Gendermedizin

Frauen reagieren anders auf Schmerzen und Medikamente als Männer

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Moderator/in
Christine Langer
Christine Langer
Interview
Dr. Daniela Rosenberger, Assistenzärztin an der Anästhesie der Uniklinik Münster und Mitglied der Jungen Schmerzgesellschaft.
Onlinefassung
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Frauen sind häufiger von Schmerzkrankheiten betroffen als Männer, zum Beispiel bei Migräne. Was dabei oft vernachlässigt wird: Frauen reagieren auf Medikamente teilweise anders als Männer. Wie genau, das ist wenig erforscht.

Es ist noch nicht lange her, da sind neue Medikamente in Studien fast ausschließlich an Männern getestet worden. Aber Männer und Frauen, das wissen wir eigentlich alle, sind eben doch ziemlich verschieden. Ein Bereich, in dem das eine Rolle spielt, das sind Schmerzen und die Schmerztherapie.

Am 18. Oktober startet in Mannheim der Deutsche Schmerzkongress, und dort spricht Dr. Daniela Rosenberger über Schmerztherapie bei Frauen. Sie ist Assistenzärztin der Anästhesie an der Uniklinik Münster und Mitglied der Jungen Schmerzgesellschaft.

Frauen reagieren anders auf Schmerzmedikamente oder Narkosemittel als Männer

SWR2 Impuls: Was müssen Sie denn als Ärztin in der Anästhesie bei der Narkose von Frauen anders machen als bei Männern?

Dr. Daniela Rosenberger: In der Narkose und auch in der operativen Intensivmedizin, die ja auch Teil der Anästhesie ist, machen wir primär nichts spezifisch anders bei Frauen, sondern wir schauen uns bei jedem Patienten und jeder Patientin die individuellen Risikofaktoren an.

Was aber bei Frauen oft anders ist, ist, dass sie zum Beispiel einen anderen Körperfettanteil haben und sich dadurch Medikamente anders im Körper verteilen. Daher muss die Medikation individuell nicht nur aufs Körpergewicht, sondern auch je nach Reaktion des Körpers angepasst werden. Wir überwachen unsere Patientinnen ganz intensiv bezüglich Kreislauf, Atmung und anderer körperlicher Reaktionen und passen die Medikation entsprechend an.

Patientin wird von Ärztin betreut
Frauen müssen bei vielen Erkrankungen bzw. Schmerzen anders behandelt werden als Männer.

SWR2 Impuls: Welche Unverträglichkeiten oder Nebenwirkungen kann es bei Schmerz-Medikamenten bei Frauen geben, die es bei Männern vielleicht nicht gibt?

Daniela Rosenberger: Was wir beachten müssen ist, dass Frauen tendenziell ein höheres Risiko haben, mit Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel oder auch Erbrechen beispielsweise auf Opioide zu reagieren. Das ist aber meistens sehr individuell und wird in der Narkose entsprechend berücksichtigt.

Da spielen dann auch noch andere Risikofaktoren mit rein, die wir dann auch immer abfragen und entsprechend die Medikation anpassen. Um dieses Risiko zu minimieren, wird zum Beispiel bei bestimmten Operationen in unserer Klinik versucht, komplett auf Opioide zu verzichten und andere Formen der Narkose zu wählen.

Schmerzen bei Frauen müssen individuell behandelt werden

SWR2 Impuls: Was wird unternommen, wenn Frauen mit starken Nebenwirkungen auf ein Medikament reagieren?

Daniela Rosenberger: Wir versuchen, Medikamente nicht unbedingt komplett wegzulassen, aber zu reduzieren oder auch zu schauen, ob man andere Alternativen der Schmerzmedikation hat. Gerade im Kontext nach Operationen oder auch in der Behandlung von chronischen Schmerzen geht die Tendenz jetzt eher dazu: Man baut nicht nur auf Schmerzmittel oder Tabletten, sondern man schaut, was es für andere Möglichkeiten der Schmerztherapie gibt, also eine sogenannte multimodale Schmerztherapie. Gerade auch im Kontext von Operationen werden Patientinnen und Patienten zum Beispiel mit spezifischer Physiotherapie oder Pflegeintervention oder auch psychologischer Betreuung begleitet.

Eine multimodale Schmerztherapie kann dabei helfen, mögliche Medikamenten-Nebenwirkungen zu minimieren. (Symbolbild)
Eine multimodale Schmerztherapie kann dabei helfen, mögliche Medikamenten-Nebenwirkungen zu minimieren.

