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Biologie

Ameisen amputieren verletzte Gliedmaßen von Artgenossen

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AUTOR/IN
Elisabeth Theodoropoulos
ONLINEFASSUNG
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Ameisen beißen nach Verletzungen im Kampf verletzte Gliedmaßen von Artgenossen ab, um deren Überleben zu sichern. Ob sie amputieren, hängt davon ab, wo sich die Wunde befindet.

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Ein Forschungsteam aus Würzburg und Lausanne hat beobachtet, dass Ameisen ihre Artgenossinnen versorgen, wenn sie im Kampf verletzt wurden. Dabei amputieren sie verletzte Gliedmaßen, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Ob die Ameisen amputieren, hängt davon ab, wo sich die Verletzung befindet. Es ist das erste Mal, dass Amputationen im Tierreich erforscht wurden.

Bei Verletzungen der Oberschenkel amputieren Artgenossen das Bein der Ameise

Wie helfen sich Tiere gegenseitig, wenn sie verletzt sind? Das erforscht der Verhaltensökologe Erik Frank. Er untersucht sogenannte soziale Wundpflegeprozesse. Mit Amputationen unter Tieren hatte er nicht gerechnet. Aber genau das macht eine Ameisenart aus Florida.

Die Ameisenart Camponotus floridanus wird bis zu 1,5 cm groß. Sie verteidigt ihr Nest, welches meist in verrottendem Holz ist, energisch gegen andere Ameisenvölker. In diesen Kämpfen kann es zu Verletzungen kommen, die sich infizieren können. Um die Infektionsgefahr zu reduzieren, beißen die Artgenossen das verletzte Ameisenbein bei Verletzungen am Oberschenkel an der Schulter ab.

Die Überlebenschance der Ameise steigt durch die Amputation des verletzen Beins auf 90 Prozent. Vorher lag sie, laut Studienautor Erik Frank, nur bei etwa 40 Prozent. Trotz des Verlusts eines ihrer sechs Beine können die Ameisen danach ihre Aufgaben im Nest wieder im vollen Umfang übernehmen.

Bei Verletzungen der Unterschenkel amputieren Ameisen niemals

Eine weitere Überraschung war: Die Ameisen amputieren nur, wenn die Verletzung am Oberschenkel ist und niemals bei einer Unterschenkelverletzung. Bei Unterschenkelverletzungen kümmern sich die anderen Ameisen intensiv um die Wunde und lecken sie aus – wahrscheinlich, um sie auf diesem Weg von Bakterien zu säubern. Die Überlebenschance der am Unterschenkel verletzen Ameise liegt nach dieser mechanischen Pflege bei 75 Prozent.

Bei einer Oberschenkelverletzung ist die Überlebenschance für die Ameise mit den 90 Prozent daher höher als bei einer Unterschenkelverletzung. Und das, obwohl die Wunde näher am Körper ist und die Keime theoretisch schneller in den Körper eindringen können.

Um dieses Rätsel zu lösen, haben die Forschenden computertomographische Untersuchungen durchgeführt: Mit diesen Micro CT-Aufnahmen von den Ameisenbeinen können sie sich diese nochmal im Detail anschauen.

Bei Ameisen wurde erstmal eine soziale Versorgung von Wunden beobachtet. Sie amputieren Gliedmaßen von Artgenossen, um ihre Überlebenswahrscheinlichkeit nach Verletzungen zu erhöhen.
Bei Ameisen wurde erstmal eine soziale Versorgung von Wunden beobachtet. Sie amputieren Gliedmaßen von Artgenossen, um ihre Überlebenswahrscheinlichkeit nach Verletzungen zu erhöhen.

Ameisen haben viele dezentrale Herzen – unter anderem im Oberschenkel

Die Ameisen scheinen Kenntnisse über ihre Anatomie zu haben und dieses Wissen bei der Art der Behandlung zu berücksichtigen: Das Ameisenherz ist, anders als unseres, nicht zentral gelegen. Ameisen haben viele dezentrale Herzpumpen, die dafür sorgen, dass die Hämolymphe, also das Blut der Ameisen, auch gut überallhin fließen kann.

Viele dieser Herzpumpen sind im Oberschenkel vorhanden. Bei einer Oberschenkelverletzung ist auch die dort gelegene Herzpumpe verletzt, was dazu führt, dass die Hämolymphe dann nicht fließt. Die Keime, die an der Wunde am Oberschenkel sind, werden deshalb nicht oder nur sehr langsam über die Hämolymphe in den Körper transportiert.

Bei Verletzungen am Unterschenkel ist die Herzpumpe im Oberschenkel noch intakt und die Keime können schnell in den Körper eindringen. Eine Amputation käme dann zu spät.

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