Wie Algorithmen uns manipulieren

Die Psychotricks von Social Media

Stand
Autor/in
Manuel Gerber

Mit diesen Tricks kann uns Social Media süchtig machen und manipulieren. So können wir uns dagegen wehren.

Aufmerksamkeitsökonomie

Social Media Apps sind so programmiert, dass wir möglichst viel Zeit darauf verbringen. Denn je länger wir den Apps unsere Aufmerksamkeit schenken, desto besser lernen sie uns kennen und können uns personalisierte Werbung zeigen. Genauer gesagt, verkaufen sie Verhaltensvorhersagen ihrer Nutzenden. Sie versteigern passgenaue Werbeflächen an Höchstbietende. Zum Beispiel an Firmen, die Kleidung verkaufen wollen. Es können aber auch politische Organisationen sein.

Die Apps wissen genau, wann der richtige Zeitpunkt für eine bestimmte Werbebotschaft ist. Eine australische Zeitung berichtete 2017 von einem internen Dokument. Darin beschreibt Facebook, dass es in der Lage ist, emotionale Zustände von Jugendlichen genau zu analysieren und in schwachen Momenten zielgerichtete Werbung zeigen zu können. Facebook räumte danach ein, über die Technik zu verfügen, bestritt aber, sie bei Jugendlichen einzusetzen.

Damit wir möglichst viel Zeit mit den Apps verbringen, versuchen die Programmierer, in uns eine Gewohnheit aufzubauen, die Programme möglichst oft und möglichst lange zu nutzen. Mit welchen Psychotricks die Unternehmen genau arbeiten, verraten sie nicht. Die Grundlagen dieser Techniken hat die Forschung aber durchschaut.

Von Apps trainiert, andauernd auf Social Media zu gehen
Smartphone in der Hand

Die fünf Psychotricks von Social Media

1.) Endless Scroll

Aufgaben abzuschließen, fühlt sich gut an. Wer zum Beispiel ein Buch zu Ende gelesen hat, bekommt ein Gefühl der Belohnung. Ohne natürliches Ende fällt es uns schwerer, aufzuhören. Das machen sich Apps zunutze: Am Ende einer Seite wird immer schnell automatisch nachgeladen. Es gibt also kein natürliches Ende mehr. Auf der Suche nach Belohnung scrollen wir immer weiter. Oftmals länger, als wir eigentlich wollen.

2.) Fear Of Missing Out (FOMO)

FOMO, die Angst, etwas zu verpassen, beschreibt die Sorge, von wichtigen Ereignissen, zum Beispiel im Freundeskreis, ausgeschlossen zu werden. Wir gehen auf Social Media Apps, um keine Neuigkeit zu verpassen. Durch zeitliche Verknappung mancher Inhalte sorgen Apps zusätzlich dafür, dass wir noch öfter auf die Plattformen gehen. So sind zum Beispiel Instagram Stories mit den üblichen Voreinstellungen nur für 24 Stunden online.

3.) Belohnung durch Likes

Likes bekommen und auch Likes geben aktiviert ein Hirnareal, das wichtig für die Belohnungsverarbeitung ist. Wir möchten das gute Gefühl der Belohnung immer wieder haben. Deshalb posten wir Beiträge in der Hoffnung auf Likes und verteilen Likes an andere.

4.) Die Lesebestätigung

Viele Messenger-Dienste haben eine Lesebestätigung voreingestellt. Wer eine Nachricht gesendet hat, kann sehen, ob sie auch gelesen worden ist. Das erzeugt Druck, schneller zu antworten. Dadurch schreiben wir insgesamt schneller hin und her, benutzen die entsprechende App also öfter.

5.) Besitztumseffekt

Der Begriff "Besitztumseffekt" stammt aus der Verhaltensökonomik und besagt, dass wir dazu neigen, den Wert von unserem Besitz zu hoch zu bewerten. Das liegt daran, dass wir eine emotionale Bindung zu unseren Besitztümern aufbauen, besonders, wenn wir Zeit und Energie darin investiert haben und sie als Teil unserer Identität betrachten. Der Verlust eines Besitzes wird als schmerzhaft empfunden, während der Besitz selbst ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle vermittelt.

Likes sorgen für Aktivität in Gehirnregion
Gehirn mit Likes

So können wir uns dagegen wehren

1.) Die einfachste Art, sich gegen die Psychotricks von Social Media zu wehren, ist: Benachrichtigungen ausschalten. Denn durch Benachrichtigungen wie Töne und Mitteilungsbanner wird einerseits unsere Konzentration ständig unterbrochen und andererseits bauen wir die Gewohnheit auf, andauernd nach Neuigkeiten auf Social Media zu suchen.

2.) Innere Trigger erkennen
Die Gründe, warum wir auf Social Media gehen, sind oft unangenehme Gefühle, denen wir entfliehen wollen. Zum Beispiel Langeweile, Einsamkeit, Unsicherheit, Müdigkeit, Stress. Damit wir nicht bei jedem unangenehmen Gefühl das Smartphone aus der Tasche ziehen, brauchen wir Methoden, ähnlich wie Raucher, die mit dem Rauchen aufhören wollen. Zunächst einmal müssen wir uns der Gefühle gewahr werden, die uns auf Social Media Plattformen treiben und sie beobachten. Meist verschwinden sie wieder von selbst. Wenn nicht, helfen manchmal auch Ersatzbefriedigungen.

3.) Einen Zeitplan erstellen mit Dingen, die uns wichtig sind. Dazu kann auch Social Media gehören, aber nur in einem festgelegten Zeitfenster. So verhindern wir, dass wir nur kurz die Uhrzeit auf dem Smartphone ablesen wollen und erst eine halbe Stunde später merken, dass wir die ganze Zeit auf Instagram sind.

Mann zieht Smartphone aus der Hosentasche
Smartphone bleibt in der Tasche

Linktipps:

Przybylski, A. K., Murayama, K., DeHaan, C. R., & Gladwell, V. (2013). Motivational, emotional, and behavioral correlates of fear of missing out. Computers in Human Behavior, 29(4), 1841–1848.

Sherman, L. E., Payton, A. A., Hernandez, L. M., Greenfield, P. M., & Dapretto, M. (2016). The power of the Like in adolescence: Effects of peer influence on neural and behavioral responses to social media. Psychological Science, 27(7), 1027–1035.

Exploring the impact of 'read receipts' in Mobile Instant Messaging

WhatsApp and Wellbeing: A study on WhatsApp usage, communication quality and stress

Lesetipp:

Christian Montag

Du gehörst uns! Die psychologischen Strategien von Facebook, TikTok, Snapchat & Co

ISBN 978-3-89667-706-8

416 Seiten, 20,00 €

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