Wie bei einer natürlichen Infektion soll der Corona-Impfstoff in die Nase gelangen: In den kleinen Wassertröpfchen schwimmen harmlose, veränderte Viren, auf die später das Immunsystem reagieren soll. Nur sieben von derzeit über 160 Impfstoffkandidaten verfolgen einen ähnlichen Ansatz - durch die Nase.
Warum ein Impfstoff für die Nase?
Die Wissenschaftler wollen mit dem Impfstoff sicherstellen, dass sich das Virus nicht in der Nase und im Mund ausbreiten kann. "Obwohl Menschen geimpft werden, können sich Viren manchmal an einigen Stellen im Körper weiter ausbreiten. Der Geimpfte ist dann weiter ansteckend", sagt Prof. Ulrich Lauer vom Universitätsklinikum Tübingen. Der Facharzt für Innere Medizin nennt Polioviren als Beispiel - also die Kinderlähmung.
Vor etwa 70 Jahren hat der erste Impfstoff gegen die Kinderlähmung zwar die Krankheit verhindert, doch geimpfte Menschen waren damals trotzdem ansteckend. Das Virus konnte sich trotz Impfung im Magen-Darm-Trakt weiter ausbreiten. Erst ein zweiter Impfstoff - eine Schluckimpfung - konnte verhindern, dass sich das Virus im Magen nicht mehr vermehren kann. Erst dann waren die Geimpften nicht mehr ansteckend. Auch wegen diesem Beispiel aus der Vergangenheit entwickeln die Forscher aus Tübingen den intranasalen (=innerhalb der Nase) Impfstoff.
Impfstoff-Entwicklung braucht mehr Zeit
Bei der Entwicklung der neuen Impfstoffe zählt gerade vor allem eins - Zeit. Die ersten Impfstoffe sollen möglichst im Laufe von 2021 fertig sein. Die Standards für die Studien sind hoch, doch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) würde auch erste Impfstoffe zulassen, wenn der Impfstoff nur teilweise schützt - also zum Beispiel eine Erkrankung verhindert - nicht aber die Ansteckung.
"Wir brauchen so schnell wie möglich einen ersten Impfstoff. In der weiteren Entwicklung geht es darum, einen besten Impfstoff zu haben", sagt Professor Ulrich Lauer vom Unviersitätsklinikum Tübingen. Und ein optimaler Impfstoff könnte laut dem Mediziner wohl möglich erst später zu Verfügung stehen, weil die Entwicklung und späteren Studien länger dauern. Das wäre auch bei den Tübingern der Fall. Der Impfstoff wäre laut Professor Ulrich Lauer frühstens in vier Jahren fertig.
Wie funktioniert der Nasen-Impfstoff?
Für den Impfstoff verwenden die Forscher ein abgeschwächtes, harmloses Sendaivirus mit Teilen des Coronavirus. Die Forscher verändern dazu das Sendaivirus und bauen Teile vom Coronavirus in das Erbgut ein. Dadurch verändert sich auch die Oberfläche des Virus – er enthält nun die Spike-Proteine des Coronavirus. Das veränderte Virus soll dann das Immunsystem trainieren – also auf eine Corona-Infektion vorbereiten.
Bisher kein Geld für Tierversuche und große Studien
Die Tübinger Wissenschaftler konnten bisher noch keinen Investor von ihrem Projekt überzeugen - die Entwicklung des Impfstoffs stockt: “Wir fangen das jetzt in Tübingen mit universitären Forschungsmitteln an. Aber langfristig brauchen wir natürlich Unterstützung im größeren Umfang!”, sagt Professor Ulrich Lauer. Das Land Baden-Württemberg hat sich erstmal gegen eine Förderung entschieden. Die Fördermaßnahmen sind laut Wissenschaftsministerium für “aktuell dringende Forschungsvorhaben”. Das Projekt der Tübinger sei wichtig, unabhängige Gutachter hätten sich aber knapp gegen eine Förderung entschieden.