Die Bindungstypen sind entscheidend für erfolgreiche Paarbeziehungen
Bindungsangst ist heutzutage ein fast inflationär verwendetes Wort. Aber was genau bedeutet das eigentlich, wenn wir Bindungsangst haben? Bindungsangst kann unsere Beziehungen grundlegend beeinflussen, haben US-Forschende jetzt herausgefunden. Und nicht nur das: Vor allem sollen die Wechselwirkungen der Bindungstypen beider Partner für den Erfolg einer Beziehung entscheidend sein!
Das sind die drei Bindungstypen
Die Bindungsangst ist einer von insgesamt drei Bindungstypen. Zusätzlich wird in der Psychologie häufig noch von der Bindungssicherheit und der Bindungsvermeidung gesprochen.
- Die Bindungsangst äußert sich in Beziehungen vor allem durch Verlustängste, starkes Klammern und ein großes Bedürfnis nach Nähe.
- Bindungsvermeidende Menschen reagieren in Beziehungen genau gegensätzlich: Sie wollen unabhängig bleiben, können mit Nähe häufig schlecht umgehen und bleiben auf Distanz.
- Bindungssichere Menschen machen sich meist keine Sorgen darüber, verlassen zu werden oder dass ihnen jemand zu nahe kommt. Sie pflegen ein gesundes Verhältnis zu Nähe und Distanz in einer Partnerschaft.
Auch Mischformen der verschiedenen Stile sind möglich.
Der Ursprung von Bindungsstilen liegt in der frühsten Kindheit
Aber wo kommen diese verschiedenen Bindungsstile eigentlich her? Wie so oft liegt die Antwort in unserer frühen Kindheit begründet: „Bindungsstile sind unbewusste Strategien, die jeder von uns in den ersten wichtigen Beziehungen seines Lebens entwickelt hat“, erklärt Prof. Dr. Sonja Bröning.
Sie ist Professorin für Entwicklungspsychologie und Paar- und Sexualtherapeutin und lehrt an der Medical School Hamburg. Das bedeutet: Aus unserer frühsten Beziehung, zum Beispiel zu unseren Eltern, entwickeln wir Reaktionsmuster auf Bindungssituationen. „Der Bindungsstil bestimmt, wie wir uns in bindungsrelevanten Situationen verhalten: Öffne ich mich meinem Gegenüber, ziehe ich mich zurück, vertraue ich darauf, dass er oder sie meine Sorgen ernst nimmt?“, führt Sonja Bröning weiter aus.
Studie zeigt: Sichere Bindung verringert die Wahrscheinlichkeit einer Scheidung
Wie wirken sich diese Bindungsstile auf langfristige romantische Beziehungen aus? Das haben Forschende der Florida State University (USA) jetzt untersucht. Hierfür kombinierten sie Daten von fünf unabhängigen Längsstudien mit insgesamt 539 frisch verheirateten Paaren. Der Beobachtungszeitraum betrug dabei drei Jahre. In Abständen von vier bis sechs Monaten füllten die teilnehmenden Paare Fragebögen aus, um Angaben zur Ehezufriedenheit und zum eigenen Bindungsstil zu machen.
„Die Studie ist gut, weil sie erstmals beide Partner-Perspektiven über so einen langen Zeitraum mit so vielen Teilnehmenden berücksichtigt. Somit werden die Kombination der Bindungsstile in den Fokus gerückt“, findet Sonja Bröning. Und auch die Ergebnisse lassen sich sehen:
Die Studie zeigt, dass der Partner oder die Partnerin, der oder die eine geringere Bindungsunsicherheit aufweist, den oder die andere mit höherer Unsicherheit, „abpuffert“. Das bedeutet: Beim weniger sicheren Partner oder der Partnerin wird ein Teil der Bindungsangst oder -vermeidung also aufgefangen. Auch die Scheidungswahrscheinlichkeit sinkt, sobald einer der beiden bindungssicherer ist.
Die höchste anfängliche Ehe-Zufriedenheit konnte bei Paaren beobachtet werden, bei denen beide Partner eine nur geringe Bindungsangst aufwiesen. Diese Paare wiesen auch die geringste Scheidungswahrscheinlichkeit auf. Hohe Bindungsangst bei beiden wies dagegen auf eine geringe Zufriedenheit und eine hohe Scheidungswahrscheinlichkeit hin.
Vermeidende Menschen geraten in einer Beziehung nicht so leicht aneinander
Wenn zwei Bindungs-vermeidende Personen miteinander verheiratet waren, ergaben die Untersuchungen keine Zusammenhänge mit der Ehezufriedenheit. Ein Nicht-Befund also. Sonja Bröning erklärt, warum sie das als Paar-Therapeutin nicht überrascht:
Bindungs-orientierte Paar-Therapie wird immer wichtiger
Als Faustregel kann man sich also merken: Eine bindungssichere Person oder eine mit weniger Bindungsangst- oder Vermeidung an Bord zu haben, erscheint vorteilhaft. Sie puffert die weniger sichere Person in ihren Ängsten ab.
Eine Verallgemeinerung darüber, welche Bindungstypen zusammenpassen oder nicht, kann man aber schwer treffen. Denn auch äußere Umstände wie Lebenskrisen spielen immer eine Rolle, wenn es um den Erhalt einer Beziehung geht.
Auch Sonja Bröning sieht das so: „Eine allgemeine Formel gibt es nicht. Aber die Studienlage in der Bindungsforschung legt nahe, dass bindungsorientierte Paartherapie wertvoll sein kann.“ Vor allem für Paare mit hoher Bindungsangst oder -vermeidung auf beiden Seiten kann das hilfreich sein. Denn es ist auch möglich am eigenen Bindungsstil zu arbeiten und sicherer zu werden.
Hinter vielen Alltags-Streitigkeiten verstecken sich Bindungsthemen
Eine hohe Bindungsangst oder -vermeidung ist also noch lange kein Grund den Kopf in den Sand zu stecken und sich selbst als beziehungsunfähig zu betrachten. Wichtig ist vor allem auf beiden Seiten einer Partnerschaft Bewusstsein dafür zu schaffen, wie man sein Gegenüber unterstützen kann, um Unsicherheiten zu lindern.