Frühling hat angefangen und damit sind auch wieder viele Insekten unterwegs. Einige Allergiker in Deutschland dürfte das gar nicht freuen. Bis zu 40 Todesfälle nach einem Bienen- oder Wespenstich werden pro Jahr erfasst, die Dunkelziffer liegt vermutlich noch höher.
Dagegen hilft eine Hyposensibilisierung oder Desensibilisierung, bei der der Körper an das Gift gewöhnt wird. Doch nach Angaben der Deutschen dermatologischen Gesellschaft erhält nur ein Zehntel der Allergikerinnen und Allergiker so eine Therapie. Woran liegt das?
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Hinweise auf eine Allergie gegen Insektengift
Bei einem Bienen- oder Wespenstich sind Rötungen und Schwellungen rund um die Einstichstelle normal. Von einer Allergie spricht man erst, wenn sich die Abwehrreaktion gegen das Gift auch an unerwarteten Stellen zeigt – erklärt Thilo Jakob, Allergologe und Direktor der Hautklinik am Universitätsklinikum Gießen.
Wenn der Rest des Körpers mitreagiert, an anderen Stellen, dann ist das ein Alarmzeichen. Und das ist der Grund, zum Allergologen zu gehen. Das ist der Grund, eine Diagnostik zu machen. Und wenn sich das bestätigt und man weiß, was der Auslöser war, dann macht man die gezielte Therapie.

Hypo- oder Desensibilisierung: Immuntherapie mit geringen Mengen des Insektengifts
Die allergen-spezifische Immuntherapie nennt man auch Hypo- oder Desensibilisierung. Die Kosten werden von den Krankenkassen übernommen. Betroffene bekommen in mehrwöchigen Abständen kleinste Mengen des Gifts per Spritze unter die Haut.
Das funktioniert wirklich bei der Wespe zu 99 Prozent, bei der Biene zu 94 Prozent – also es ist ein hohes Maß an Schutz. Aber es ist natürlich eine mühsame Behandlung. Das macht man mindestens drei Jahre lang, besser sogar fünf Jahre lang, damit dieser Schutz dann auch anhält.
Ein langer Zeitraum, der – wie auch die Angst vor Spritzen – abschreckend wirken kann. Doch Thilo Jakob kennt noch andere Gründe, weshalb nur ein Zehntel der Betroffenen die Therapie in Anspruch nimmt. Gerade junge Leute würden das Risiko ihrer Allergie gerne ignorieren. Dazu kommt, dass Bienen- und Wespenstiche selten sind. Die Motivation, sich mit einer Desensibilisierung gegen die Folgen zu schützen, ist also geringer.
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Allergologe fordert mehr Aufklärungsarbeit zur Therapie
Dabei muss es nicht unbedingt der berüchtigte anaphylaktische, also allergische Schock sein, der zu ernsten Konsequenzen führt. Auch Unfälle aufgrund einer allergischen Reaktion im Straßenverkehr können die Lebensqualität dauerhaft einschränken. Dennoch gibt es Vorbehalte gegenüber der Therapie, auch unter medizinischem Personal.
Der Allergologe Thilo Jakob berichtet von einem Medizinstudenten mit Wespengiftallergie. Der Student hatte sich nach einer entsprechenden heftigen Reaktion vom Hausarzt versorgen lassen. Dieser habe ihm von einer Immuntherapie abgeraten, weil man auch darauf wieder allergisch reagieren könne. Allerdings sei das Risiko in diesem Fall gering, da die Therapie in einem kontrollierten Rahmen stattfindet, gibt Thilo Jakob zu bedenken.

Der Allergologe aus Gießen will medizinisches Personal deshalb besser schulen:
Wir haben dort Aufklärungsarbeit zu leisten. Wir haben eine tolle Therapie, die hochwirksam ist, die sicher ist. Ja, es gibt vereinzelte Fälle, wo Patienten auf die Therapie wieder allergisch reagieren. Aber all das ist etwas, das sehr gut kontrollierbar ist und behandelbar ist.
Kontakt mit dem Rettungsdienst überzeugt viele Menschen
Besonders an einer Stelle könnte verstärkte Aufklärungsarbeit manch ein zusätzliches Leben retten. Denn nur die Hälfte der Betroffenen gehen wegen ihrer Allergie tatsächlich auch zum Arzt. Oft sind es deshalb die Notfall-Sanitäterinnen und -Sanitäter, die Betroffene von den Vorteilen einer Therapie überzeugen können.
Wenn man das erlebt hat und in der akuten Situation dann jemand sagt: Da gibt es etwas, womit man das vermeiden kann – dann ist der Anteil derer, die dann eine Immuntherapie machen, viel höher.

Thilo Jakob selbst gibt Betroffenen vor allem eines mit – nämlich gut auf ihr eigenes Leben aufzupassen:
Wenn Sie keine Therapie machen, dann müssen Sie eigentlich immer ein Notfallset mit sich führen. Wenn Sie die Therapie gemacht haben, sind Sie wieder so wie der Rest der Bevölkerung. Dann haben Sie ein Restrisiko, das einfach bei den 3 Prozent liegt. Wenn Sie keine Therapie machen, dann haben Sie ein Risiko von 50, 60, oder 70 Prozent, dass Sie wieder einen anaphylaktischen Schock haben. Und das überzeugt dann doch die meisten.