Klimawandel und Allergien

Warum Pollen immer früher fliegen und aggressiver werden

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Autor/in
Janina Schreiber
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Martin Thiel
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Jutta Kaiser
Bild von Jutta Kaiser aus der SWR-Wirtschaftsredaktion.
Katharina Fortenbacher-Jahn
Katharina Fortenbacher-Jahn, SWR Aktuelle Wirtschaft

Haselnuss und Erle blühen früher. Durch den Klimawandel gedeihen auch Pflanzen bei uns, denen es früher hier zu kalt war. Allergien werden zu einem immer größeren Problem.

Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Pollenallergie - Tendenz steigend.

Pollenallergie kann sich durch das Jahr ziehen

Für viele Menschen war eine Pollenallergie noch vor einiger Zeit nur ein saisonales Problem. Wer mit einer solchen Allergie zu tun hatte, hatte häufig eine oder mehrere Phasen im Jahr Probleme damit - zum Beispiel im Winter aber nicht.

Von einer solchen saisonalen Betrachtung sind Ärzte inzwischen abgekommen. Denn viele Menschen reagieren auf die Pollen mehrerer Blütenpflanzen und leiden nicht nur im Frühling oder Sommer, sondern fast ganzjährig unter Beschwerden.

Pollenflugkalender musste bereits angepasst werden

Wegen der milden Temperaturen warnt die deutsche Pollenstiftung teils schon im Dezember vor den ersten Pollenflügen - und zwar entlang des Rheins von Freiburg im Süden bis ins Ruhrgebiet hinein.

Generell haben sich die Pollenzeiten verschoben. Der Pollenflugkalender wird deshalb immer wieder angepasst. Baumpollen fliegen tendenziell früher, Gräser blühen tendenziell später und noch dazu überlagern sich die jeweiligen Flugzeiten teils ungünstig. Wer also zum Beispiel gegen Baum- und Gräserpollen allergisch ist, muss inzwischen über einen längeren Zeitraum hinweg mit Beschwerden rechnen.

Hasel
Die Blüte der Haselnuss beginnt in milden Wintern gebietsweise schon ab Januar. Teils sind die Kätzchen schon im Dezember an Haselnussbüschen zu sehen. Im langjährigen Trend blüht die Hasel immer früher. Auch die Erlenblüte kommt zunehmend früher.

Birke, Haselnuss, Erle: Frühere Blüte verstärkt Allergien

Von sogenannten Peak-Pollentagen spricht die Deutsche Pollenstiftung meist von Ende Mai bis Anfang Juni, wenn die Birke gerade noch blüht und die Gräser dann beginnen. Besonders betroffen von der Verschiebung der Flugzeiten sind laut Deutscher Pollenstiftung Hasel- und Erlenpollen-Allergiker, weil diese beiden besonders schnell auf mildere Temperaturen reagieren.

Der im Jahr 2023 aktualisierte Pollenflugkalender in der Version 5.0 bildet diese Entwicklungen ab: Die Hauptblütezeit der Erle beginnt inzwischen neun Tage früher, die der Birke sechs Tage. Aktuelle Vorhersagen zum Pollenflug liefert zum Beispiel die Deutsche Pollenstiftung, Informationen gibt es auch beim Allergieinformationsdienst des Helmholtz Zentrums München.

Klimawandel: Klimastress lässt Pflanzen mehr Pollen produzieren

Die Deutsche Pollenstiftung misst die Konzentration der Pollen seit mehr als zwanzig Jahren. Es zeigt sich, dass die meisten Baumpollen - wie etwa die von Birke, Hasel oder Esche - zunehmen.

Auffällig in den Ergebnissen ist: Normalerweise produzieren Bäume ihre Pollen in schwankenden Mengen. Das heißt, in einem Jahr sind es mehr Pollen, im nächsten Jahr wieder weniger, weil sich die Bäume ausruhen. Doch seit einigen Jahren ist die Pollenproduktion bei einigen Bäumen und Pflanzen gleichbleibend hoch - oder wird sogar immer größer, etwa bei der Hasel.

Auch Gräserpollen haben seit 2019 kontinuierlich zugenommen, so die Deutsche Pollenstiftung. Die Stiftung erklärt das mit Stress durch den Klimawandel, dem die Bäume und Gräser ausgesetzt sind. Die Pflanzen versuchen, ihre Art zu erhalten und bilden deshalb mehr Pollen.