Schmerzen sind nicht messbar, sollten aber dennoch ernst genommen werden

SWR2 Impuls: Frauen werden mit ihren Schmerzen oft nicht richtig ernst genommen. Stimmt das?


Daniela Rosenberger: Man bekommt den Eindruck, wenn man sich mit vielen Patientinnen unterhält. Ich hatte mich im Kontext eines Workshops, den wir auf dem Schmerzkongress anbieten, vor allem mit Endometriose beschäftigt. Das ist auch ein Themenfeld unserer Arbeitsgruppe. Patientinnen brauchen im Schnitt sechs bis sieben Jahre, bis sie tatsächlich ihre Diagnose bekommen. Das liegt unter anderem auch daran, dass Regelschmerzen oft als "normal" angesehen werden.

Im Kontext der Forschung sind wir jetzt viel im Gespräch gewesen mit Patienten-Vertreterinnen. Diese berichten häufig, dass Ärzte sagen: "Regelschmerzen sind ja normal." Und dass das auch so ein bisschen gesellschaftlich belächelt wird.

Frau beim Frauenarzt - Wenn Frauen über Schmerzen klagen, wird das von Ärzten und Ärztinnen oft nicht ernst genommen.
Wenn Frauen über Schmerzen klagen, wird das von Ärzten und Ärztinnen oft nicht ernst genommen.

SWR2 Impuls: Ist das bei der Geburt auch oft ein Thema ist, dass man sagt, da gehören Schmerzen eben dazu?

Daniela Rosenberger: Es gibt Situationen während der Geburt oder auch in der Schwangerschaft und Stillzeit, in denen Therapeuten und Therapeutinnen sehr, sehr vorsichtig sind, Schmerzmittel zu geben, eben auch in Hinblick auf das Kind. Häufig erden die Schmerzen der Frauen nicht ausreichend ernst genommen.

Das ist schade, weil es Möglichkeiten gibt, die Frauen zu behandeln. Eigentlich sollte es so sein, dass man Frauen oder alle Patienten ernst nimmt, wenn sie sagen, dass sie Schmerzen haben. Schmerz ist per Definition Schmerz, wenn der Patient oder die Patientin ihn als solchen beschreibt.

Bei Schmerz gibt es auch nicht irgend etwas, wie bei anderen Erkrankungen, das wir messen können, außer der Aussage. Und letztlich müssen wiralle Patienten und Patientinnen ernst nehmen, egal ob das jetzt nach einer Operation ist, während oder oder nach der Geburt oder in welcher anderen Situation auch immer.

Auch die Auswirkungen des Schmerzes auf den Schlaf, auf die Lebensqualität oder auf andere Felder des Lebens müssen beispielsweise bei chronischen Schmerzen oder auch nach Operationen mit berücksichtigt werden. Den Patienten da, wo er ist, ernst nehmen und abholen und entsprechend behandeln.

Medikamente müssen auch an Frauen getestet werden

SWR2 Impuls: Heißt das, es fehlt an Forschung bzw. Schmerzforschung bei Frauen? Gibt es bei vielen Medizinern immer noch dieses Bewusstsein, dass Frauen gegebenenfalls andere Therapien benötigen?

Daniela Rosenberger: In Bezug auf die Forschung hat sich in den vergangenen Jahren sehr, sehr viel getan. Sie haben es ja am Anfang gesagt. In den letzten Jahren, Jahrzehnten war es eher so, dass die Therapien standardmäßig an Männern getestet wurden. Und es gab in den letzten zehn, zwanzig Jahren viele Positionspapiere und viele Initiativen, dass sich das ändern muss. So müssen in präklinischen Studien künftig sowohl männliche als auch weibliche Menschen bzw. Tiere untersucht werden. Da tut sich schon sehr viel. Aber ganz viele Mechanismen sind einfach noch nicht richtig verstanden.

Dr. Daniela Rosenberger ist angehende Anästhesistin und zurzeit Assistenzärztin an der Uniklinik Münster. Dort beschäftigt sie sich auch als Jungwissenschaftlerin mit Schmerzforschung. Schmerztherapie funktioniert bei Frauen anders als bei Männern und um dieses Thema geht es auch ab dem 18. Oktober beim Deutschen Schmerzkongress in Mannheim.

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