Laut einer Schätzung leben mindestens 20 Billionen Ameisen auf der Welt. Es gibt über 15.000 verschiedene Arten. Auch in Mainz und vor allem in den Wäldern um Mainz herum wimmelt es von diesen sozialen Insekten und hier wird auch an ihnen geforscht.
Ameisenforscherin Susanne Foitzik
Susanne Foitzik ist Professorin für Organismische und Molekulare Evolutionsbiologie an der Universität Mainz. Der Schwerpunkt ihrer Forschung liegt darin, die Prozesse evolutionärer Veränderung zu analysieren..
Seit ihrer Diplomarbeit interessiert sich Susanne Foitzik für die Insekten und sammelt sie für ihre Forschung oft selbst im Lennebergerwald bei Mainz. Hier entdeckte sie Ameisen, die von einem Parasiten befallen wurden.
Bandwürmer in Ameisen?
Parasiten leben in oder auf anderen Organismen und beziehen von diesem sogenannten “Wirt” ihre Nahrung. Etwa fünfzig Prozent aller Tierarten sind Parasiten, sagt Ute Mackenstedt, Expertin für Parasitologie. Es gibt sie seit Millionen von Jahren, ein absolutes Erfolgsmodell der Evolution.
Während der Parasit versucht, immer neue Wege zu finden, um in seinen Wirt einzudringen, versucht der Wirt ihn immer besser abzuwehren. Für die Wirtsorganismen ist das sehr anstrengend.
Parasitärer Befall in Mainz
So ergeht es auch den infizierten Ameisen von Susanne Foitzik. Ein Befall mit Bandwürmern lässt die eigentlich braunen Ameisen nicht nur gelb, sondern auch lethargisch werden. Aber noch erstaunlicher: Susanne Foitzik fand heraus, dass die infizierten Arbeiterameisen fünf bis sechs Mal so alt werden wie gesunde Arbeiterameisen. Diese leben normalerweise nur ein bis zwei Jahre.
Die infizierten Ameisen könnten sogar über zehn Jahre alt werden, sagt Foitzik. Ein Kollege berichtete ihr von einer Arbeiterin, die er über mehr als sieben Jahre in seinem Labor hatte.
Bandwurm verändert Ameise
Um zu verstehen, warum die Tiere so viel länger leben, untersucht Foitzik das Blut der Ameisen. Die Larven des Bandwurm-Parasiten stecken im Hinterleib der Ameise und sind weniger als einen Millimeter groß. Indem sie sich an den Darm der Ameise anhängen, haben sie direkten Kontakt zur Hämolymphe, dem Blut der Insekten.
Der Parasit gibt verschiedene Stoffe in das Blut der Ameisen ab, die eine mögliche Erklärung liefern könnten, warum die infizierten Tiere länger leben als ihre gesunden Artgenossinnen. Zum Beispiel geben sie Antioxidantien ab. Die finden sich auch in Cremes gegen oxidativen Stress, die dafür sorgen sollen, dass die Haut nicht so schnell altert, erklärt Susanne Foitzik.
Die Bandwurmlarven scheinen also bei den Ameisen Alterung in gewissem Maße zu verhindern. Aber der Bandwurm verändert nicht nur die Blutzusammensetzung der Ameisen, sondern beeinflusst auch stark ihr Verhalten. So bewegen sich die Ameisen weniger und werden träge. Zudem reagieren nicht infizierte Ameisen anders auf ihre befallenen Artgenossen: sie füttern sie häufiger.
Ziel des Bandwurms
Damit die Bandwurmlarven zu Bandwürmern werden, brauchen sie einen anderen Wirt als die Ameise. Ihr Zielwirt ist der Specht. Und die lethargischen infizierten Ameisen lassen sich leichter vom Specht fangen und fressen.
Bricht dieser zum Beispiel eine Eichel auf, in der eine Ameisenkolonie lebt, dann rennen alle Ameisen weg - bis auf die Infizierten und das macht es dem Specht natürlich einfacher, sie zu fressen, erklärt Foitzik.
Der Specht stirbt durch den Bandwurm vermutlich früher. Der Ameise aber verhilft der Bandwurm zu einem längeren Leben. Ob es der Ameise damit tatsächlich auch gut geht, will Susanne Foitzik weiter untersuchen.