Feinstaub und Stickoxide: Schadstoffe in der Luft machen Pollen aggressiver

Europaweit zeigt sich vor allem der Trend, dass die Pollenbelastung für Menschen in den Städten zum Problem werden kann. Zumindest haben Studien gezeigt, dass Städter häufiger Antikörper gegen Pollen vorweisen. Das muss nicht zwangsläufig auch heißen, dass sie allergisch reagieren.

Städter brauchten in einer Studie zum Beispiel aber häufiger Hilfsmittel gegen Pollenallergien als Menschen, die auf dem Land wohnen. Die Pollenbelastung war dabei gleich hoch.

Eine blühende Blumenwiese vor einem städtischen Parkplatz voller Autos
Das Zusammenspiel aus Feinstaub, Stickoxiden und Pollenflug macht Pollen in Städten besonders aggressiv.

Allerdings wirkt sich die Kombination mit Feinstaub und Stickoxiden in der Stadt auch auf die Pollen aus: Es gibt Hinweise darauf, dass Pollen dadurch aggressiver werden. Das bedeutet, dass sie stärker allergieauslösend wirken.

Beispielsweise zeigt eine Studie, dass Luftschadstoffe die Allergene in Birkenpollen chemisch verändern, so dass eine höhere Allergenität bekommen. Zusätzlich wirken Luftschadstoffe auch selbst auf die Schleimhäute ein.

"Die höhere Rate an Sensibilisierungen gegen Pollen in luftverschmutzter Umgebung kann damit sowohl als Folge der Wirkung von Luftschadstoffen auf die Pflanzen und ihrer Pollen, aber auch auf eine gesteigerte Überempfindlichkeit der menschlichen Schleimhäute in Städten angesehen werden."

Zusammenhang zwischen Hygiene und Allergien bei Kindern

Wissenschaftler ziehen im Vergleich zwischen städtischen und ländlichen Gebieten auch die sogenannte Hygienetheorie heran: Kinder wachsen immer sauberer auf, weshalb in ihrem Immunsystem im Darm Bakterien fehlen, um sich zu schützen. Studien haben gezeigt, dass Kinder, die in ländlicher Umgebung mit tendenziell mehr Bakterien aufwachsen, resistenter gegen Pollen waren.

Blütenstände der Ambrosia
Allergikern machen auch Pflanzen zu schaffen, die früher nicht in Deutschland heimisch oder weniger stark verbreitet waren. Beispielsweise die Beifuß-Ambrosie kann heftige allergische Reaktionen auslösen.

So können Stadtgärtner Allergikern helfen

Die Deutsche Pollenstiftung erklärt, dass es für Allergiker eine große Rolle spielt, welche Baumarten in Städten gepflanzt werden. Beispielsweise lasse die bisher hier nicht heimische, aber stadtklimarobuste, Purpurerle ihre Pollen schon um die Weihnachtszeit fliegen, mehrere Wochen vor den heimischen Erlen. Würden solche allergenen Bäume bei neuen Anpflanzungen ausgewählt, verstärke das den Trend, dass die Pollenbelastung immer früher starte.

Allergieexperten empfehlen daher, Bäume allergikerfreundlich auszuwählen. Als allergikerfreundlich gelten zum Beispiel Spitzahorn oder Kirsche.

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Tipps: Das hilft bei Allergien

Die deutsche Pollenstiftung rät dazu, sich durch Tests beim Arzt vor allem genau darüber zu informieren, gegen welche Pollen eine Allergie vorliegt.

Außerdem empfiehlt die Stiftung die App "Pollen+". Anhand von Pollenflug- und Luftschadstoffdaten berechnet sie das jeweilige Allergierisiko für den Tag. Sollte es hoch sein, können Betroffene vorsorgen. Auch ein Pollentagebuch ist enthalten.

Antihistaminika hemmen die allergische Reaktion und sind als Nasensprays, Augentropfen oder Tabletten erhältlich. Außerdem kann auch eine Hyposensibilisierung beim Facharzt helfen. Die wirkt allerdings nicht sofort, sondern sollte im Herbst angegangen werden – also frühzeitig, bevor die Pollenlast am höchsten wird.

Allergien können sich jederzeit entwickeln - das gilt übrigens nicht nur für Pflanzenpollen, sondern auch für andere Allergien, zum Beispiel gegen Wespen- oder Bienenstiche. Sehen Sie im Video ein Fallbeispiel und wie die Hyposensibilisierung funktioniert.

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