Krebsforschung

Bluttests zur Früherkennung von Krebs: So weit ist die Forschung

Stand
Autor/in
Nina Kunze
Nina Kunze ist Reporterin und Redakteurin bei SWR Wissen aktuell
Onlinefassung
Leila Boucheligua

Bluttests zur Krebsfrüherkennung sind bisher noch nicht so weit erprobt, dass ihr langfristiger Nutzen nachgewiesen ist. In bestimmten Fällen können Bluttests auf Krebs jedoch schon heute sinnvoll eingesetzt werden.

Je früher eine Krebserkrankung festgestellt wird, desto eher kann man etwas gegen sie unternehmen. Deshalb gibt es in Deutschland eine gesetzliche Vorsorge auf fünf verschiedene Krebsarten: Darm- und Hautkrebs, Brust- und Gebärmutterhalskrebs und Prostatakrebs. 

Aktuell wirbt die Versicherungsgruppe HanseMerkur mit einer Versicherungspolice, die einen jährlichen Bluttest auf Krebs enthält. In einer Recherche stößt der BR jedoch auf zweifelhafte Zusammenhänge, etwa was die Aussagekraft einer dem Test zugrundeliegenden Studie angeht. Wie weit ist die Forschung bei Bluttests auf Krebs tatsächlich?

Tests zur Früherkennung müssen viele Anforderungen erfüllen

Um sinnvoll in der Vorsorge eingesetzt werden zu können, muss ein Test zur Früherkennung von Krebs viele Anforderungen erfüllen, sagt Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdiensts am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg: 

Er muss beispielsweise die Erkrankung so früh erkennen, dass sie bei früher Diagnose deutlich besser behandelbar und sogar heilbar ist, idealerweise. Dann muss das Testverfahren eine hohe Güte, also eine gute Qualität haben. Es muss zeit- und kostengünstig durchführbar sein, es soll möglichst wenig belastend sein und der Nutzen muss in klinischen Studien nachgewiesen sein.

Der Nutzen eines Tests zur Früherkennung definiert sich laut Weg-Remers dadurch, dass Krebspatienten aufgrund einer rechtzeitigen Früherkennung tatsächlich länger leben. Die gleichen Anforderungen gelten auch für Bluttests zur Krebsfrüherkennung, von denen einige derzeit erforscht werden. Denn Krebszellen hinterlassen Spuren im Blut: Beispielsweise kleine Bruchstücke ihres Erbguts oder veränderte Bausteine der Zellen.  

Es gibt bereits vielversprechende Tests

Besonders weit entwickelt ist derzeit der sogenannte Galleri-Test. Der Bluttest soll Tumorzellen von über 50 verschiedenen Krebsarten anhand von Bruchstücken ihres Erbguts erkennen können. In Großbritannien läuft derzeit eine groß angelegte Studie mit 140.000 Freiwilligen dazu. In den USA dürfen Ärztinnen und Ärzte den Galleri-Test sogar schon durchführen. 

Ein weiterer Test, dessen Erprobung allerdings noch weniger weit fortgeschritten ist, wurde im vergangenen Jahr von einer schwedischen Forschungsgruppe vorgestellt. Dieser Test soll 14 verschiedene Krebsarten aufspüren können, und zwar anhand von Zuckerbausteinen auf der Oberfläche der Krebszellen. Im Gegensatz zu gesunden Zellen liegen diese in einer veränderten Form vor. 

Zeit ist ein entscheidender Faktor bei der Beurteilung der Tests

Um den Nutzen der Tests richtig abwägen zu können, sind allerdings umfassende klinische Studien nötig. Und das braucht Zeit: 

Das wird 5 bis 10 Jahre dauern, bis man beispielsweise weiß, ob der Galleri-Test wirklich zur Krebsfrüherkennung geeignet ist, denn dann haben wir aus der großen Studie die ersten Daten der Probanden, die jetzt mit Krebs diagnostiziert werden, und können sehen, ob sie eine bessere Prognose haben. Und man muss bei Krebs ja unter Umständen nochmal 5 bis 10 Jahre warten, bis man weiß, ob jemand endgültig geheilt ist oder ob noch ein später Rückfall gekommen ist, deswegen wird das so lange dauern. 

Blutabnahme
Bis Bluttests zur Früherkennung von Krebs so weit sind, dass sie den betroffenen Patientinnen und Patienten wirklich nutzen, braucht es noch weitere Studiendaten.

Bluttests werden bereits zum Therapiemonitoring eingesetzt

Es gibt jedoch einen Bereich, in dem Krebs-Bluttests bereits jetzt sinnvoll eingesetzt werden können: Nämlich dann, wenn der Krebs schon längst bekannt ist und behandelt wird. Ein Bluttest ist dann ein schnelles und einfaches Mittel, um den Behandlungserfolg zu überprüfen. 

Ein solches Therapiemonitoring werde beispielsweise bei Lungenkrebs angewandt, so Weg-Remers. Dabei müsse man den Tumor des Patienten oder der Patienten allerdings bereits gut kennen und den entsprechenden Marker im Tumor und im Blut zuvor schon nachgewiesen haben, erklärt die Heidelberger Krebsspezialistin.

In Zukunft von den Tests profitieren könnten laut Weg-Remers auch Menschen, die ein familiäres Risiko für bestimmte Krebsarten haben. Bei allen anderen Menschen überwiegen derzeit jedoch noch die Nachteile der Tests. Dazu gehört das Risiko eines falsch-positiven Befundes – das heißt, der Test schlägt Alarm, die untersuchte Person hat aber keinen Krebs.

Das hat eine enorme psychische Belastung zur Folge. Doch auch wenn der Test korrekt einen Tumor anzeigt, ist das manchmal problematisch, so die Heidelberger Krebsspezialistin Susanne Weg-Remers: 

Das wahrscheinlich schwerwiegendste Problem sind die sogenannten Überdiagnosen. Das heißt, Tests entdecken Tumore, die ihren Trägern zu Lebzeiten keine Probleme bereitet hätten. Das ist beispielsweise häufig bei Prostatakrebs der Fall. Wenn man eine solche Krebsdiagnose hat, dann neigen die meisten Betroffenen dazu, sich behandeln zu lassen und haben dann unter Umständen auch mit den Behandlungsnebenwirkungen und Spätschäden zu tun.

Bei den Bluttests auf Krebs fehlen noch viele Daten

All diese Nutzen und Risiken müssen gegeneinander abgewogen werden, bevor ein Test zur Krebsfrüherkennung tatsächlich in der Vorsorge zum Einsatz kommt. Bis es bei den Bluttests auf Krebs so weit ist, müssen noch viele Daten gesammelt werden. Krebsspezialistin Weg-Remers sieht in den Bluttests derzeit keine Alternative zur gesetzlichen Krebsfrüherkennung.

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Leila Boucheligua