Eleni Chaidara war neun Monate alt, als sie ihre erste Bluttransfusion erhielt. Die heute 33-Jährige hat eine seltene Erbkrankheit: Thalassämie. Ihr Körper produziert nicht genug roten Blutfarbstoff Hämoglobin, ihr Blut kann den Körper nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgen. Seit ihrer Diagnose als Baby muss sie ständig ins Krankenhaus, alle paar Wochen benötigt sie eine Transfusion.
Die einzige Möglichkeit, eine Thalassämie zu heilen, war bislang eine Stammzellspende. Die kann jedoch schwere Nebenwirkungen haben - und ist nicht für jeden möglich.
Vor wenigen Monaten wurde eine weitere Therapieform in der EU zugelassen: Eine Gentherapie, bei der das erste Mal die Genschere CRISPR/Cas genutzt wird. Den Erkrankten werden die eigenen Stammzellen entnommen und mit der Genschere präzise so behandelt, dass sie wieder genug Hämoglobin herstellen können.
Dabei nutzt man aus, dass Menschen Gene für die Herstellung von zwei Hämoglobin-Arten haben. Zum einen das "normale" Erwachsenen-Hämoglobin. Das zuständige Gen ist bei Thalassämie-Patienten aber fehlerhaft.
Daneben gibt es noch das "fetale Hämoglobin". Dies stellen normalerweise nur Föten im Bauch der Mutter her, kurz nachdem ein Säugling auf die Welt kommt, wird das entsprechende Gen gehemmt und der Körper produziert kein Baby-Hämoglobin mehr.
Die Genschere zerstört jetzt diese Hemmung, die Erwachsenen stellen wieder fetales Baby-Hämoglobin her, der Mangel an "normalem" Hämoglobin wird so ausgeglichen.
Uniklinik Tübingen an internationaler Studie zur Genschere CRISPR/Cas beteiligt
Wie effektiv diese Methode ist, wurde in einer internationalen Studie untersucht. Mit dabei: Ein Team der Uniklinik Tübingen und acht ihrer Thalassämie-Patienten und -Patientinnen. Eine davon: Eleni Chaidara. Ihr wurden Stammzellen entnommen, nach der genetischen Veränderung erhielt sie sie zurück. Eine aufwändige Behandlung, zwei Monate verbrachte sie im Krankenhaus.
Doch das Ergebnis war recht schnell spürbar: "Ich wurde am 30. Mai 2021 entlassen, am 1. Juni hatte ich meine letzte Bluttransfusion und ich würde sagen, so vier, fünf Monate später hab ich mich schon wieder richtig fit gefühlt", berichtet Eleni Chaidara.
Seitdem stellt ihr Körper wieder selbst genug Blut her. Und damit ist sie keine Ausnahme. Denn die Ergebnisse der Studie sind auch für Fachleute beeindruckend, sagt Peter Lang von der pädiatrischen Hämatologie an der Uniklinik Tübingen:
Es sei wahrscheinlich, dass dieser Effekt langfristig hält. Die Betroffenen sind offenbar geheilt. Dies bestätigen auch unabhängige Experten, wie Toni Cathomen von der Universität Freiburg:
Therapie mit der Genschere CRISPR/Cas kostet Millionen
Doch die Therapie ist sehr aufwendig - und damit teuer. Die Verhandlungen laufen aktuell, doch es wird ein Preis in Millionenhöhe erwartet.
"Da muss man erstmal schlucken, das ist ganz klar", sagt Toni Cathomen. Doch der Preis müsse mit den Einsparungen gegengerechnet werden. "Wir dürfen ja nicht vergessen bei dieser speziellen Krankheit sind die Patienten transfusionsabhängig. Das heißt, die bekommen, ein bis zwei bis drei Transfusionen pro Monat und das ein Leben lang." Das koste ähnlich viel wie das Medikament.
Keine Nebenwirkungen bei der Therapie mit CRSIPR/Cas
Besonders wichtig für die CRISPR-Forschung: Bei der aktuellen Studie wurden bisher keine Nebenwirkungen entdeckt, die von der Genschere selbst ausgelöst wurden. Das gibt Hoffnung auf weitere Einsatzmöglichkeiten. "Ich glaube, wir dürfen davon ausgehen, dass jetzt jedes Jahr ein bis zwei CRISPR-Medikamente dazu kommen", sagt Toni Cathomen, Professor für Gentherapie an der Uniklinik Freiburg.
Auch Peter Lang von der Uniklinik Tübingen ist zuversichtlich. Der Zuwachs an Erkenntnis und Methodik sei in den letzten Jahren stark gestiegen. "Man wird auch in der weiteren Zukunft erwarten können, dass damit die Behandlung von verschiedensten Erkrankungen möglich wird."
Für Eleni Chaidara bedeutet schon dieser Durchbruch: "Keine Krankenhausaufenthalte mehr, keine Bluttransfusionen. Ich fühl mich fit, ich fühl mich gesund."